Freitag, 29. März 2024
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Retten wir den Tourismus – der 4-Punkte-Plan!

Der Wörthersee in Kärnten / Bild © Creative Commons hpgruesen/Pixabay (Ausschnitt)

„Einen Kellner mit 50 Jahren – so was gibt es nicht!“, wissen Insider. Nur wenige Branchen sind so hart und unattraktiv wie Gastronomie oder Hotellerie. Mitarbeiter flüchten, Wirte verzweifeln und Gäste schimpfen. Was sich dringend ändern muss.

Es alleine an der EU-Ostöffnung festzumachen, wäre nicht gerecht. Schon vorher gab es Betriebe, die das Personal zum Mindestlohn anstellten und Überstunden schwarz oder gar nicht auszahlten. Solche, die das Personal während der sechs Wochen Betriebsschließung im Herbst stempeln schickten, um es nachher in 14 Stunden-Schichten zu verheizen.

Grundproblem Dienstleistung

Die strukturellen Probleme der Branche lassen sich auf drei Punkte bringen: In Dienstleistungsbetrieben schaffen „Handwerker“ kaum mehr als 80.000 Euro Umsatz im Jahr – in der durchmechanisierten Industrie sind es 500.000 Euro aufwärts. Da bleibt schlicht mehr zum Verteilen.

Dann leidet der Tourismus unter enormen Auslastungs-Schwankungen: Zu Mittag ist man voll, am Nachmittag ist nichts los, am Abend dann die Hölle. Dasselbe Dilemma zeigt sich zwischen Montag und Samstag, zwischen Juli und November. Zwischen Stadt und Land.

Und letztlich lockt die Tatsache, dass einfache Dienstleistungen wie  Rezeptionisten oder Kellner leicht durch ungelernte Arbeitsbienen (aus dem Ausland) zu ersetzen sind.

Kochen für 1300 Euro

Die Ostöffnung hat die strukturellen Probleme im Tourismus nur verschärft. Waren Köche früher weit über dem Kollektivvertrag entlohnt, müssen sich viele heute mit 1.700 Euro brutto zufriedengeben (in Ungarn bekommen Köche 400 Euro). Nur noch Küchenchefs sehen gutes Geld.

Auch Kellnerinnen kennen fast nur Mindestlohn, und das nicht selten bei 44 Stunden in der Woche. Oft ist die Krux „das Kreuz“ – denn es handelt sich um stehende bzw. gehende Tätigkeiten, das halten viele physisch gar nicht aus. Junge leben zehn Jahre gut vom Trinkgeld, danach schauen sie sich in anderen Branchen um – oder scheiden mit 45 krankheitsbedingt aus.

  1. Löhne rauf!

Kein Koch (auch angelernt) soll für seine schwere Tätigkeit weniger als 2.000 Euro brutto bekommen. Erwirtschaftet dies das Geschäftskonzept eines Betriebes nicht – dann hat es am Markt keine Berechtigung. Ein Schnitzel für 8,90 muss nicht sein.

Auch der Gastro-Mindestlohn von 1.300 Euro ist schon lange nicht mehr zeitgemäß. Wer so wenig verdient, der muss vom Staat mit Zuschüssen und Beihilfen am Leben erhalten werden – das kann nicht Sinn der Sache sein. Die Branche soll sich selber finanzieren.

Natürlich können bei 1300-Euro-Löhnen mehr arbeitslose Zuwanderer in den Arbeitsmarkt integriert werden – aber wer denkt an jene Österreicher, deren Familien seit Generationen im Ort leben und andere Ansprüche haben? 1.500 Euro sollten es künftig selbst bei McDonalds sein.

  1. Teilzeit statt Frühpension

Wozu eine Kellnerin im Stadt-Cafe 48 Stunden in der Woche laufen lassen, wenn sie dann mit 35 Jahren ausgebrannt ist? Machen wir doch einen 30-Stunden-Job und einen Halbtagsjob mit 18 Stunden draus! Das hält man (glücklich) bis zur Pensionierung durch.

Und es gilt: Flexible Arbeitszeitmodelle ersetzen Überstundenorgien.

  1. Arbeitszeiten klug designen!

Kein Begriff verschreckt hoffnungsvolle Tourismus-Talente mehr als jener der „Zimmerstunde“. Damit sind Teildienste gemeint, bei der etwa Köche am Vormittag arbeiten, am Nachmittag  drei Stunden unbezahlt frei haben, um am Abend dann bis spät zu schuften. Am Ende ist der Tag vorbei und der Mensch hat nichts für sich getan.

Am Arlberg ist das nicht schlimm, denn junge Saisonarbeiter nutzen die Zwangspause für Wellness oder einen kurzen Schiausflug. Aber in der Stadt?

Limitierte man solche Arbeitspausen gesetzlich auf drei Stunden und auf drei Teildienste pro Woche, und müssten die Zwangspausen mit 50% des regulären Stundenlohns entlohnt werden, flugs würden kluge Teilzeitmodelle entstehen.

Warum teilen sich nicht zwei Köche eine Arbeitswoche? Dann trifft es den einen von Dienstag bis Donnerstag, den anderen von Freitag bis Sonntag. Oder man vergibt die Vormittage als Teilzeitjobs. Dann hat ein Familienleben genauso Platz wie Freunde und Verwandte.

  1. Schuften statt stempeln

Mit dem 12-Stundentag wird jetzt Gesetz, was in Saisonbetrieben immer schon die Praxis war. Denn am Arlberg müssen in fünfeinhalb Monaten (von 1. Dezember bis 15. Mai) die Gebäudekosten eines ganzen Jahres hereinverdient werden. Wer im Winter am Arlberg ist, der ist dort zum Verdienen da. Warum sollen Kellner mit fetten Überstundenkonten die sechs Wochen bis zum Sommer-Job ab 1. Juli am Wörthersee dann aber stempeln gehen? So plündert man Sozialkassen! Und außerdem führt dieser Weg aufgrund geringerer Versicherungszeiten schnurstracks in die Altersarmut!

Hier braucht es neue Arbeitszeitmodelle. Die angesammelte Überstunden sollen nicht mehr voll ausbezahlt werden, sondern (im Schlüssel 1 : 1,5) dazu verwenden werden, um Angestellte auch nach Betriebsschließung noch 6 Wochen angemeldet zu lassen.

„Neue Ehrlichkeit“

Wie vielerorts im Staat brauchen wir auch hier eine „neue Ehrlichkeit“: Wir werden unprofitable Betriebe, die auf der Ausbeutung von Mitarbeitern basieren, genauso wenig retten können wie Gesellschaftsmodelle, bei denen sich Mitarbeiter auf Kosten der Allgemeinheit finanziell sanieren.

Es braucht eine Politik, die sich mit den Gewerkschaften genauso anlegt wie mit der Wirtschaftskammer – und den Mitarbeitern. Nur wenn es uns gelingt, Verdienst und Arbeitsstil auf ein neues Niveau zu heben, wird die Branche eine Zukunft haben.

Und wieder die besten Leute anziehen.

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