Samstag, 7. Dezember 2024
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Irland verabschiedet sich aus dem Internationalen Rettungsschirm

Es ist so weit: Irland steht ab 15. Dezember wieder auf eigenen Beinen. Ein wichtiger Meilenstein für Europa wurde erreicht. Denn damit wird der erste EU-Krisenstaat wieder in die Unabhängigkeit entlassen.

[[image1]]“Nein, die Champagnerkorken werden nicht knallen und eine Blaskapelle haben wir auch nicht bestellt“, antwortete der irische Finanzminister Michael Noonan auf die Frage, wie Dublin am Sonntag seinen Ausstieg aus dem internationalen Rettungsschirm gestalten will. Nach drei Jahren erhält das Land, das Ende 2010 mit insgesamt 67,5 Milliarden Euro gerettet werden musste, seine Souveränität zurück. Es hat ein hartes Sparprogramm durchgezogen und gilt nun als Vorbild für die Problemländer Griechenland, Portugal und Zypern, die von der EU und dem Internationalen Währungsfonds ebenfalls mit Milliardensummen gerettet werden mussten. Von allen Krisenstaaten steht Irland am besten da. Als nächstes dürfte Spanien, dessen marode Banken ebenfalls eine Finanzspritze benötigten, wohl den Weg in die Unabhängigkeit beschreiten.

Beachtliche Leistung

„Wir werden mit unserer Politik fortfahren“, versprach Noonan. Denn die Iren müssen weiter sparen, um die Maastricht-Kriterien wieder erfüllen zu können und das Haushaltsdefizit bis 2015 auf rund drei Prozent des Bruttosozialproduktes zu reduzieren. Dieses Jahr soll es 7,5 Prozent des BIP betragen und 2014 dann auf 4,8 Prozent des BIP sinken. Das Land, das 2010 nach der Rettung der Banken eine Neuverschuldung von 30,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) aufwies, hat große Fortschritte beim Schuldenabbau gemacht: Seit Beginn der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 sparte  Irland insgesamt 28 Milliarden Euro ein. Das ist eine beeindruckende Leistung, zumal sie ohne Massenproteste, gesellschaftliche Verwerfungen oder Abdriften in den politischen Extremismus erzielt wurde. Rechte oder linke Splitterparteien konnten nicht profitieren. Rund 260 verschiedene Troika-Auflagen haben die Iren im Rahmen ihres Sanierungsprogramms umgesetzt. Der Rotstift wurde beim Kindergeld, der Arbeitslosenhilfe und dem Wohnungsgeld angesetzt. Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes mussten Gehaltskürzungen hinnehmen.

Stoisch fügten sich die rund 4,6 Millionen Iren in ihr Schicksal und bei den vierteljährlichen Kontrollen der Troika erhielt das kleine Land stets gute Zensuren. Die Inspektoren der Troika wird Irland übrigens auch jetzt nicht ganz los: sie werden dem Land auch künftig zweimal im Jahr einen Besuch abstatten.

Es bleibt noch viel zu tun

Denn überm Berg ist Irland noch längst nicht: Mit 125 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist der Schuldenberg immer noch erdrückend hoch. Es wird Jahre oder gar Jahrzehnte dauern, bis er wieder auf ein vernünftiges Maß von 60 Prozent des BIP reduziert werden kann. Voraussetzung dafür ist allerdings ein anhaltendes kräftiges Wachstum. Ob das gelingen wird? Als kleine offene Volkswirtschaft, die vor allem auf den Export setzt, ist Irland extrem anfällig für externe Schocks und die Schwäche seiner Handelspartner im restlichen Europa. Sehr kritisch könnte es für Irland vor allem dann werden, wenn Großbritannien sich aus der EU verabschieden sollte, denn das Nachbarland ist der wichtigste Handelspartner des ehemaligen keltischen Tigers.

2013 soll die irische Wirtschaft das dritte Jahr in Folge wachsen, wenn auch nur um 0,3 Prozent, prognostiziert die EU. In den beiden nächsten Jahren soll es an Tempo gewinnen und dann 2014 um 1,7 Prozent, im Jahr darauf sogar um 2,5 Prozent zulegen. Der Industriestandort Irland hat dank Kürzungen bei den Löhnen, Gehältern, Lebenshaltungskosten und Mieten seine Wettbewerbsfähigkeit wieder erheblich verbessert. Die Arbeitslosigkeit, die vorübergehend auf knapp 15 Prozent gestiegen war, ist mittlerweile auf 13 Prozent gefallen und bis 2015 soll sie dann zwar auf 11,7 Prozent zurückgehen, aber das ist immer noch viel zu hoch. Und jedes Jahr kehren rund 35.000 Iren ihrer Heimat den Rücken und wandern aus – ein Ventil für den Arbeitsmarkt zwar, aber auch der Verlust wichtiger Talente, die der Volkswirtschaft später fehlen werden. Kritiker bemängeln außerdem, dass der Regierung letztlich der Mut fehlte einige wichtige heilige Kühe zu schlachten. So scheute sie sich, das Gesundheits- und das Rechtssystem zu reformieren. Der Mindestlohn ist auch heute noch in Irland höher als in anderen europäischen Ländern und das Arbeitslosengeld großzügiger bemessen als im Nachbarland Großbritannien.

Banken geben Anlass zur Sorge

Es waren die Banken, die sich am Immobilienmarkt verspekuliert hatten, die Irland an den Rand des Abgrunds trieben. Als sie nach dem Platzen ins Trudeln gerieten, verpflichtete sich die damalige Regierung eine Garantie für alle Bankeinlagen zu übernehmen – ein großer Fehler, wie sich später herausstellte. Als erstes Land richtete Irland auch eine sogenannte Bad Bank ein: Die National Asset Management Agency (Nama) nahm den fünf großen irischen Banken ihre „Giftpapiere“ ab – faule Kredite, die sie in dem jahrelangen, auf Pump finanzierten Immobilienboom angehäuft hatten. Die Regierung selbst pumpte dann später insgesamt 64 Milliarden Euro in die maroden Banken, eine Last die der irische Steuerzahler unmöglich alleine schultern konnte, so dass die Flucht unter den Rettungsschirm Ende 2010 unausweichlich wurde. Obwohl heute nur noch zwei große Banken übrig geblieben sind, geben die Finanzinstitute immer noch Anlass zu Sorge. Sie stufen immerhin 26 Prozent ihrer Hypotheken als notleidend ein und trotz eines neuen Insolvenzrechtes, zögern die  Banken bei säumigen Schuldnern Zwangsenteignungen vorzunehmen. Nächstes Jahr müssen sich die irischen Banken erneut einem Stresstest unterziehen, doch Finanzminister Noonan ist zuversichtlich, dass keine erneute Rekapitalisierung der irischen Institute nötig wird.

Investoren werden umworben

Obwohl im Sommer viel darüber spekuliert worden war, dass Irland einen Notfallkredit in Höhe von 10 Milliarden Euro beantragen könnte, um auf diese Weise den Übergang zur Normalität abzusichern, nahm Premier Enda Kenny letztlich davon Abstand. Vor allem sein Koalitionspartner, die Labourpartei war dagegen, weil sie neue strenge Auflagen von der Troika fürchtete. So muss Irland nun hoffen, dass das Vertrauen, das Irland in den letzten Monaten an den Finanzmärkten erworben hatte, nicht wieder verloren geht. Während der Krise waren die Zinsen für irische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit im Mai 2010 bis auf 14,5 Prozent hochgeschnellt, mittlerweile sind sie jedoch wieder auf rund 3,5 Prozent gesunken. In den letzten Wochen reiste Noonan deshalb an alle wichtigen Finanzplätze, um bei den Investoren um weitere Unterstützung zu werben. In der Londoner City erklärte er kürzlich: „Wir springen nicht ohne Fallschirm ab – schließlich haben wir ein Finanzpolster von mehr als 20 Milliarden Euro aufgebaut“.

Tatsächlich hat die nationale Schuldenagentur NTMA in den letzten 18 Monaten begonnen, mehrmals die Kapitalmärkte zu testen und auf diese Weise vorgesorgt, so dass Irland theoretisch ganz 2014 überbrücken könnte, ohne die Märkte erneut anzuzapfen. Zwei große US-Investoren haben übrigens bereits wieder in Irland investiert: Wilbur Ross, stieg gemeinsam mit anderen Anlegern bei der Bank of Ireland ein und der Fondsmanager Michael Hasenstab von Franklin Templeton hält irische Anleihen im Wert von mehr als neun Milliarden Euro.

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