Dienstag, 19. März 2024
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Weniger Europa wäre mehr

Für das angelaufene Jahr wird neben den vielen aktuellen Problemen Europas eine grundsätzliche Frage immer wichtiger: Wie kann man die EU angesichts vieler überhandnehmender zentrifugaler Tendenzen überhaupt noch retten? Oder genauer: Welche Kernelemente Europas sind überhaupt wichtig, notwendig und überlebenswert?

Seit zwischen Deutschland und Österreich, ja sogar zwischen den schon lange vor der EU eng verbundenen skandinavischen Ländern und zwischen vielen anderen EU-Staaten wieder Grenzkontrollen stattfinden, gibt es keinen Zweifel: Vieles an den Errungenschaften der EU zerfällt.
Das zeigen die genannten Beispiele aus eigentlich durchaus EU-frommen Ländern. Das wird bei etlichen anderen Mitgliedsstaaten erst recht deutlich: bei Großbritannien, das gerade die ersten Schritte zu einem Austritt setzt; bei Polen und Ungarn, die von anderen EU-Ländern (hinaus-?) gemobbt werden; bei Rumänien und Bulgarien, wo die Korruption offenbar endemisch ist; oder bei Griechenland und Italien, welche die vertragliche Pflicht eines Schutzes der EU-Außengrenzen seit Jahr und Tag ignorieren.

Friedenssicherung durch die EU?

In einer solchen Zeit ist es dringend notwendig, sich zu besinnen, was die EU allen Bürgern Gutes gebracht hat. Das Gute besteht weniger, als es in der Selbstbeweihräucherung der Union behauptet wird, in der Sicherung des Friedens unter den EU-Staaten. Denn auch die Schweiz oder Norwegen als Nicht-EU-Länder sind sehr friedlich. Auch in den – damals zu Recht als durchaus bedrohlich empfundenen – Jahrzehnten des Kalten Kriegs war es nicht die EU, die den Frieden gesichert hat, sondern die Nato und damit die Schutzgarantie durch die USA, welche die gigantische Übermacht der Warschaupakt-Panzer im Zaum gehalten haben.

Hingegen haben sich bei den heutigen Bedrohungen der Sicherheit Europas, also durch den islamistischen Terror und die millionenfache Völkerwanderung, etliche EU-Regeln als unwirksam, ja schädlich erwiesen. Das gilt vor allem für die Abschaffung der internen Grenzen. Die Rufe vieler Politiker „Die EU muss ihre Außengrenzen besser sichern“ sind nur miese Tricks zur Ablenkung davon, dass die nationale Politik nicht mehr willens ist, selbst für den Schutz des eigenen Landes zu sorgen. Denn es ist ja ganz offensichtlich, dass es einen funktionierenden Schutz der EU-Außengrenzen wegen der Schwäche des italienischen und des griechischen Staates mit Sicherheit auf Jahre nicht geben wird.

Es entschuldigt diese beiden Staaten übrigens nicht wirklich, dass der Schutz von Seegrenzen komplizierter zu sein scheint. Denn Spanien zeigt, dass auch das möglich ist. Dort findet seit Beginn der konservativen Regierung (die freilich jetzt zu Ende gehen dürfte) fast keine illegale Immigration statt. Eine große Zahl Marokkaner reist sogar Tausende Kilometer, um über die Balkanroute als „Flüchtlinge“ in die EU zu kommen, weil der nur wenige Kilometer lange Seeweg nach Spanien unmöglich ist.

Mindestens genauso verhasst macht sich die EU bei vielen Bürgern wegen absurder Überregulierungen, die ihre Freiheit immer mehr einschränken. Der Bogen führt vom absurden Glühbirnenverbot über die strafrechtliche Auslieferung eigener(!) Staatsbürger eines EU-Staates an andere Unionsländer bis zur massiven Einschränkung der Meinungsfreiheit durch die auf EU-Ebene ausgeheckten drakonischen Strafen für „Hass“ auf bestimmte privilegierte Gruppen (nicht zuletzt, weil Tugendterroristen ja in jeder zugespitzten Meinungsäußerung Hass zu sehen meinen).

Der wirkliche Nutzen durch die EU

Angesichts vieler solcher Fehlentwicklungen in der EU – von den Irrwegen des gut gemeinten Projekts „Euro“ gar nicht zu reden – ist es umso wichtiger, sich die eigentlich unglaublich positive Wirkung des europäischen Zusammenschlusses in Erinnerung zu rufen.

Positiv war und ist vor allem (oder nur?) der wirtschaftliche Zusammenschluss. Genau diese Idee wird ja inzwischen von Afrika bis Lateinamerika zu Recht überall imitiert. Der Wert einer solchen Wirtschaftsgemeinschaft besteht nicht nur darin, dass alle Zölle und Grenzkontrollen für den Handel zwischen den Mitgliedsländern wegfallen. Der von Jörg Haider einst ventilierte Gedanke einer Wiedereinführung von „Schutzzöllen“ hätte zwar dem einen oder anderen heimischen Fabrikanten genutzt, aber den Konsumenten schwer geschadet!

Noch wichtiger war der Wegfall der sogenannten nichttarifären Handelshemmnisse. Diese haben einst in diffizilen nationalen Regeln angeblich zum Schutz von Gesundheit, Umwelt oder Sicherheit bestanden. Sie hatten aber in Wahrheit den Hauptzweck, Konkurrenten aus anderen Ländern fernzuhalten. Daher war es sinnvoll und richtig, bis hin zu den oft zitierten Traktorsitzen europaeinheitlich festzuhalten, welche Ansprüche ein Produkt zu erfüllen hat. Noch einfacher war dann die Regel, dass ein Produkt, welches in einem EU-Land alle gesetzlichen Ansprüche erfüllt, automatisch auch in allen anderen verkauft werden kann.

Dadurch wurde es der Industrie möglich, in viel größeren Serien zu produzieren. Genau das kommt am Ende den Konsumenten viel billiger, als wenn jedes einzelne Produkt 28 Mal mutiert werden müsste. Der Wohlstand der Europäer hat jahrzehntelang dadurch profitiert.

Schädliche Struktur- und Kohäsionsfonds

Schon viel weniger sinnvoll haben sich die vielen Milliarden als Struktur- und Kohäsionshilfe erwiesen, die von den sogenannten Nettozahlern an die ärmeren Staaten – einst im Süden, jetzt auch im Osten – geflossen sind. Vor allem Süditalien und Griechenland, aber zum Teil auch die iberischen Länder zeigen, dass das ein völlig falscher Weg ist. Nicht nur weil dadurch sinnlose Dinge wie überflüssige Autobahnen gebaut  werden, nicht nur weil dabei unglaublich viel betrogen wird, sondern vor allem, weil die Nutznießer dadurch völlig den Wert und die Notwendigkeit eigener Anstrengungen verlernen. Wenn aber ein Volk die Eigenverantwortung verlernt, dann kann diese nur noch durch eine schmerzhafte und lange Krise wieder wachsen. In Griechenland und Süditalien wächst bis heute gar nichts davon. Osteuropas Völker hingegen fühlen sich – vorerst! – als Spätfolge des kommunistischen Dramas noch immer für sich selbst verantwortlich.

Dafür ist auf einem anderen Gebiet die Wirtschaftsunion in der EU bis heute noch nicht vollständig, nämlich bei den Dienstleistungen. Vor allem der Protektionismus der Gewerkschaften hat da Vieles verhindert. Daher muss – zumindest theoretisch – beispielsweise LKW-Fahrern jeweils für ein paar Stunden der Kollektivvertragslohn jenes Landes, das sie gerade durchqueren, bezahlt werden. Das ist alles andere als einfach und wird daher durch viele illegale oder paralegale, jedenfalls komplizierte Konstruktionen umgangen. Ähnliches gilt auch für viele andere Branchen.

Mehr Subsidiarität täte not

In anderen Bereichen sollte aber der EU-Regulierungswahn der letzten 20 Jahre deutlich zurückgenommen werden. Je früher man einen Irrweg als solchen erkennt, umso besser. Vielleicht kann der multiple Schock – durch die englische Austrittsdrohung, durch massenweisen Betrug und Sozialmissbrauch, durch die Völkerwanderung und durch die Eskalation des Terrors – da doch jetzt ein Rückbesinnen einleiten.

Vielleicht wird doch erkannt, dass manche Dinge noch auf viele Jahrzehnte viel besser national – oder regional – gelöst und geregelt werden. Das sagt ja auch die oft versprochene, aber nie realisierte Subsidiaritätsregel. Europa ist emotional, sprachlich, kulturell, sozial und ökonomisch noch viel zu divers, als dass der utopische Maximalismus der europäischen Vereinheitlicher sinnvoll wäre. Selbst wenn das nun oft kursierende Wort von der EUdSSR ein sehr böses ist, so hat es einen durchaus wahren Kern: Auch die Sowjetunion ging nicht zuletzt daran zugrunde, dass alles nach einer zentralen Vorgabe von Menschen, die sich für eine legitime Elite hielten, geregelt werden sollte. Die damalige Nomenklatura in Moskau scheint der heutigen in Brüssel und Straßburg immer ähnlicher.

Weniger Europa wäre dringend notwendig und sinnvoll. Jeder kluge Politiker sollte wissen, dass man manchmal einen oder zwei Schritte zurück machen muss, um nicht alles zu gefährden. Nur: Wo haben wir solche Politiker?

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