Samstag, 20. April 2024
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Wie plakativ werben Kern, Kurz & Co.?

Peter Pilz hat völlig recht: Plakate in einem Wahlkampf einzusetzen ist heutzutage ein marketing-politischer Anachronismus. Wie unsinnig bzw. überflüssig und was für eine Verschwendung von Steuergeldern es ist, Österreich mit unzähligen Plakatwänden zu verschandeln, das beweisen zur zeit zumindest fünf wahlwerbende Parteien. Wie vor fünfzig Jahren, als es etwa noch keine Social Media und keine inflationär gewordenen TV-Duelle der Spitzenkandidaten gegeben hat, wollen sie Stammwähler begeistern, Wechselwähler  anwerben und Unentschlossene  überzeugen – und zwar großteils mit banalen, nichts sagenden und beinahe austauschbaren Botschaften, für die sich jede Werbeagentur im Grunde schämen müsste.

Bild © APA/Hans Klaus TechtBild © secure.sebastian-kurz.at/plakateDer erklärte Favorit, der für 15. Oktober laut Meinungspropheten  die besten Karten hat, verkauft sich und seine Liste mit hübschen Porträtfotos, die von Sätzen wie  Die neue Volkspartei: ZEIT FÜR NEUES,  Tun was richtig ist. Für Österreich oder Österreich zurück an die Spitze: Für uns alle. Sebastian Kurz, dem allseits ein professioneller, fast pannenfreier Wahlkampf bescheinigt wird,  kommt – wenngleich seine Plakatkampagne mit Genialität beileibe nichts zu tun hat – schon dank seiner Lieblingsfarbe Türkis zweifellos besser an als der rote Widersacher: SPÖ-Kanzler Christian Kern ist mit dem Motto Österreich ist erfolgreich: HOLEN SIE SICH, WAS IHNEN ZUSTEHT gestartet – und mehr hat er nicht gebraucht: Wem auch immer diese Aussage eingefallen sein mag – den Roten hat sie viel Häme, Spott, Kritik und was weiß der Teufel noch eingebracht. Das ging so weit, dass der Slogan alsbald in der Versenkung verschwinden musste. Also versucht es die SPÖ auf die total biedere, unverbindliche, aber schon oft erprobte Tour: Für wirtschaftlichen Erfolg und soziale Sicherheit heißt es jetzt und darunter steht ganz klein SPÖ: Veränderung mit Verantwortung. 

 

 

 

 

Keine werblichen Glanztaten

Bild © fpoe.at/kampagne/Besonders kreativ war die Kreativagentur GGK MullenLowe, die bekanntlich auch die ominösen Dirty Campaigning-Videos über SPÖ-Feind Basti produziert hat, jedenfalls nicht. Und sie kann auf den SPÖ-Auftrag mit Sicherheit nicht einmal ein bisschen stolz sein, weil sich eine Agentur prinzipiell nicht parteipolitisch abstempeln lassen sollte. Die FPÖ indes bringt erfreulicher Weise gar keine Werbefirma in eine derartige Verlegenheit, denn bei den Blauen erledigt der vife Generalsekretär Herbert Kickl die Chose traditionellerweise so gut wie im Alleingang. Heuer ist ihm u.a. eingefallen, dass die FPÖ als Die soziale Heimatpartei den Titel ihres Wahlprogramms gnadenlos ausschlachten könne: also steht Österreicher verdienen FAIRNESS auf ihren Plakaten – mit zusätzlichen Erläuterungen wie Der rot-schwarze Speck muss weg (was optisch mit zwei merkwürdigen Radfahrern kombiniert wurde). Kickl wäre nicht Kickl, hätte er die direkten Rivalen von HC Strache verschont: Er zeigt sie beide in schwarz/weiß auf einem FPÖ-Plakat mit dem Text Die rot-schwarze Koalition löst die großen Probleme – und daneben lässt er seinen vielfärbig strahlenden Parteichef sagen: Die rot-schwarze Koalition IST das größte Problem. Weitere  Kernaussagen aus Kickls aktuellem Slogan-Fundus lauten Wir geben EUCH zurück, was SIE EUCH nehmen oder Die Islamisierung gehört gestoppt.

Bild © ichtuwas.neos.euIm Prinzip wäre es auch wünschenswert, die Plakatierung massiv einzudämmen oder – noch besser – gleich zu stoppen. Denn auch die durchaus bemühten Wahlsujets der NEOS kommen kaum für einen der unzähligen Branchen-Awards in Frage. Die Agentur Dirnberger de Felice Grüber hat zweifellos ihr Bestes getan, in (leider halt schwer  lesbarer) Spiegelschrift zentrale Aussagen wie  Neue Politik,  Flügel heben oder Weiter bilden als „Augenbalken“ zu affichieren.  Wirkt zwar wie alles Pseudo-Intellektuelle elitär und cool, zugleich aber abgehoben und unprofessionell. Die übrigen Details, die auf den Plakaten so nebenbei zu sehen sind – Weil die Perspektive der Menschen zählt oder Die Bewegung für ein chancenreiches Österreich – sind leider überaus sperrig geraten. „Andere Parteien plakatieren Versprechungen und Parolen“, konstatiert NEOS-Spitzenkandidat Matthias Strolz dennoch zufrieden, „wir aber geben den Bürgerinnen und Bürgern und ihren Anliegen, Wünschen, Zielen und Träumen eine Bühne“. Okay, wenn er das so sieht…

Die Grünen überraschen

Bild © gruene.at/2017-nrwBleiben noch die im Stadium des Zerbröselns befindlichen Grünen, die freilich in plakativer Hinsicht für viele Insider die positive Überraschung des laufenden Intensiv-Wahlkampfs sind. Ihre beiden kreativen Helfer – Jung von Matt sowie Czerny/Plakolm – haben es in bislang zwei Durchgängen geschafft, mit ziemlich spritzigen bis originellen Slogans zu punkten: Es begann mit Sei ein Mann: Wähl eine Frau. Das ist Grün, ging weiter mit Europa beginnt in Österreich, und schließlich folgten Slogans, die mehr zu bieten haben als Türkis, Rot und Blau zusammen. Ein paar Kostproben:

— Wir drehen uns nicht mit dem Wind. Wir nutzen ihn

Ja zur Energiewende

— Bleib kritisch mit der EU. Aber bleib

Ja zu einem solidarischen Europa

— Kein Artenschutz für Miet-Haie

Ja zu fairen Mietpreise

— Jedes Kind ist Sehr gut.

Ja zur Grünen Schule

— Zusammenhalt währt am längsten

Ja zur gelebten Integration

Machen wir es, Kurz:

Ja zur Ehe für alle

Fazit? Gar nicht so schlecht für eine österreichische Partei. Übrigens ist die Annahme unrichtig, dass die plakatierten Slogans in Deutschland wesentlich besser wären als bei uns. Vielleicht bringen die dortigen Agenturen ein paar Botschaften besser auf den Punkt (siehe Kasten unten), aber großartig – nein, das sind auch die werblichen Auftritte von Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Martin Schulz beileibe nicht. Und was für ein Zufall: Am ehesten überzeugen im Nachbarland ebenfalls die Grünen mit ihren Plakaten. 

Machen es Merkel, Schulz & Co. besser?

Bild © bilder.cdu.deBild © bilder.cdu.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Agentur Jung von Matt betreut die CDU und setzt voll auf die lächelnde Angela Merkel und die deutsche Fahne. Die Message am ersten Plakat, das bereits im Juni zu sehen war, lautete: Für ein Deutschland, in dem wir  gut und gerne leben. Ein zweiter Slogan war Gemeinsam erfolgreich in Europa. Seit Anfang August versuchen es die Christdemokraten mit Botschaften wie Europa stärker  heißt  Deutschland stärken,  Für Sicherheit und Ordnung, Für mehr Respekt für Familien oder Für eine starke Wirtschaft  und sichere Arbeit. So mancher Werbeprofi hält diese Ergüsse für No-na-Aussagen, gegen die niemand etwas haben kann, die aber bei niemandem hängen bleiben werden. Fazit: Nicht sehr überzeugend, aber für Merkels Wahlsieg wird es allemal reichen.

 

Bild © spd.de/aktuelles/kampagne-zur-bundestagswahl/Bild © spd.de/aktuelles/kampagne-zur-bundestagswahl/

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bei der SPD – diesmal betreut von der Hamburger Agentur KNSK – möchte Martin Schulz mit relativ viel Text in knallroten Quadraten pushen. Der rote Spitzenkandidat ist etwa neben dem Slogan  Die Zukunft braucht neue Ideen.  Und einen, der sie durchsetzt zu bewundern, auf anderen Plakaten sind Sujetfotos zu sehen – beispielsweise zwei schreiende Kids neben dem Text Unsere Familienpolitik ist genauso: laut und fordernd,  oder eine junge Frau in einer Werkshalle neben dem Sager Wer 100 % leistet, darf nicht  21 % weniger verdienen, oder ein Mutter/Tochter-Foto mit der Aussage Damit die Rente nicht klein ist,  wenn die Kinder groß sind. Weitere Slogans, mit dem die Sozialdemokraten aufholen möchten:  Warum Europa? Weil wir gemeinsam stärker sind als allein,  Kinder fordern Eltern. Wir fördern Eltern sowie Eine Gesellschaft ist nur dann gerecht,  wenn alle die gleichen Chancen haben. Resümee: Das kommt alles relativ statisch rüber, ist weder witzig noch frech, aber auch nicht prägnant und provokant. Herausforderer Schulz hätte bessere Plakate gebraucht.

 

Bild © gruene.de/ueber-uns/2017/unsere-kampagne-zur-bundestagswahl-darum-gruen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die deutschen Grünen schließlich wollen sich mit flotten Sprüchen in Szene setzen, was ihnen auch recht gut zu gelingen scheint  – einige Beispiele:

  • – Umwelt ist nicht alles. Aber ohne  Umwelt ist alles nichts,              
  • – Gesundes Essen kommt nicht aus einer kranken Natur, 
  • – Nur wer Chancen bekommt,  kann Chancen nutzen,
  • – Zukunft kann man wollen. Oder machen,

sowie 

  • – Von weniger Europa hat keiner mehr.

In jedem Fall folgt unten im Kleingedruckten die Conclusio: Darum Grün. Die Partei fällt im direkten Vergleich mit Schwarz und Rot durchaus nicht ab – im Gegenteil – , und  sie tritt diesmal überzeugenden auf als die übrigen Konkurrenten wie FDP, AfD (Alternative für Deutschland) und Die Linke, die zumindest auf den Plakatwänden total untergehen. 

 

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