Donnerstag, 25. April 2024
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Grenzen der Konsumgesellschaft: Ideen auf dem Prüfstand

Seit Bestehen der Marktwirtschaft gibt es auch die Kritik an ihr. Ein Wirtschaftsmodell könne nicht alleinig auf Konsum ausgerichtet sein, es sei ökologisch und sozial nicht nachhaltig. DM-Gründer Götz Werner fordert 1.000 Euro-Grundeinkommen.

[[image1]]Schon Karl Marx wollte dereinst die Güter-Produktion vom Güter-Konsum abkoppeln. Was allerdings in keinem Projekt gelang. Bei höherem Faktoreinsatz produzierten sozialistische Fabriken nur einen Bruchteil ihrer kapitalistischen Konkurrenz. Die Folge waren Mangelwirtschaft und Korruption. Welche Ansätze gibt es heute?

„Club of Rome“ irrte

1972 prognostizierte der „Club of Rome“  im Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ das Ende einer konsumbasierten Ökonomie. Wissenschaftler rund um Dennis Meadows hatten ab dem Jahr 2000 Bürgerkriege und Hungersnöte von biblischem Ausmaß prognostiziert.
Keine einzige Prognose traf ein. Der Grund: Man hatte den Rohstoffverbrauch im Jahre 1970 einfach durch die damals bekannten Reserven dividiert und war zur Erschöpfung der meisten Ressourcen bereits in den 1990ern gekommen.

Marktwirtschaft lernfähig

Tatsächlich ist „unser System“ überaus anpassungsfähig. Wird ein Rohstoff in der Marktwirtschaft einmal knapp, können sich die Verkäufer stärker durchsetzen und die Preise steigen. Das tut den Menschen weh, (sie schimpfen auf „das System“, die Unternehmer und vermeintliche Profiteure) – und sparen beim Verbrauch.

Höhere Preis für den Produktionsfaktor Rohstoff lassen unternehmerisch denkende Menschen ihre Chance wittern: Sie suchen nach Techniken, die den teuren Rohstoff ersetzen oder zumindest sparsamer verwenden – oder machen sich auf die Suche nach neuen Lagerstätten. So geht das Erdöl eben nicht – wie vom Club of Rome beschworen – schon 2000 aus, und auch nicht 2040 – sondern eher irgendwann nach 2100.

Globalisierungskritische Bewegung

In den 1990ern spaltete sich am linken Rand der Grün- (und Anti-Atom-)Bewegung eine radikale, anti-kapitalistische Bewegung ab, die der Globalisierungskritiker. Marxistische Organisationen (wie Attac), Gewerkschaften und Kirchen werfen dem konsumbasierten Wirtschaftsmodell mangelnde Nachhaltigkeit auf ökologischem und sozialem Gebiet vor. Sie wollen den Freihandel einschränken, Steuern erhöhen und Betriebe verstaatlichen.

Am Aufstieg ehemals marxistischer Länder wie China oder Indien kritisieren sie das Aufgehen der sozialen Kluft, den exorbitanten Rohstoffverbrauch und die Ausbeutung von Arbeitern. Wie einst Marx fordern sie die Entkoppelung von Produktion und Konsum; etwa durch ein bedingungsloses Grundeinkommen (meistens 1.000 Euro) oder bezahlte Freijahre (Felber). Wer hart arbeitet (und damit viel produziert), könne dies gerne tun – würde durch eine entsprechende Steuerpolitik aber keine materiellen Vorteile daraus ziehen können.

Kluft ist gut

Tatsächlich war die Kluft bei den Einkommen in sozialistischen Systemen geringer (nicht allerdings bei den Vermögen – wie in der BRD verfügten auch in der DDR 20% der Bürger über 80% der Sparvermögen). Aber was half es, wenn alle gleich waren – gleich arm. In marxistischen Ländern wie China (bis 1979) und Indien (bis 1991) musste die Mehrheit von weniger als 20 Dollars im Monat dahinvegetieren.
Tatsächlich verschwand diese Art der Gleichheit in der Marktwirtschaft. Aber nicht, weil Menschen ärmer werden mussten – sondern weil Hunderte Millionen Menschen durch die Produktion von Gütern und Dienstleistungen (bei gleichzeitigem Drucken der entsprechenden Mengen an Geldnoten) nun das Zehn- oder Zwanzigfache verdienten als die (noch) Armen.

In einigen Jahrzehnten werden die letzten Armenhäuser  verschwunden sein (die 20 Dollar-Löhne gibt es in entlegenen Regionen Westchinas noch immer) – dann werden die Kluft sich wie in Europa wieder schließen.
Zum Thema Ausbeutung: Natürlich gibt es noch Textilfabriken mit Hungerlöhnen von 200 Dollar – nach 40 Jahren Entwicklung wandern diese aber in noch zu entwickelnde Länder wie Bangladesch ab. Und auch wenn 200 Dollar nur das Zehntel eines europäischen Lohnes darstellen – es ist vor Ort immerhin das Zehnfache von früher.

China spart Ressourcen

Chinas sozialistische Staatsbetriebe produzierten so ineffizient, dass sie zur Wende 1979/80 1,3 Kilogramm Steinkohle(-Äquivalent) benötigten, um einen Dollar BIP zu erzeugen. Heute reichen 0,3 Kilogramm. Die Ressourceneffizienz hat sich in nur 40 Jahren also vervierfacht! Dank der Marktwirtschaft, die den Energieverbrauch zum Kostenfaktor machte.

Götz Werner: „Grundeinkommen heißt Freiheit“

Der Gründer und Eigentümer von DM, Götz Werner, fordert für jeden Bürger ein Grundeinkommen von 1.000 Euro im Monat. Das bedeutet natürlich nicht, dass seine Angestellten dies von ihm einfordern und ab sofort der Arbeit fortbleiben könnten. Das sollen natürlich „die anderen“ bezahlen, etwa der Staat.

Zwar ist Werner ein guter Kaufmann – aber ein umso schlechterer Volkswirt. Würde nur jeder zweite Erwachsene den Tausender nehmen, entginge der Republik die Hälfte ihrer Steuereinnahmen. Um aber Schulen, Krankenhäuser, Pensionskonten und Polizeistationen nicht (zu)sperren zu müssen (die nicht-arbeitende Hälfte will ja mitversorgt werden), müssten die bestehenden Sozialversicherungsbeiträge und Steuersätze verdoppelt werden. Die effektive Abgabenlast würde für die arbeitende Hälfte von derzeit 50% auf 100% der Bruttoeinkommen steigen.
Der Spuk hätte ein schnelles Ende.

Umdenken – ohne Fehler der Vergangenheit

Das Problem ist immer der Mensch. Der möchte zur nachhaltig geführten Dschungel-Lodge in Thailand reisen – mit dem Flugzeug. Und der Aktivist ruft zur Demonstration auf – mit seinem iPhone via Facebook (und Strom aus einem Steinkohlekraftwerk).
Der Mensch dehnt seit jeher seine Grenzen soweit aus wie nur irgend möglich. Beschränkt wird er lediglich von den Kosten seines Verhaltens. Wenn es gelingt, den Faktoreinsatz bei Rohstoffen via Steuern weiter zu verteuern – und dabei den der Arbeit zu entlasten, dann kann das „grüne Business“ zu Europas nächstem Kondratieff-Zyklus werden.

Über die preisliche Steuerung von Produktionsfaktoren eine Gesellschaft zu lenken – dazu ist die Marktwirtschaft geradezu prädestiniert.
Das Projekt wird aber scheitern, wenn ideologischer Ballast des 19. Jahrhundert („Grundeinkommen“, „Verstaatlichungen“, „Reichenhetze“) die Dynamik absorbiert. Da sind die Grünbewegungen Europas kritisch in die Pflicht zu nehmen.

 

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