Samstag, 12. Oktober 2024
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Privilegien-Gesellschaft Österreich: Unfair, zerrissen, anachronistisch

In keinem Land der Welt bestimmt die Nähe zu einer Partei so stark über Privilegien und Lebensstil. Reichen bei Eisenbahnern (für 42 Wochenstunden) schon 35 Dienstjahre zur Vollpension, müssen LKW-Fahrer (bei 60 Wochenstunden) 10 Jahre länger schuften.

[[image1]]Kaum ein Land dieser Erde gibt mehr für seine Parteien aus, nirgendwo genießen staatsnahe Berufsgruppen unverschämtere Privilegien – welche das weniger privilegierte „Stimmvieh“ mit Rekordsteuern bezahlt. Zwar ist die Kluft nach offiziellen Zahlen („Gini-Koeffizient“) historisch klein, im Leben zwischen den gesellschaftlichen Gruppen aber unüberbrückbar groß.

Eisenbahner vs. LKW-Fahrer

Wer einer der 40.000 aktiven oder 70.000 Pensionisten-Eisenbahner-Familien entstammt, wählt traditionell (zu über 90%) die SPÖ. Das tun alle Familienmitglieder, über Generationen lang. Und das gute Gründe: Ihre Parteinähe sichert neben Pensionsprivilegien, komfortablen Arbeitszeiten und großzügigen Zulagen noch 19 Tage Krankenstand im Jahr (zu „schwarzblauen“ Zeiten waren es auch schon mal 26 Tage). LKW-Fahrer sind nur 13 Tage krank, verdienen aber weniger.

Für ihr kalkulierbares Wahlverhalten brauchen Eisenbahner ab dem 1. Juli nur mehr 38 Stunden zu arbeiten. Dank ÖBB-Chef Kern (SPÖ) natürlich ohne Lohnverlust. Für ähnliche Privilegien bei LKW-Fahrer macht sich die SPÖ nicht stark.

230 Euro monatlich für ÖBB

Steuerzahler, die so unklug waren, nicht Eisenbahner zu sein, werden für diese Ignoranz verständlicherweise zur Kassa gebeten. Mit 230 Euro Steuergeld subventionieren sie den „roten“ Wahlsieg-Motor monatlich[1]. 5,4 Milliarden Euro versickern jährlich zwischen Gleisen und Tunnels – der Wert von 50 Abfangjägern. Mit diesen 5,4 Milliarden erzeugt die Eisenbahn übrigens Umsätze von 2,66 Milliarden Euro (Umsätze wohlgemerkt, nicht Gewinn). Eine außergewöhnliche Leistung.

Gemeinde Wien vs. alle anderen

Beim Aufmarsch zum 1. Mai sieht man die Abordnungen von Wiens 65.000 (!) Gemeinde-, GKK-, Stadtwerke- und anderen -Mitarbeitern. Mit revolutionären Spruchbändern (und vorhersehbarem Wahl-Verhalten) bedankt man sich bei der Partei für die Privilegien, die man auf Kosten aller anderen Österreicher genießt.

Dabei hat man in Wien noch nicht einmal die Pensionsreform von 2003 umgesetzt, in Frühpension geht man hier mit 54 Jahren, regulär mit 57. 3,5 Jahre früher als „normale“ Österreicher. Die höheren Pensionsausgaben von 200 Millionen Euro im Jahr sind in Wahrheit nichts anders als „sozialisierte“ Wahlkampfkosten. Nicht-Wiener bzw. Nicht-Gemeindearbeiter bezahlen diese mit geringeren Nettolöhnen – aufgrund ständig steigender Gebühren, Beiträge, Abgaben und Steuern.

ORF vs. Privatmedien

Wenn Private Radio machen, muss es so gut sein, dass man möglichst viel Werbung unterbringen kann. Wenn der Staat mit dem ORF Radio macht, braucht er doppelt so viel Personal, entlohnt es dafür aber fürstlicher.

ORFler nehmen monatlich 5.600 Euro mit nach Hause, in der Privatwirtschaft undenkbar. ORF-Landesdirektoren kriegen 14.000 Euro monatlich, private Radiochefs einen Fußtritt, wenn die Quote sinkt. Die freien Mitarbeiter privater Sender (oder generell: Medien) sind de facto täglich kündbar. Wen die Partei im ORF verankern konnte, ist dort bis zur Pensionierung.

Wer den Selbstbedienungsladen finanziert? Na wir. Mit unseren Gebühren.

Pensionen: Männer vs. Frauen

Weil es etwa im Maschinenbau kaum Frauen in den Vorstandsetagen gibt, gilt das weibliche Geschlecht hierzulande als diskriminiert (für Männer, die man kaum in Kindergartenleitungen findet, gilt dies freilich nicht). Tatsächlich werden pensionierte Frauen aber massiv von Männern subventioniert.

Die OECD hat errechnet, dass „die österreichische Durchschnittsfrau aufgrund des früheren Pensionsantritts, der deutlich höheren Lebenserwartung und der daraus resultierenden längeren Pensionsbezugsdauer trotz geringerer monatlicher Pension insgesamt rund 87.000 € mehr an Pensionsleistungen erhält als der Durchschnittsmann[2]“.

Alt gegen Jung

In Europa diskriminieren die Alten die Jungen. Kein Wunder: Die größten Wählergruppen sind die der Pensionisten (über 2,5 Mio.) und die der „über 55jährigen“. Wer sie als Wähler gewonnen hat, der hat gewonnen. Und traditionell gewinnt die SPÖ hier fast 60%, die ÖVP 30%.

Doch das ist teuer erkauft: Ohne die 10 Milliarden Euro Staatszuschuss könnten die Renten nicht mehr ausbezahlt werden. Zufälligerweise entspricht Österreichs Budgetdefizit in etwa diesem Betrag.

Gingen die Österreicher erst mit 65 statt mit 58 Jahren in Pension, würde sich das System selber tragen! Es gäbe kein Pensionen-Loch, damit auch kein Budgetdefizit und Österreich wäre bald schuldenfrei! Die Steuern könnten gesenkt werden und weil mehr Menschen berufstätig wären, würde mehr produziert, mehr Steuern und Gewinne erwirtschaftet und damit mehr Beschäftigung für Junge geschaffen werden. Theoretisch.

Pensionsprivilegien sichern Wiederwahl

Der Preis sind sieben zusätzliche Berufsjahre für alle. Die Schweden haben eben diesen Weg gewählt; heute gehen sie mit 65 in Pension, haben die Hälfte ihrer Staatsschulden zurückbezahlt.

Der gesellschaftliche Prämissen-Wechsel war allerdings erst möglich geworden, nachdem die bis dato 50 Jahre lang ununterbrochen regierenden Sozialdemokraten abgewählt waren (in Österreich gewinnt die SPÖ die Nationalratswahlen allerdings erst seit 44 Jahren ununterbrochen – bei einer Ausnahme, 2003).

Die Österreicher bezahlen die Privilegien ausgewählter Personengruppen mit der weltweit dritthöchsten Steuer- und Abgabenquote. Die Reallöhne stagnieren seit Jahren, während sich Eisenbahner, Nationalbanker, Postler, (teilweise auch) Bauern, (Wien-)Beamte, Geringverdiener, Ältere und Pensionisten über mehr Geld, weniger Arbeit und geringeren Stress freuen dürfen.

Warum darf ein Mitarbeiter der Telekom mit 55 Jahren in Pension gehen, wenn der Angestellte eines privaten Mobilfunk-Anbieters erst mit 60 gehen kann und dafür weniger verdient? Nur weil er „richtig“ wählt? Das ist ungerecht und nicht mehr zeitgemäß

Untertanenstaat vs.  Bürger-Demokratie

Österreich hat den Sprung vom Untertanenstaat zur Demokratie noch lange nicht geschafft. Gewählt wird nicht, wer bessere Visionen für das Land entwickelt, sondern mehr Almosen (heute sind das Zahnspangen und Heiratsbeihilfen) verteilt.

Wenn die Österreicher die Erfolge von Ländern wie der Schweiz oder Schweden nicht endlich richtig deuten, wird sich am Ungerechtigkeiten-Staat Österreich nichts ändern.



[1] 5,4 Mrd. auf 1,9 Mio. Steuerzahler aufgeteilt. In Österreich bezahlen 1,9 Mio. Menschen mehr Steuern als sie in Form von Sozialleistungen verbrauchen. Diese 1,9 Mio. versorgen 8,3 Mio. Bürger.

[2] OECD (Hrsg.): Renten auf einen Blick 2007. Staatliche Politik im OECD-Ländervergleich. OECD Publishing, Paris 28. September 2007

 

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