Der kürzlich aufgeflogene Luxemburger Steuerskandal ist für Eingeweihte nicht viel mehr als ein alter Hut: Dass das Großherzogtum weltweit operierenden Konzernen Milliarden Steuern sparen hilft, wissen clevere Topmanager aus aller Herren Länder längst. US-Multis wie Pepsi, Amazon, Caterpillar oder Procter & Gamble, aber auch europäische Riesen wie die Deutsche Bank, E.on, Fresenius oder Ikea liefern dort dank raffinierter Firmenkonstruktionen dem Fiskus lediglich ein Butterbrot ab.
[[image1]]Teilweise macht die effektive Steuerrate weniger als ein Prozent aus, was übrigens vollkommen legal ist. Drahtzieher solcher Deals war der langjährige Ministerpräsident und Finanzminister des Zwergstaates, Jean-Claude Juncker. Als neuer EU-Präsident steht der Luxemburger derzeit ziemlich angepatzt da, aber er wird es sich schon richten: Es entbehrt nicht einer beträchtlichen Ironie, dass justament er derartigen Steuersparmodellen nunmehr den Kampf ansagt und künftig für Sauberkeit sorgen möchte.
Luxemburg ist indes bei weitem kein Einzelfall: Die britischen Kanalinseln Guernsey und Jersey, die steuerlichen Mittelmeer-Oasen Zypern und Malta, die Schweiz und Liechtenstein, die Niederlande und Irland, sowie Andorra und Gibraltar kümmern sich – um nur ein paar Beispiele anzuführen – ebenfalls auf beinahe rührende Weise um Großfirmen, die ihre anderswo erzielten Gewinne möglichst steuer-schonend behandelt wissen wollen. Während clevere Multis liebend gerne sowohl die niedrigen Sätze bei Gewinn- bzw. Körperschaftssteuern als auch sonstige Steuerzuckerl in den bekannten Steuer-Paradiesen genießen dürfen, müssen brave Lohnsteuerpflichtige etwa, aber auch fleißige Gewerbe-treibende oder tapfere Freiberufler in Fiskus-Höllen wie Österreich Länge mal Breite blechen, so viel, bis ihnen bisweilen schwarz vor Augen wird. Dass es sich die einen richten können und die anderen sich immer als die Dummen vorkommen müssen, hat nicht zuletzt mit dem gnadenlosen Wettbewerb zwischen den Steueroasen zu tun: Diese sorgen nämlich dafür, dass vielen Staaten riesige Summen an Einnahmen entgehen. Die Politiker pflegen die derart entstandenen Löcher in den Haushalten mit eiskalter Scheinheiligkeit zu ignorieren, denn schließlich können sie ja die große Masse an Steuerzahlern zur Kasse bitten.
In Österreich betrug das Aufkommen an Einkommens- und vermögens-bezogenen Steuern im Jahr 2013 insgesamt 38,7 Milliarden Euro, was einem Plus von stolzen 8,6 Prozent gegenüber 2012 entsprach. Die Lohnsteuer rangierte mit 24,6 Milliarden klar auf Platz Eins, an Körperschaftssteuer wurden hingegen bloß sechs Milliarden abgeliefert, und mit Ausnahme der Umsatzsteuer spielen alle anderen Einnahme-quellen des Staates deutlich weniger herein. Interessant dabei ist folgendes: Seit dem Jahr 2000 ist bei der Lohnsteuer eine Steigerung um 67 Prozent zu verzeichnen, während die Gewinnsteuern, also Einkommens- und Körperschaftssteuer, lediglich um 43 Prozent zunahmen. Und das trotz der Tatsache, dass die Gewinne der Unternehmen im genannten Zeitraum deutlich stärker gestiegen sind als die Löhne und Gehälter – Stichwort: kalte Progression. Diese Entwicklung frustriert naturgemäß immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich über den Tisch gezogen fühlen, am stärksten offenbar den ÖGB-Präsidenten. Erich Foglar, der lange Zeit unscheinbare, ziemlich unauffällige und relativ unpopuläre Ober-Gewerkschafter, fletscht darob speziell im heurigen Jahr die Zähne wie ein wütendes Raubtier. Seine massive Forderung nach einer rot-weiß-roten Steuerreform, auf die sich Rot und Schwarz bislang nicht einigen konnten, kann von der Regierung einfach nicht mehr ignoriert werden – dank der Luxemburg-Affäre ist dabei gewiss Öl ins Feuer geraten.
Gute und ungute Gefühle
Die Koalition hat jedenfalls keine andere Chance, als sich rasch eine tiefgreifende Kompromisslösung einfallen zu lassen – das ist für sie zur Überlebensfrage geworden. Doch anstatt mit Wunschzielen – fünf Milliarden oder ein bissl mehr – die Öffentlichkeit einzulullen, wäre es weitaus professioneller gewesen, zunächst ein ebenso durchdachtes wie möglichst gerechtes Konzept vorzulegen, wer denn aller in welchem Ausmaß entlastet werden soll, und sodann einmal über die Finanzierbarkeit des Reformpakets nachzudenken. Denn dass die zu guter Letzt von der SPÖ volley übernommenen ÖGB-Vorschläge bereits der Weisheit letzter Schluss sind, darf für unwahrscheinlich gehalten werden. Jedenfalls stehen den beiden Regierungsparteien brutale Verhandlungsmonate bevor, bei denen nicht nur um Knackpunkte wie eine Vermögens- oder eine Negativsteuer gerungen werden wird, sondern auch um tausend andere Detailfragen. Die Bürgerinnen und Bürger müssten dabei zur Überzeugung gelangen, dass ihnen künftig, wie es Wifo-Chef Karl Aiginger formuliert, „real mehr übrig bleibt“. Wo der Bund einsparen könnte, steht freilich auf einem anderen Blatt.
Die Crux bislang besteht darin, dass die Steuerzahler zumeist keinen Tau haben, was mit ihrem Obolus geschieht und dass sie manche staatlichen Ausgaben recht skeptisch beurteilen. Laut einer vom „Standard“ in Auftrag gegebenen Umfrage des Linzer Market-Instituts haben sie – um mit dem Positiven zu beginnen – ein „gutes Gefühl“, wenn der Staat etwa bei Katastrophen hilft, jungen Menschen die Schulausbildung ermöglicht, für die Einhaltung der Gesetze sorgt, in moderne medizinische Ausrüstung investiert oder junge Eltern fördert. Ihre soziale Ader wird auch spürbar, wenn sie mehrheitlich dafür sind, dass Gratis-Kindergärten finanziert, Obdachlosen Unterkünfte geboten oder Zuschüsse zur Pensions-versicherung geleistet werden. Sie verstehen weiters auch, dass Straßen und Tunnel gebaut und potenzielle Extremisten überwacht werden müssen. Schon wesentlich weniger Verständnis zeigen sie, dass Karrierechancen von Frauen gefördert, Tempolimits und Parkverbote überwacht, Minderheiten geschützt oder die Österreichischen Bundesbahnen ausgebaut werden – was naturgemäß alles Steuergelder verschlingt.
Dass die Republik auch einen Beitrag zur Rettung der gemeinsamen Währung, des Euro, zu leisten hat, billigen zwar 43 Prozent der Befragten, 44 Prozent sind jedoch dagegen. Überwiegend negativ wird auch die behördliche Durchsetzung des Rauchverbots, die Aufnahme von Flüchtlingen, die Unterstützung von Sportveranstaltungen, sowie die Sicherung des Luftraums beurteilt. Ein eher „ungutes Gefühl“ hat die Mehrheit der Bevölkerung schließlich dann, wenn es zum Beispiel um die Soldaten-Ausbildung, militärische Einsätze auf UN-Geheiß, die Sammlung von Geheimdienstinformationen oder aber die staatliche Unterstützung von Banken geht. Letzteres wird von 78 Prozent der Befragten schlichtweg abgelehnt. Den ÖsterreicherInnen missfällt es also großteils, dass Steuergelder etwa für die in die Bredouille gerasselte Hypo gesteckt werden.
Erstaunlich ist hingegen, dass immerhin 59 von 100 Befragten Verständnis für die staatliche Förderung von Unternehmen signalisieren und lediglich 29 Prozent dabei kein gutes Gefühl haben. Ist ja auch völlig okay, dass die Republik für die Betriebe etwas tut und den größten etwa mit der Gruppenbesteuerung durchaus eine Freude bereitet, indem diese Gewinne im Inland mit Verlusten im Ausland gegenrechnen dürfen. Doch das, was in den Steuerrefugien à la Luxemburg passiert, geht eindeutig zu weit. Daher ist es an der Zeit, dass die mysteriösen Steuertricksereien großer Konzerne so rasch wie möglich unterbunden bzw. abgestellt werden. Dieses die Interessen mächtiger Lobbys bedrohende Unterfangen wird zum Lackmustest für die EU-Kommission, speziell für Herrn Juncker. Aber zum Glück kann der Luxemburger beim Kampf gegen die Steuervermeider mit Schützenhilfe rechnen: Auch die OECD bekämpft raffinierte Steuerdeals mit immer stärker werdendem Nachdruck, und auch die G 20-Staaten haben endlich erkannt, dass derartige Lücken im System, die den Steueroptimierern Tür und Tor geöffnet haben, auf internationaler Ebene gestopft werden müssen.