Dienstag, 15. Oktober 2024
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Die Schwächen der Euro-Gegner

Während die Koalitionsverhandlungen, die im eigentlichen Sinne des Wortes noch keine sind, sich jedenfalls zäh gestalten, frisst sich die Euro-Realität bereits in die deutsche Politik wieder hinein. Der irische Finanzminister lässt verlautbaren, dass er im Fall der Rückkehr seines Landes an den Kapitalmarkt vom ESM eine Art „Stand-by-Kredit“ erhalten wolle.

[[image1]]Der griechische Finanzminister ist sehr viel deutlicher: er will eine neue Umschuldung und zwar ohne Konditionalität, also keinerlei unpolitischer Auflagen für weiteres Sparen. In Italien ist der Sparkurs endgültig ad acta gelegt worden, nachdem die Europäische Kommission das Land aus der kritischen Beobachterzone herausgenommen hat. Frankreich, das souveräne Paradies Europas, ist fiskalisch völlig außer Kontrolle. Und selbst der Chef der Notenbank der Slowakei macht geltend, dass sein Land allein die Last der Schulden nicht unbefristet in der Lage sei, zu tragen.

Dies dürfte nicht nur die unbedingten Euro-Retter zurück in die Startposition bringen, um den Inflationswettlauf um immer neue Euro-Rettungsmaßnahmen dennoch zu gewinnen. Vielmehr wäre diese Lage der gegebene Anlass für die deutschen Euro-Kritiker, nicht nur ihre Fundamentalopposition einmal mehr zum Euro zu bekunden, sondern einen Plan vorzulegen, wie das nach ihrer Ansicht gescheiterte Euro-Experiment  abgewickelt werden kann. Bisher hat AfD-Gründer Lucke, der noch vor einem Jahr die Euro-Zone stabilisieren wollte, nichts einem Plan Vergleichbares vorgelegt, das auch nur in Umrissen den Ausweg aus der Euro-Krise weist. Die Presse ist ihm sehr entgegen gekommen und lässt ihn in den vielen Interviews, die er seit Gründung seiner jungen Partei gegeben hat, immer wieder mit Allgemeinheiten sich aus der Affäre ziehen. Einmal will Lucke die europäischen Verträge ändern, um den Ausschuss bestimmer Eurozonen-Länder zu erleichtern, ein anderes Mal verweist er pauschal auf die Wunderwirkung von Parallelwährungen ohne auch nur zwei Sätze darauf zu verwenden, wie dies geschehen sollte. In dieser Hinsicht ist er ähnlich diffus, wie sein Sponsor, der ehemalige BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel. Henkel hatte sehr früh die Spaltung Europas in ein Nord- und ein Südeuropa gefordert und hierzu auch publikumswirksame Bücher geschrieben, die, obwohl er von den südlichen Ländern als ‚Olivenländer‘ sprach, reißenden Absatz gefunden hatten. Indessen erfährt man in keinem seiner Werke oder publizistischen Beiträge über die Modalitäten einer solchen monetären Entflechtung  Europas. Anfangs war Henkel sogar noch der Meinung, die EZB könne gemeinsam für Nord-Euro/Süd-Euro zuständig sein.

Zwischenzeitlich hat Henkel einige Signatäre für sein Europäisches Solidaritätsmanifest gesammelt. Auf ganzen zwei Seiten fordern die Unterzeichner, darunter ehemalige Politiker und einige weniger bekannte Hochschullehrer, die kontrollierte  Segmentierung der Euro-Zone. Auch sie schaffen es nicht darzulegen, wie dieses Wunderwerk umgesetzt werden soll. Die deutschen Liberalen -seit dem 23. September nun mehr ohne jegliche Präsenz und Infrastruktur im deutschen Bundestag – hatten bis zum Ende der Legislaturperiode keine praktikablen Vorschläge gemacht. Ihre Dissidenten – allen voran der ehemalige Finanzberater Frank Schäffler – glänzten einmal durch Populismus (Verkauf griechischer Inseln), dann wieder durch die Forderung des Ausscheidens einzelner Mitgliedsländer,  um so die Euro-Zone und den Euro zu stabilisieren. Ob und wie häufig wir von den Liberalen noch Euro-Äußerungen in Deutschland hören werden, hängt wohl davon ab, ob die FDP sich der Agonie entziehen kann. Im Europäischen Parlament ziehen die deutschen Liberalen indessen zusammen mit allen anderen Euro-Rettern an einem Strick.

Vorlage eines Plan B zur Abwicklung des Euro-Projekts ist „Bringschuld“ gegenüber den Wählern

Wer die Unglaubwürdigkeit der Euro-Rettungspolitik so nachhaltig und zum Teil auch berechtigt kritisiert hat, hat bei der Vorlage eines Plan B zur Abwicklung des Euro-Projekts eine „Bringschuld“ gegenüber seinen Wählern. Sie können zurecht von Lucke, Henkel und Co. einfordern, dass diese Herren nicht nur das Thema nutzen, um sich publik zu machen, sondern auch einen diskutablen Plan vorlegen, wie sich Deutschland aus den großen Verstrickungen des Euro-Projektes so befreien kann, dass es weder in Deutschland, noch in den Überschussländern und schon gar nicht in den südlichen Ländern zu Verwerfungen kommen wird. Für Lucke, Henkel und Co. scheint dies alles ganz einfach zu sein. Man müsse nur aufhören zu zahlen und alles andere würde sich von selbst ergeben. Indessen ist dies genauso wenig richtig, wie das Postulat „Griechenland ganz einfach pleite gehen lassen“. Zwar sind die Erste-Runden-Effekte einer solchen Staatspleite eines gewiss nicht bedeutenden Landes  der Europäischen Union absehbar. Unabsehbar sind aber die Zweite-Runden-Effekte, die Folgen, die ein solcher Staatskonkurs nicht nur für das Land selbst, sondern für alle mit diesem Land Geschäfte tätigen privaten und öffentlichen Partner mit sich gebracht hat.

Wer es also ernst meint mit der monetären Reform zwecks Verhinderung einer exzessiven Desintegration der Europäischen Union, der muss sich von vornherein auf ein evolutionär-reformerisches Konzept festlegen. Man kann den Euro nicht abschaffen oder einzelne Länder aus der Eurozone einfach von einem Tag auf den anderen entlassen. Unabhängig von den rechtlichen Rahmenbedingungen sind die Folgen immediat und mittelbar schwer abschätzbar. Daher braucht Europa nicht eine ad hoc-Spaltung in Norden und Süden, sondern eine evolutionäre monetäre Entflechtung. Die Eurozone sollte, wie schon ganz überwiegend der Fall, im Wesentlichen von den Südländern oder gegebenenfalls unter Führung Frankreichs gestaltet werden, während die Leistungsüberschussländer in Gestalt einer Parallelwährung – nennen wir sie die Guldenmark –  sich ein zweites monetäres Standbein zu legen und dafür auch eine eigene straff durchorganisierte Noten- und Zentralbank zu legen. Sie müssten den Euro nicht notwendigerweise abschaffen, sondern würden ihn als ein zweites, gleichwertiges Zahlungsmittel, das indessen im freien Wechselkursverhältnis zur Guldenmark steht, behalten. Dies wäre gewiss der Anfang vom Ende der Eurozone in der gegenwärtigen Konstellation, aber auch der richtige Startschuss für eine monetäre Segregation, die sowohl der unterschiedlichen Wettbewerbsfähigkeit in Nord- und Südeuropa entspricht und den Interessen des Südens an einer preiswerteren Währung und des Nordens  an einem monetären Refugium, das die Nullzinspolitik  nicht länger fortsetzt, Rechnung trägt. Über die Modalitäten eines solchen Plans[1]kann man streiten, nicht allerdings über das ob. Die gegenwärtige Situation in der Eurozone ist vergleichbar mit der brisanten Lage eines Hauses, das von den Miteigentümern nicht mehr konsensuell bestellt werden kann. Ein Teil der Mieter bzw. Eigentümer nutzt die Einrichtungen der häuslichen Gemeinschaft, beteiligt sich indessen nicht an den Kosten. Währenddessen müssen die Mehrheitseigentümer des Hauses hinnehmen, dass sie alle Lasten tragen, indessen keinen Einfluss auf die Verwaltung des Gebäudes haben. Da kommt einer der Miteigentümer auf die rettende Idee: Er zeigt auf ein Grundstück nebenan und führt aus: „Wir wollen unser Haus nicht aufgeben, aber auf dem Nebengrundstück ein Nachbarhaus errichten. Dieses können wir beziehen, wenn es uns in dem gemeinsamen Haus zu brenzlich wird.“

Mit diesem Bild ist die Interessenlage in der Eurozone treffend beschrieben. Es kommt nur darauf an, den Riss in der Währungsunion aus Gründen praktischer Vernunft evolutionär und ohne politische Kollateralschäden auf die Realität zu übertragen.



[1] Vgl. hierzu, Markus C. Kerber: Mehr Wettbewerb wagen. Ein Konzept zur Reform der europäischen Währungsordnung. Nr. 3 der Schriften zur europäischen Wirtschaftspolitik und zum europäischen Wirtschaftsrecht. Lucius&Lucius, Stuttgart 2012. 

 

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