Freitag, 15. November 2024
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Karas: „Eine bessere EU hilft auch Österreich“

Am 25. Mai entscheiden die Österreicher, wer sie die kommenden fünf Jahre in Brüssel vertreten wird. Die EU-Infothek stellt daher die wichtigsten Kandidaten für die EU-Wahl 2014 vor. Im Teil 1 der Interview-Serie steht ÖVP-Spitzenkandidat Othmar Karas Rede und Antwort.

[[image1]]Sie haben kürzlich davor gewarnt, dass die EU-Wahlen in Österreich eine Denkzettelwahl werden könnte. Wie wollen Sie dem entgegenwirken?

Es ist wichtig, mit den Menschen im Gespräch zu sein.  Die EU ist vielen zu fern, viele wissen zu wenig und haben deswegen auch kein gutes Bild. Das müssen wir ändern. Ich möchte zeigen, wofür ich in meiner täglichen Arbeit als Vizepräsident des Europaparlaments arbeite. Das ursprüngliche Ziel der EU bei ihrer Gründung war es, nach den zwei Weltkriegen  unumkehrbar Frieden zu schaffen – und das ist gelungen. Aber jetzt kämpfen wir mit neuen Herausforderungen, die wir nur gemeinsam bewältigen können – wir brauchen Antworten auf die Globalisierung, Arbeitslosigkeit, Klimaveränderung,  Armut und vieles mehr. Da gibt es  keine Alternative als die Kräfte der EU zu bündeln.

Die ÖVP verteidigt am 25. Mai den ersten Platz, was laut Meinungsforschern nicht einfach werden wird. Mit welchen Argumenten wollen Sie die Österreicher überzeugen?

Ich stehe für die richtige Richtung – ein besseres Europa – sowie für Kompetenz und Engagement. Österreich braucht in Europa kompetente, erfahrene, glaubwürdige Vertreter. Ich habe die größte Erfahrung und die meisten Kontakte – sowohl im Europaparlament als auch in den anderen EU-Institutionen. Ich stehe für mehr Bürgerbeteiligung und ein demokratischeres Europa. Ich konstruiere keine populistischen Gegensätze zwischen der EU und Österreich und weiß, dass eine bessere EU auch Österreich hilft. Ich freue mich über die Unterstützung aus allen politischen Lagern.

Die SPÖ schickt mit Eugen Freund ein prominentes Gesicht ins Rennen, bei der ÖVP kandidiert die frühere Wissenschafts- und Justizministerin Beatrix Karl. Wie wichtig sind bekannte Persönlichkeiten für den Wahlerfolg?

Natürlich ist es gut, wenn einen die Leute kennen. Das kann schon ein Startvorteil sein. Dennoch bin ich überzeugt davon, dass es bei dieser Wahl um Kompetenz und Leistung geht. Ich bin Vizepräsident des Europäischen Parlaments, arbeite seit Jahren tagtäglich für ein Österreich in einer starken EU. und kann zahlreiche Erfolge aufweisen.  Darauf kommt es an.

Transparenzmaßnahmen grenzüberschreitend abstimmen und verschärfen

Einem Bericht der EU-Kommission zufolge entsteht der Wirtschaft in Europa durch Korruption ein Schaden von 120 Mrd. Euro jährlich. Geht Brüssel energisch genug gegen dieses Problem vor?

Sind Sie Sich sicher, dass Korruptionsbekämpfung zentral von Brüssel aus gemacht werden sollte? Derzeit liegen die meisten Instrumente dazu in den Händen der Mitgliedstaaten.
Korruption ist ein Problem, das in allen EU-Ländern existiert. Es untergräbt das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat, schädigt die europäische Wirtschaft und vermindert dringend benötigte Steuereinnahmen. Ganz sicher muss mehr dagegen gemacht werden. Das geht über vier Schienen, über ein strengeres Strafrecht,  über eine bessere Strafverfolgung, Transparenzbestimmungen und Kontrolle. Die Strafverfolgung ist ganz klar Sache der Mitgliedstaaten. Ich bin dagegen, dass dies zentralisiert wird. Die Zusammenarbeit der nationalen Strafverfolgungsbehörden funktioniert gut. Beim Strafrecht könnte die EU mehr machen, wenn die Mitgliedstaaten das wollten. Bisher gibt es kein einheitliches EU-Korruptionsstrafrecht, sondern nur Vorschriften in Teilbereichen wie der öffentlichen Auftragsvergabe. Bieter, die wegen Korruption verurteilt wurden, bekommen keine öffentlichen Aufträge. Die Transparenz- und Kontrollmaßnahmen gehören grenzüberschreitend abgestimmt und verschärft, strenge Sanktionsmechanismen durchgesetzt.
Ihre Frage ist ein gutes Beispiel, in welchem Dilemma wir uns in vielen Bereichen befinden: Einerseits erwarten Sie von der EU, dass diese energisch vorgeht. Andererseits führt die Suche nach Einstimmigkeit unter den Mitgliedstaaten dazu, dass die EU oft nicht über Kleinster-gemeinsamer-Nenner-Politik hinauskommt.

Ökonomen meinen, dass für eine langfristige Gesundung der Währungsunion ein Eingriff in die nationalen Fiskalpolitiken notwendig wäre – Stichwort EU-Finanzminister. Können Sie sich dafür erwärmen?

Ja! Die Koordinierung der nationalen Fiskalpolitiken hat längst begonnen. Nur funktioniert sie bisher nicht gut. Wir brauchen nicht mehr Koordinierung in der EU, sondern eine gemeinsame Wirtschaftsregierung. Nicht nur wegen des Euros, sondern auch unabhängig davon, sind wir in Europa wirtschaftlich so miteinander verflochten und voneinander abhängig, dass die Probleme der einen immer auch zu den Problemen der anderen werden können. Deshalb ganz klar: Ja, Wirtschaft- und Währung können in Europa nur gemeinsam gesteuert werden. Das hat nichts mit dem Abgeben von gemeinsamen Zuständigkeiten nach Brüssel zu tun, sondern ist das gemeinsame Wahrnehmen von Zuständigkeiten.

Die deutsche Bundesbank hat kürzlich vorgeschlagen, dass bei Bankpleiten in Krisenländern eine Vermögenssteuer platzgreifen soll. Was halten Sie von diesem Vorschlag?

Was die deutsche Bundesbank vorgeschlagen hat, war differenzierter. Sie hat gesagt, dass – wenn ein EU-Land in Not ist – nicht nur die Steuerzahler anderer Länder helfen sollen, sondern auch die eigenen Steuerzahler. In den europäischen Krisenländern ist genau beides passiert: Es gab Hilfe von außen und auch die Bürger des Landes haben erheblich zu den Sparmaßnahmen beigetragen. Das war und ist richtig. Im Rahmen meiner Arbeit der parlamentarischen Untersuchung der Troika in Griechenland, Zypern, Portugal und Irland, bin ich in all diesen Ländern unterwegs und kenne die Krisenmechanismen sehr genau. Es ist im Interesse aller, dass es ein Gleichgewicht gibt zwischen innerstaatlichen Anstrengungen und europäischer Solidarität.

Soll die EU-Kommission verkleinert werden?

Dies haben wir bereits im Verfassungskonvent diskutiert. Die Verkleinerung wurde von den Mitgliedstaaten abgelehnt. Mir geht es um Effizienz. Die Zersplitterung der Zuständigkeiten bei einer wachsenden Zahl von Kommissaren führt auch zu einer Zersplitterung der Verantwortung. Das ist nicht hilfreich. Ich bin für effizient arbeitende Institutionen, die Verantwortung übernehmen und entschlossen handeln. Dies muss aber nicht zwangsläufig eine Verkleinerung der Kommission bedeuten. Ich könnte mir auch vorstellen, dass man die Kommissarsagenden in der Kommission stärker gruppiert. Etwa die Ressorts für Umwelt, Klima und Energie oder die Ressorts Außenpolitik, Entwicklungspolitik und Verteidigung könnten in Arbeitsgruppen zusammengefasst werden, in denen es für jedes Ressort zwar einen Kommissar gäbe, aber einer der Kommissare federführend den Vorsitz hätte. Eine solche Bündelung der Verantwortung würde der Zersplitterung entgegenwirken.

Was beurteilen Sie den Vorschlag, einen ständigen Eurogruppen-Chef zu installieren?

Ich bin seit Jahren dafür und habe vorgeschlagen den Währungskommissar/EU-Finanzminister damit zu betrauen. Die Leitung der Eurogruppe ist kein Nebenjob.

Brüssel hat konkrete Schritte in Richtung Erweiterung der EU gesetzt. Wie viele weitere Länder verträgt die Europäische Union noch?

Das ist keine Frage der Zahl, sondern hängt sowohl vom Zustand der Kandidatenländer als auch vom Zustand der EU ab. Die EU ist eine Rechts- und Wertegemeinschaft. Priorität hat für Österreich der Westbalkan. Gleichzeitig hat die Krise gezeigt, in welchen Bereichen die EU nicht genügend handlungsfähig war, und wo wir sie deshalb besser machen müssen. Das Flicken dieser Löcher im Dach ist die Voraussetzung für die Aufnahme neuer Länder.

Europa muss in der Außenpolitik mit einer Stimme sprechen

Wie beurteilen Sie den Kurs Brüssels hinsichtlich der Ukraine? Besteht die Gefahr, dass das Land Europa und Russland gegeneinander ausspielt?

Die Reaktionen auf die Krise in der Ukraine zeigen auch die Mängel der europäischen Außenpolitik. Europa ist immer noch der zersplittertste Kontinent der Welt. Solange es uns nicht gelingt auch in der Außenpolitik mehr mit einer Stimme zu sprechen, sinkt Europas Einfluss in der Welt.  Stärker als die Gefahr, dass die Ukraine die EU und Russland gegeneinander ausspielt, ist die Gefahr, dass Russland die Ukraine erpresst. Ich trete dafür ein, dass über den zukünftigen Kurs der Ukraine die Ukrainerinnen und Ukrainer entscheiden, nicht Moskau oder Brüssel. Ich bin für die Annäherung der Ukraine an die EU.

Bei der Finanztransaktionssteuer ist vor allem wegen des Widerstandes von Großbritannien in den letzten Jahren wenig weitergegangen. Wie schätzen Sie die Chancen auf eine Realisierung in absehbarer Zeit ein?

Ich kämpfe dafür, dass die Finanztransaktionssteuer (FTS) eingeführt wird. Auf jede andere Art von Geschäft werden Mehrwert- oder Umsatzsteuern erhoben. Deshalb ist es nur fair gegenüber der Realwirtschaft auch Finanzgeschäfte zu besteuern. Ich will aber, dass die Steuer nicht einfach nur ein Goldesel für die Finanzminister ist, sondern dass die FTS ordnungspolitisch genutzt wird. Ich trete auch dafür ein, dass außerbörsliche Geschäfte stärker besteuert werden als börsliche, um bestimmte Geschäfte aus dem Schattenbereich in das Licht der kontrollierten Börsen zu holen. Derzeit bin ich nicht zufrieden mit dem Fortschritt der Verhandlungen. Weil für die FTS Einstimmigkeit unter den Mitgliedstaaten notwendig ist, bestimmen die Zauderer das Tempo. Derzeit sind nur 11 Staaten für diese Abgabe.

Die NSA-Affäre hat das Verhältnis von Europa und den USA getrübt. Unternimmt die EU genug, um im Bereich Informationstechnologie von den Vereinigten Staaten unabhängiger zu werden?

Europa tut noch nicht genug in diesem Bereich. Das ist aber nicht nur Aufgabe der EU, sondern auch der Mitgliedstaaten. Durch die NSA-Affäre sind die sicherheitspolitischen und strategischen Lücken in der europäischen IT-Infrastruktur sichtbar geworden. Eine E-Mail von Wien nach Klagenfurt muss nicht eine Schleife über die USA machen. Deshalb brauchen wir massive Investitionen in eine eigene europäische IT-Infrastruktur. Nur wenn Daten in Europa bleiben und über europäische Server laufen, können wir die Anwendung europäischen Datenschutzrechtes garantieren. Wir brauchen auch eine europäische Spionageabwehr.

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