Samstag, 7. Dezember 2024
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Neue Initiative der EU zum Schutz der Biodiversität vor invasiven gebietsfremden Arten

Dass das Recht der EU nunmehr unter anderem auch vor dem tödlichen Stich der Tigermücke oder der durch das Beifußblättrige Taubenkraut – auch Ambrosia oder Ragweed genannt – ausgelösten schweren Allergien schützen soll, ist erklärungsbedürftig, wenngleich es immer deutlicher wird, dass das Europarecht mehr und mehr in alle Lebensbereiche der Unionsbürger eindringt.

[[image1]]Im Rahmen ihrer Umweltschutzkompetenz und unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips geht die EU nunmehr daran, einen rechtlichen Rahmen für Maßnahmen zur Prävention, Minimierung und Abschwächung der nachteiligen Auswirkungen invasiver gebietsfremder Arten auf Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen zu schaffen. Fremde Tier- und Pflanzenarten bedrohen die natürlichen in Europa sesshaften Arten und können sogar dem Menschen gefährlich werden. Daher sieht sich die EU genötigt, die notwendigen Abwehrmaßnahmen zu setzen.

So wurde zB Ambrosia, eine der am stärksten allergenen, also Abwehrreaktionen auslösenden Pflanzen der Welt, aus Nordamerika durch verunreinigte landwirtschaftliche Geräte und Vogelfutter nach Europa eingeschleppt und verursacht allein in der ungarischen Landwirtschaft Schäden in Höhe von jährlich 100 Millionen Euro.[1]) Die Tigermücke wiederum, die sich von Südeuropa her immer weiter nach Norden ausbreitet, kann tödliche Krankheiten auf den Menschen übertragen.[2]) Es muss daher ein Mittel gefunden werden, um diese Schädlinge entsprechend bekämpfen zu können, wobei die bisher dazu ergriffenen nationalen Maßnahmen offensichtlich nicht ausreichend waren.  

Was sind invasive gebietsfremde Arten?

Invasive gebietsfremde Arten sind Tier- und Pflanzenarten, die zunächst durch menschliches Handeln über ökologische Barrieren hinweg aus ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet heraus verbracht werden, anschließend überleben, sich fortpflanzen und ausbreiten und in der Folge negative Konsequenzen für die Ökologie ihres neuen Standorts sowie ernste wirtschaftliche und soziale Auswirkungen haben. Schätzungen zufolge haben sich 10 bis 15 Prozent der mehr als 12.000 in der Umwelt Europas vorkommenden gebietsfremden Arten – mit anderen Worten gibt es daher 1.200 bis 1.800 invasive gebietsfremde Arten als Schädlinge der einheimischen Fauna und Flora –  fortgepflanzt und ausgebreitet und dabei große ökologische, wirtschaftliche und soziale Schäden verursacht.

Wie gelangen nun solche invasive gebietsfremde Arten in die Mitgliedstaaten der EU? Das geschieht idealtypisch über folgende zwei Kanäle: zum einen sind einige gebietsfremde Arten ausdrücklich erwünscht und werden dementsprechend absichtlich in die EU verbracht, wie zB aus kommerziellen Interessen, zu Zierzwecken, als Heimtiere, zur biologischen Schädlingsbekämpfung etc. Zum anderen werden gebietsfremde Arten aber unabsichtlich als Kontaminanten von eingeführten Waren oder als „blinde Passagiere“ in Transportmitteln (Container etc.) eingeschleppt oder von Reisenden unwissentlich mitbefördert. Einige weitere invasive gebietsfremde Arten können aber auch durch die Verkehrsinfrastruktur, wie zB den Rhein-Main-Donau–Kanal, „einwandern“ oder durch den Wind verbracht werden. Schätzungen zufolge wird nur ein Viertel der gefährlichen invasiven Arten bewusst eingeführt, drei Viertel von ihnen gelangen zufällig in die EU.

Invasive gebietsfremde Arten haben erhebliche Auswirkungen auf die Biodiversität, da sie eine der Hauptursachen für das immer mehr zunehmende Artensterben sind. Gebietsfremde Arten sind nach dem allgemeinen Verlust natürlicher Lebensräume die zweitwichtigste Ursache für den Verlust an Biodiversität. So verursacht zB die spätblühende Traubenkirsche erhebliche Störungen des forstlichen Ökosystems, Grauhörnchen verdrängen Rothörnchen aus ihren angestammten Lebensräumen uam.

Hinsichtlich der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen können invasive Arten Krankheitsüberträger sein oder sogar direkt Gesundheitsprobleme verursachen, wie zB Asthma, Dermatitis und Allergien. Sie können aber auch Schäden an der Infrastruktur (zB der japanische Staudenknöterich, der Gebäude schädigt) oder an Freizeit-/Erholungsanlagen anrichten, die Forstwirtschaft beeinträchtigen oder zu Verlusten in der Landwirtschaft (wie B die Biberratte Nutria, die Kulturpflanzen und Uferböschungen schädigt) führen. Schätzungen zufolge entstehen durch solche invasive Arten in den Mitgliedstaaten der EU Kosten von jährlich mindestens 12 Milliarden Euro (!).[3])

In diesem Zusammenhang ist vor allem der grenzüberschreitende Effekt der Schädigung durch invasive Arten zu berücksichtigen. Obwohl viele Mitgliedstaaten bereits erhebliche Mittel zur Schädlingsbekämpfung aufwenden, laufen ihre Anstrengungen ins Leere, wenn die Maßnahmen an den Landesgrenzen Halt machen müssen. So wird zB die Bekämpfung des Herkuleskrauts in Belgien dadurch zunichte gemacht, dass dieser Schädling aus Frankreich immer wieder eingeschleppt wird,[4]) ein Phänomen, das man auch bei der Aussaat genetisch veränderter Organismen (GVO) beobachten kann, da der Wind deren Pollen bzw Samen von den erlaubten Auspflanzungsgebieten über die Grenze hinweg in die Staaten verträgt, die ein Verbot der Anpflanzung von GVO verhängt haben.

Verordnung über die Prävention und Kontrolle invasiver gebietsfremder Arten

Am 9. September 2013 legte die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prävention und die Kontrolle der Einbringung und Verbreitung invasiver gebietsfremder Arten[5]) vor, mit der ein Rahmen für Maßnahmen zur Prävention, Minimierung und Abschwächung der nachteiligen Auswirkungen invasiver gebietsfremder Arten auf Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen geschaffen werden soll. Erreicht soll dies vor allem durch eine Verstärkung präventiver Maßnahmen werden und zwar im Einklang mit dem Konzept des „Übereinkommens über die biologische Vielfalt“, das 2010 in Nagoya abgeschlossen wurde, sowie in Übereinstimmung mit den Tier- und Pflanzengesundheitsregelungen der EU.

Mit ihrem „Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa“ sowie ihrer „EU-Strategie zum Schutz der Biodiversität bis 2020“ hatte sich die EU zwar verpflichtet, den Rückgang der Biodiversität bis zum Jahre 2020 zu stoppen, verfügte aber bisher über keinen umfassenden rechtlichen Rahmen, um den von invasiven gebietsfremden Arten ausgehenden Risiken für die heimische Fauna und Flora zu begegnen. Lediglich einige wenige Arten von Krankheitserregern und Schadorganismen sind sekundärrechtlich in einzelnen Tier- und Pflanzengesundheitsregelungen[6]) normiert. Die Bestimmungen dieser verstreuten Verordnungen und Richtlinien sind aber überwiegend reaktiv konzipiert und damit lediglich darauf ausgerichtet, bereits aufgetretene Schäden zu minimieren, ohne dass dabei der Prävention und der Abwehr neuer Bedrohungen genügend Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Dem gegenständlichen Verordnungsvorschlag der Kommission ist eine entsprechende Konsultation und Folgenabschätzung vorausgegangen. Im Jahr 2008 veröffentlichte die Kommission eine erste einschlägige Mitteilung, der 2010 eine weitere folgte, im Rahmen derer eine Reihe intensiver Konsultationen abgeführt wurden, an denen das gesamte Spektrum interessierter Kreise, wie zB Naturschutzorganisationen, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) uam – teilnahm. In der Folge wurden im Bereich der Folgenabschätzung verschiedene Optionen für die Konzeption des geeignetsten Rechtsinstruments erarbeitet. Dabei setzte sich die Option der Erlassung eines Basisrechtsaktes mit der Verpflichtung zur sofortigen Tilgung sich neu etablierender invasiver gebietsfremder Arten von EU-weiter Bedeutung durch, der letztlich die Kommission veranlasste, den aktuellen Verordnungs-Vorschlag vorzulegen.

Im Mittelpunkt des Verordnungsvorschlags steht die Erstellung einer Liste invasiver gebietsfremder Arten von EU-weiter Bedeutung. Diese Liste, die zunächst die 50 wichtigsten Schädlinge umfassen soll, wird zusammen mit den Mitgliedstaaten unter Heranziehung von Risikoabschätzungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen erstellt. Bestimmte Arten davon werden danach in der EU verboten, sodass deren Einfuhr, Erwerb, Verwendung, Freisetzung und Verkauf nicht mehr zulässig sein wird. Während eines Übergangszeitraums werden besondere Maßnahmen ergriffen, um Probleme im Zusammenhang mit den bisherigen Händlern, Züchtern oder Tierhaltern zu berücksichtigen. Die getroffene Regelung wird mit einem Informationsmechanismus, dem „Informationsnetz für gebietsfremde Arten“ (European Alien Species Information Network, EASIN),[7]) gekoppelt.

Rechtsgrundlage und Subsidiarität der Verordnung

Rechtsgrundlage des Verordnungs-Vorschlags der Kommission ist Artikel 192 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV), mit dem die Ziele der Erhaltung und des Schutzes der Umwelt sowie der Verbesserung ihrer Qualität, des Schutzes der menschlichen Gesundheit, der umsichtigen und rationellen Verwendung der natürlichen Ressourcen und der Förderung von Maßnahmen zur Bewältigung regionaler und globaler Umweltprobleme (Artikel 191 Absatz 1 AEUV) umgesetzt werden.

Da es sich beim Eindringen invasiver gebietsfremder Arten in der Regel um ein grenzüberschreitendes Phänomen handelt, ist ein Handeln auf der Ebene der EU nicht nur besser geeignet sondern sogar erforderlich, um die damit verbundenen Probleme zu lösen. Die derzeitigen mitgliedstaatlichen Anstrengungen sind sehr uneinheitlich und inkohärent, und können daher das Problem invasiver gebietsfremder Arten nicht zufriedenstellend lösen. Im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip ist daher ein Tätigwerden der EU erforderlich. Besonders erfolgversprechend wird aber eine Kombination von Maßnahmen auf der EU-Ebene mit denen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene sein.

Fazit

Die Bekämpfung invasiver gebietsfremder Arten ist ein besonders gutes Beispiel dafür, wie durch die EU die notwendige Zusammenarbeit auf lokaler, regionaler, nationaler und supranationaler Ebene zur Bekämpfung grenzüberschreitender Bedrohungen für Fauna und Flora verbessert und die Kosteneffizienz erhöht werden kann. Die Anstrengungen so mancher Mitgliedstaaten wurden bisher des Öfteren dadurch zunichte gemacht, dass sie nicht in Abstimmung mit ihren Nachbarstaaten erfolgten, sodass deren Politiken die eigenen Vorkehrungen konterkarierten. In diesem Sinne werden Maßnahmen des Umweltschutzes ganz besonders dem Erfordernis strikter Subsidiarität gerecht, das bestimmt, dass die EU „in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig (wird), sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind“ (Artikel 5 Absatz 3 EUV).


[1]) EU will Ambrosia-Invasion stoppen, Wissen & Umwelt, DW.de, vom 10. September 2013.

[2]) Vgl. Kampf der Tigermücke, NZZ vom 11. September 2013, S. 22.

[3]) Umweltschutz: Neue Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität vor problematischen invasiven Arten, Europäische Kommission-Pressemitteilung IP/13/818, vom 9. September 2013, S. 2.

[4]) Umweltschutz (Fußnote 3), S. 2.

[5]) KOM(2013) 620 endg.; 2013/0307 (COD).

[6]) Siehe dazu die Auflistung in KOM(2013) 620 (Fußnote 5), S. 2.

[7]) //easin.jrc.ec.europa.eu/

 

Bild: M.E. / pixelio.de/ © www.pixelio.de

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