Freitag, 29. März 2024
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Mit Optimismus aus dem Tunnel

Die beiden EU-Vizepräsidenten Viviane Reding und Olli Rehn versprühten –  pünktlich zu Jahresbeginn – geradezu  eine Überdosis an Optimismus: In einem gemeinsam verfassten Gastkommentar, der vorige Woche im deutschen „Handelsblatt“ und der Wiener „Presse“ erschienen ist, kamen sie zu dem Schluss, dass es mit der Union eindeutig wieder aufwärts gehe. „Das Licht am Ende des Tunnels ist zwar noch schwach“, räumten sie zwar ein, „aber es ist deutlich erkennbar“.

[[image1]]Die Justizkommissarin aus Luxemburg und ihr für Wirtschaft und Währung zuständiger finnischer Kollege lieferten sodann etliche brauchbare Argumente, weshalb die jahrelange Weltuntergangsstimmung in Brüssel und Umgebung endlich einer freundlicheren Stimmung Platz machen sollte.

Zum einen habe die mancherorts bereits totgesagte Eurozone nicht bloß überlebt, sondern sich eindrucksvoll erfangen – immerhin hat am 1. Jänner mit Lettland das achtzehnte Land  die gemeinsame  Währung  eingeführt. Jetzt ist also keine Rede mehr davon, dass die Eurozone auseinander brechen könnte. Zum andern habe gerade die baltische Republik mustergültig vorgeführt, wie ein einst krisengeschüttelter EU-Staat mit wirksamer EU-Unterstützung eine massive Rezession bewältigen konnte. Zum Dritten lassen auch die typischen Problemländer beinahe zeitgleich die Hoffnung wachsen, dass das Ärgste überstanden ist: Irland beispielsweise hat Mitte Dezember nach drei Jahren den Euro-Rettungsschirm verlassen. Spanien wiederum wird ab 23. Januar keine finanzielle Unterstützung mehr benötigen, muss jedoch beherzt gegen eine Arbeitslosenquote von immer noch 26 Prozent ankämpfen. Portugal schließlich, das 2011 mit einem 78 Milliarden Euro schweren Hilfspaket von EU und Internationalem Währungsfonds vor dem Aus gerettet worden ist, möchte im Juni wieder auf eigenen Beinen stehen.

Solidarität ist gefragt

Auch sonst überschlagen sich die positiven Nachrichten aus dem EU-Raum geradezu: Bereits seit Monaten macht sich bekanntlich eine wirtschaftliche Erholung in ganz Europa bemerkbar, die sich im heurigen Jahr festigen sollte. Lettland etwa, dessen Wirtschaft derzeit rascher wächst als die aller anderen Mitgliedsstaaten, oder Irland, das den Kollaps in der Bankenbranche und am Immobilienmarkt weitgehend verkraftet hat, gingen dank konsequenter Reform- und Sparprozesse letztlich gestärkt aus der großen Krise hervor. Auch was die Arbeitslosigkeit anlangt, zeichnet sich eine generelle Trendwende ab: Im dritten Quartal 2013 etwa verzeichneten justament Irland und Portugal das europaweit höchste Beschäftigungswachstum. Die Lage auf den Arbeitsmärkten ist freilich immer noch besorgniserregend, beispielsweise in Griechenland, wo jeder vierte Bürger keinen Job hat. „In weiten Teilen Europas“, gaben Reding und Rehn zu, „ist die Arbeitslosigkeit immer noch unannehmbar hoch“.

Die beiden EU-Politiker lassen jedenfalls keinen Zweifel offen, dass für die Union gerade im Wahljahr 2014 noch viel zu erledigen bleibt. Dabei wird es eines „festen politischen Willens der unterstützenden Mitgliedstaaten“ bedürfen, „ihre kumulierten Ungleichgewichte mittels Reformen zu beseitigen und ihre Finanzen auf eine tragfähige Grundlage zu stellen“. Nur wenn ausreichend Solidarität gegeben sei, könnten – Punkt eins – die Strukturreformen fortgesetzt werden, die für mehr freien Handel, mehr Produktivität, mehr Innovation und damit für mehr wirtschaftlichen und sozialen Wohlstand erforderlich wären. Europa brauche laut Reding und Rehn – Punkt zwei – ein funktionierendes Bankensystem, also solide Geldinstitute, die im Dienste der europäischen Wirtschaft Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen unterstützen. Schlussendlich müsse es in der EU – Punkt drei – optimale Rahmenregeln für eine koordinierte europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik geben.

Im Neuen Jahr, das für die EU strategisch, inhaltlich, aber auch personell zu  einer Zäsur werden könnte, seien, schrieben die beiden EU-Granden in ihrem Gastkommentar, schwierige Entscheidungen fällig, die einen langen Atem erfordern. Die Chancen, dass der Reformkurs, der den Bürgerinnen und Bürgern zahllose Entbehrungen abverlangt und daher schmerzlich getroffen hat, die schwierigen Zeiten allmählich beendet, sind durchaus gegeben. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass den Politikern mehr gelingt als bisher und die Wählerinnen und Wähler dem Projekt Europa mehr Beachtung schenken als üblich. Gerade im Gedenkjahr 2014 – hundert Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs und 75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs – sollte sich endlich die Einsicht durchsetzen, dass die Europäische Union weitaus mehr ist bzw. sein muss als ein mit dem Nobelpreis ausgezeichnetes Friedensprojekt.
 

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