Freitag, 29. März 2024
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„Helikopter Money“ – Geldpolitischer Tabubruch bahnt sich an

Während bislang noch kaum ein Notenbanker die direkte Staatsfinanzierung durch eine Notenbank zu diskutieren wagt, sehen führende Ökonomen kaum noch Alternativen dazu.

[[image1]]Vermutlich war der Einfluss des Nachkriegsökonomen Milton Friedman, der den direkten Zusammenhang zwischen zu viel Papiergeld und hoher Inflation popularisiert hatte, hauptverantwortlich dafür, dass sich angesichts dramatischer Hyperinflationsvorfälle nach den beiden Weltkriegen niemand mehr darüber nachzudenken erlaubt hat, Staatsausgaben „mit der Notenpresse“ zu finanzieren. Nur ist nach den herkömmlichen Maßstäben der Ökonomen die Budgetlage mittlerweile in allen führenden Industrieländern derart verzweifelt, dass kaum noch ausreichend wirtschaftspolitische Handlungsfähigkeit gegeben ist, um die politisch gewünschten Wachstumsraten zu schaffen.

Da die verzweifelten Versuche der Regierungen, etwa über das Schließen von Steuerschlupflöchern und Steueroasen an zufriedenstellende Einnahmen zu kommen, kaum ausreichen werden, die langfristigen Budgetprobleme zu lösen – immerhin ist absehbar, dass die demografischen Entwicklungen und die steigenden Kosten des Klimawandels die Überlastung der Staatshaushalte eher werden ansteigen lassen – dürfte die Aufforderung der Ökonomen, unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen zu ergreifen, wohl bald auf fruchtbaren Boden fallen.

Diskussion an der London School of Economics

Bei einer Diskussion führender Finanzökonomen an der London School of Economics argumentierten Adair Turner vom Institute for New Economic Thinking, der immerhin im UK Financial Policy Committee sitzt, und Michael Woodford, von der Columbia University, der schon im Vorjahr bei der höchstrangigsten Notenbanker-Tagung in Jackson Hole (US) eine spezielle Variante von „Helicoper Money“ präsentiert hatte, jedenfalls klar zugunsten von „Helicopter Money“, sollten bestimmte Voraussetzungen gegeben sein.

„Helicopter Money – worunter wir die offen monetäre Finanzierung steigender Staatsdefizite verstehen – könnte unter Umständen die einzige sichere Methode sein, die nominelle Nachfrage zu steigern, und würde geringere Risiken für die künftige finanzielle Stabilität mit sich bringen, als die unkonventionelle Geldpolitik, die derzeit angewendet wird“.
Michael Woodford

Die entscheidende Frage sei, ob die nominelle Nachfrage tatsächlich gesteigert werden müsse. Dies wäre dann der Fall, wenn entweder zu erwarten ist, dass dadurch auch der reale (= inflationsbereinigte) Output gesteigert werden kann, oder wenn eine steigende Inflationsrate generell wünschenswert erscheint, etwa in einem Deflationsszenario. Darüber hinaus müssten sich auch die herkömmlichen Stimulationsmaßnahmen als ineffektiv erweisen, beispielsweise wenn die konventionelle Geldpolitik scheitere, weil sich der Privatsektor auch bei Null-Zinsen weiter entschulden will, wozu komme, dass an den Finanzmärkten bei anhaltenden Niedrigzinsen zudem eine Jagd nach Renditen ausbrechen könne, die zu gefährlichen Übertreibungen führt.

Sollte zudem aufgrund hoher Staatsdefizite auch eine konventionelle Defizitfinanzierung über den Verkauf von Staatsanleihen an den Privatsektor Schwierigkeiten bereiten – etwa aufgrund von Absatzschwierigkeiten oder weil der Privatsektor annimmt, dass die steigenden Staatsausgaben zu künftigen Steuererhöhungen führen werden – müsste „Helicopter Money den Professoren zufolge als verfügbare Option betrachtet werden“.

Unterschied zum „Quantitative Easing“

Nun erscheinen diese Voraussetzungen in etlichen Industrieländern als zutreffende Beschreibungen der ökonomischen Verhältnisse, weshalb die Notenbanken also zur Tat schreiten sollten. Im Unterschied zu den bereits jetzt praktizierten Staatsanleihekäufen sollten diese also mit dem festen Bekenntnis der Notenbank erfolgen, diese langfristig zu halten. Das war bei den umfangreichen Staatsanleihenkäufen der Notenbanken Japans, der USA und Großbritanniens im Rahmen des „Quantitative Easing“ nicht der Fall, da die Notenbanken stets angekündigt hatten, die Anleihen wieder an den Privatsektor abzugeben so bald sich die Lage beruhigt habe. Das hatte zur Folge, dass dadurch zwar die Refinanzierungskosten des Staates reduziert wurden, da die höhere Zentralbank-Geldmenge aber nicht zu steigenden Krediten an die Realwirtschaft oder steigenden direkten Staatsausgaben führten, blieb ihre Wirkung auf die Realwirtschaft jedoch minimal (allerdings dürfte ohne diese Maßnahmen wohl ein weiterer Rückgang der Staatsausgaben erfolgt sein).

Steigende Effizienz der Geldpolitik bei steigender Ineffizienz der Realwirtschaft?

Könnten diese Zentralbankgelder indes direkt vom Staat verteilt werden, sollte den Professoren zufolge ein deutlich effizienterer Einsatz dieser Gelder möglich sein. Beispielsweise könnten bevorzugt jenen Bevölkerungsgruppen über Steuerersenkungen oder Subventionen mehr Geld in die Hand gegeben werden, bei denen die Wahrscheinlichkeit am größten ist, dass sie diese ausgeben und nicht zum Schuldenabbau verwenden; ebenso würden zusätzliche staatliche Ausgaben für Infrastrukturprojekte, Bildung oder Forschung direkt als Einkommen in der Realwirtschaft ankommen. Bleiben also bloß noch ein paar technische Fragen, die mit der Natur politischer Prozesse verbunden sind. Immerhin beruht das bislang unangetastete Dogma der Unabhängigkeit der Notenbanken von der Politik gerade darauf, eine monetäre Staatsfinanzierung zu verhindern, weil dies – angesichts des hohen Interesses der Politiker an einer Wiederwahl bzw. dem eigenen Wohlergehen – als Garant für Steuergeschenke an spezielle Interessengruppen, Korruption und allgemeine Ineffizienz gilt. Wenn sich Ökonomen nun also darauf zu einigen beginnen, dass die Weltwirtschaft mit monetären Maßnahmen gerettet werden müsse, bleibt zu hoffen, dass sie sich auch Maßnahmen einfallen lassen, die die absehbaren negativen Folgen im Zaume halten.
 

Bild: Claudia Hautumm / pixelio.de/ © www.pixelio.de

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