Samstag, 20. April 2024
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Wenn unzählige Milliarden zu Waffen werden

Der absolute Horror: Auf fast 1,8 Billionen US-Dollar beliefen sich die weltweiten Militärausgaben im vergangenen Jahr. Dass sie laut soeben veröffentlichter Statistik des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) bereits das dritte Jahr leicht gesunken sind, zuletzt um  0,4 Prozent, ist nur ein schwacher Trost. Denn im bisherigen Spitzenjahr 2011 wurden bloß 1,7 Prozent mehr für Rüstung aufgewendet als zuletzt.

Auch wenn die USA, mit einem Heeresbudget von 610 Milliarden Dollar die  klare Nummer Eins, die militärischen Ausgaben auf Grund  ihres gewaltigen  Staatsdefizits um 6,5 Prozent kürzen mussten, geben drei  andere Länder immer mehr für das beliebte Säbelrasseln aus: Im vergangenen Jahr hat die Volksrepublik ihren Heeresetat um 9,7 Prozent erhöht – seit 2005 sogar um 167 Prozent; Russland steigerte sein Militärbudget um 8,1  Prozent, und Saudi Arabien legte sogar um 17 zu – im letzten Jahrzehnt waren es 112. Auch Indien, Südkorea und Brasilien, die gar nicht in aktuelle Kriegsereignisse involviert sind, investieren tendenziell immer mehr in Waffen, Soldaten und Ausrüstung.

Der Wahnsinn hat zweifellos Methode: Während weltweit 2,3 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts für militärische Zwecke, sei es Krieg-Führen oder nur Verteidigung, ausgegeben werden, liegen rund 20 Staaten, darunter der Oman, Libyen, der Irak, Jemen und Syrien, bei signifikant über vier Prozent. In diesen Ländern, die in Afrika, Osteuropa und im Mittleren Osten zu finden sind, werden immer mehr Millionen bzw. Milliarden für militärische Zwecke bereitgestellt anstatt die bittere Armut der Bevölkerung zu lindern. Die meisten dieser Staaten sind in der Tat in bewaffnete Auseinandersetzungen verstrickt, doch nur drei von ihnen, nämlich Israel, der Libanon und Namibia, können als funktionierende Demokratien betrachtet werden.

In Afrika waren 2014 die größten Zuwächse aller Regionen zu verzeichnen: zuletzt rund sechs Prozent auf 50 Milliarden Dollar, im vergangenen Jahrzehnt waren es insgesamt 91 Prozent. An der Spitze lagen wie gewohnt Algerien und Angola, die höchsten Zuwachsraten erzielten die Republik Kongo (+ 88 %) und Namibia (+ 47 %). Die Militärausgaben schrumpften hingegen in Malawi, Ghana und Burundi, ursprünglich auch in Nigeria, wo der Kongress allerdings im Oktober 2014 eine zusätzliche Milliarde Dollar für den Kampf gegen Boko Haram bewilligen musste.

Die Angst vor Russland

All diese Zahlen und Fakten sind allerdings – machen wir uns nichts vor – lediglich eine unscharfe Momentaufnahme, die letztlich nur ein recht unvollständiges Bild der Realität liefern kann. Das schwedische Institut muss nämlich mit etlichen Schätzungen operieren, die beispielsweise China und Russland betreffen. Man darf davon ausgehen, dass auch dort, wo offizielle Zahlen bekanntgegeben werden, nicht immer auf optimale Transparenz Verlass ist.  Am ehesten sind Rückgänge bei Militärausgaben nachzuvollziehen, die aus budgetären Notwendigkeiten erfolgen – so etwa jene im wirtschaftlich kriselnden Südamerika, wo zum Beispiel Venezuela (minus 34 %) und Uruguay (minus 11 %) die Heereskosten runterfuhren. 

In Europa, das hinter den USA und Asien mit 386 Milliarden Dollar auf Rang drei liegt, waren Kürzungstendenzen bei Militärbudgets nur teilweise angesagt: Im Vorjahr gingen diesbezüglich Albanien (minus 26 %), Portugal (minus 12 %) und Griechenland (minus 11 %) mit gutem Beispiel voran. Während die west- und zentraleuropäischen Länder summa summarum 1,9 Prozent einsparten, setzte es in den osteuropäischen Staaten eine deutliche Zunahme, nämlich um 8,4 Prozent. Der Ukraine-Konflikt – das umkämpfte Land soll das einschlägige Budget 2014 schätzungsweise um mehr als ein Fünftel aufgestockt haben – sorgte letztlich dafür, dass in Europa alles in allem um 0,6 Prozent mehr für Verteidigung ausgegeben wurde als im Jahr 2013. Insbesonders Polen und die drei baltischen Republiken haben ihre Militäretats merklich aufgestockt.

Gottlob auf der Bremse stehen die vier EU-Länder mit den höchsten Heeresbudgets: Sie haben gemeinsam, auch wenn sie keine Kriege führen, immerhin 200 Milliarden Dollar für militärische Zwecke aufzubieten – mehr als doppelt so viel wie Russland – , doch im vergangenen Jahrzehnt allesamt spürbar gekürzt, Italien gleich um 27 Prozent. Mit Ausnahme von Deutschland scheinen sie für weitere Streichungen bereit zu sein. Eine derartige Austerity-Politik, für die etwa Frankreich und Großbritannien stehen, wenn auch bloß notgedrungen, ist selbstverständlich zu begrüßen, obzwar die NATO angesichts der politischen Spannungen zwischen dem Westen und Russland genau das Gegenteil fordert, nämlich mehr Mittel für militärische Aktionen.
Die Lage in Europa bleibt weiter höchst angespannt, so oder so: Einerseits will die Ukraine ihre Streitkräfte heuer kräftig modernisieren, was einen 50-prozentigen Anstieg des Militärbudgets erfordern dürfte; anderseits kann es sich das wirtschaftlich angeschlagene Russland wohl kaum leisten, 2015 wie geplant deutliche Einsparungen bei den Militärausgaben vorzunehmen – der Kreml soll diese, wie zu hören ist, vielmehr um gut 15 Prozent ausweiten. „Die Ukraine-Krise“, befindet das Stockholmer Friedensforschungsinstitut, „hat die Sicherheitssituation in Europa fundamental verändert“. Dennoch seien Aufrüstungstendenzen bislang nur in jenen Staaten spürbar, die an Russland grenzen. An anderen aktuellen Krisenherden sieht es vergleichsweise weitaus dramatischer aus.

Die Hoffnung, dass das weltweite Wettrüsten irgendwann wegen  fehlender Geldmittel eingebremst wird, stirbt zwar zuletzt – realistisch ist sie jedoch nicht: Das „Geschäft mit dem Tod“ (Copyright „Die Presse“) lebt schon einmal auf Grund weit verbreiteter Korruption bei der Waffen-beschaffung bestens; es dient obendrein den eigennützigen Interessen nationaler und internationaler Organisationen; und letztlich ist es zur Selbstverständlichkeit vor allem für autokratische Regimes geworden, die sich auf diese Weise den Machterhalt sichern wollen. Es wär‘ halt schön, wenn es mehrere großräumige Friedensprojekte à la Europäische Union gäbe…
 

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