Donnerstag, 25. April 2024
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Warum Cartellbrüder out, aber Burschenschafter in sind

Die Macht der Bünde: HC Strache, „Alter Herr“ der Burschenschaft „Vandalia“. Foto © Creative Commons Wikipedia/Christian Jansky (Ausschnitt).

 

Während Sebastian Kurz von CVern relativ wenig hält, ist HC Strache von blauen Burschenschaftern richtiggehend umzingelt.

Bei den üblichen Machtspielchen rund um die Regierungsbildung versuchen selbstverständlich auch Viele im Hintergrund mitzumischen und sich möglichst elegant bei der Postenvergabe einzubringen. So beispielsweise die traditionellen Studentenverbindungen, die seit jeher im Schlepptau von ÖVP bzw. FPÖ agieren. Diese selbsternannten Elite-Gruppierungen, für deren Mitglieder – neben einer bestimmten Weltanschauung – optimales Networking und karrieremäßige Aufstiegshilfen von zentraler Bedeutung sind, wittern in solchen Situationen die Chance, ihren politischen Einfluss möglichst auszuweiten. In einem Fall dürfte das diesmal kläglich misslingen: Kartellbrüder sind zurzeit nämlich – im Gegensatz zu Burschenschaftern – kaum gefragt.

Heute hat der österreichische CV – der Dachverband aller 49 aktiven katholischen Verbindungen – rund 13.000 Mitglieder, wobei es sich mehrheitlich um so genannte „Alte Herren“ handelt (Frauen sind nicht zugelassen). In der Hymne dieses mit elitärem Selbstbewusstsein ausgestatteten Männerbundes heißt es „Gehet Brüder unverdrossen unserm Volke stets voran“ und tatsächlich mischen CVer traditionellerweise gerne überall federführend mit, allen voran in der Volkspartei. Gleich elf von 17 ÖVP-Chefs der Zweiten Republik, unzählige Minister und Landespolitiker sowie noch unzähligere Abgeordnete auf Bundes- und Landesebene waren mit diesem bündischen Background ausgestattet, der bekanntlich alles Andere als ein Karrierehemmer, sondern oft das exakte Gegenteil ist. Für ein machtpolitisches Hoch der katholischen Vereinigung sorgten die Ex-Vizekanzler Michael „Cato“ Spindelegger, der wichtige Posten bevorzugt mit Couleurbrüdern zu besetzen pflegte, und Reinhold „Django“ Mitterlehner, der sich freilich auch mit Nicht-CVern umgab, etwa mit dem ebenfalls karrierebewussten Sebastian Kurz.

Und eben dieser Herr Kurz, dessen bevorzugtes Personalreservoir die in früheren Zeiten nicht wirklich ernst genommene „Junge Volkspartei“ zu sein scheint, sorgt nunmehr dafür – so wie es ehemals schon Erhard Busek und Wolfgang Schlüssel versuchten -, dass die Cartellbrüder, innenpolitisch betrachtet, massiv an Einfluss und Bedeutung verloren. Während bei der Nationalratswahl 2013 auf der schwarzen Bundesliste noch 28 CVer zu finden waren, begnügte man sich heuer mit nur noch drei. Alles in Allem sitzen künftig lediglich sechs türkise Cartellbrüder im Parlament, darunter Reinhold Lopatka, Peter Haubner und Niki Berlakovich. Im engsten Umfeld des jungen Parteichefs ist mit Gernot „Alkuin“ Blümel bloß ein einziges Mitglied dieser Verbindungen zu orten, was darauf hindeutet, dass in der türkis gewordenen Volkspartei auch diesbezüglich umgedacht wird.

Ein Klüngel dominiert die FPÖ

Der größte Unterschied zwischen den einstigen Studenten, die auf ihre „Deckel“ (sprich: Kapperl) und Bänder so stolz sind, und den ihnen häufig suspekten schlagenden Burschenschaften besteht darin, dass der CV katholisch, aber nicht deutschnational ist und überdies Mensuren verbietet. Die weltanschaulich den Blauen nahestehenden Korporierten, in der Regel erkennbar an Narben („Schmiss“) im Gesicht, dürfen sich – nachdem die FPÖ wieder einmal in die Regierung einzieht – über einen regelrechten Boom freuen: Noch nie zuvor gab es so viele Burschenschafter unter den nunmehr 51 FPÖ-Mandataren. Ab 9. November sitzen immerhin deren 20 im neu formierten Nationalrat, darunter Wendelin Mölzer, Wolfgang Zanger sowie Martin Graf, der jahrelang kaltgestellt worden war, nunmehr aber ein Comeback in der Volksvertretung feiern darf. Zum Vergleich: In der Ära Haider, bei der letzten Regierungsbeteiligung der Blauen, hatte es lediglich acht korporierte Abgeordnete im Hohen Haus gegeben.

Als stramme Angehörige einer ausgewiesenen Minorität – die rund 60 schlagenden Studentenverbindungen haben bloß rund 3.000, maximal 4.000 Mitglieder – verfügen sie über einen beträchtlichen Einfluss in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Die deutschnational gesinnten Herren, die liebend gerne mit Säbeln kämpfen, in Bierlaune meist deutsche Lieder singen und genüsslich Seilschaften knüpfen, die ein Leben lang halten sollen, betätigen sich in Burschenschaften wie der berühmt-berüchtigten „Olympia“, die guten Gewissens als rechtsextrem eingestuft werden darf. Das Problem dabei ist, dass politisch tätige Männerbündler, für die es etwa keine österreichische Nation gibt, das Machtzentrum der Freiheitlichen Partei Österreichs dominieren. Hans-Henning Scharsach schrieb in seinem Buch „Stille Machtergreifung: Hofer, Strache und die Burschenschaften“ (2017):

„Ein rechtsextremer, demokratie- und verfassungsfeindlich agierender Akademikerklüngel hat die FPÖ (…)  in Besitz genommen.“

Vier der fünf Obmann-Stellvertreter sowie 20 von 33 Mitgliedern des Parteivorstandes sind laut Scharsachs Recherchen völkisch Korporierte, sechs von neun Landesparteien werden aus dieser Ecke dirigiert.

Abgesehen von HC Strache, dem „Alten Herrn“ der Wiener „Vandalia“, könnten etliche Burschenschafter demnächst wichtige Funktionen übernehmen und mehr als bisher ins Rampenlicht rücken, weil sie als durchaus ministrabel gelten oder für höhere Weihen in Frage kommen, so wie Norbert Hofer, Walter Rosenkranz, Norbert Nemeth oder Harald Stefan. Der Rhetorik dieser Herrschaften, die unter Umständen, wie das bei FPÖ-Politikern immer wieder vorkommt, die Grenzen des Verbotsgesetzes ausloten, muss ab sofort eine besondere Aufmerksamkeit der Medien und der Öffentlichkeit zuteilwerden.

Diese Top-Repräsentanten völkischer Studentenverbindungen, die entrüstet zu dementieren pflegen, dass sie bisweilen keine Berührungsängste mit dem außerparlamentarischen Rechtsextremismus hätten, sorgen derzeit jedenfalls für innenpolitische Hochspannung. Auch wenn Burschenschafter außen durchwegs blau sind, aber innen nicht zwingend braun sein müssen, ist Wachsamkeit und Skepsis angebracht, wie sie etwa vom Tullner ÖVP-Bürgermeister Peter Eisenschenk unlängst schriftlich eingemahnt wurde: „Sobald sich das deutschnationale, das hetzende, das trennende oder sonst irgendein hässliches Gesicht der FPÖ in der Regierungsarbeit zeigt, muss die Zivilgesellschaft dagegen aufstehen.“

Aber Hand aufs Herz: Am liebsten wäre es vermutlich den meisten Wählerinnen und Wählern, die solche Männerbünde zumeist nicht nur als schrullig abtun, sondern auch für durchaus gefährlich halten, wenn schlagende Burschenschafter in Österreich künftig nur eine Nebenrolle spielen würden – so wie die katholischen Cartellbrüder…

Katholische CV-Verbindungen

„Austria“, Wien/Innsbruck

„Austro-Danubia“, Linz

„Babenberg“, Wien/Graz

„Bajuvaria“, Wien

„Danubia“, Wien

„Franco-Bavaria“, Wien

„Leopoldina“, Innsbruck

„Norica“, Wien

„Rudolfina“, Wien

„Rupertina“, Salzburg

Deutschnationale Burschenschaften

„Aldania“, Wien

„Libertas“, Wien

„Nibelungia“, Wien

„Olympia“, Wien

„Silvania“, Wien

„Teutonia“, Wien

„Vandalia“, Graz

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