Montag, 7. Oktober 2024
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Die guten Amerikaner und die bösen Russen

Die Europäer stehen auf die Amerikaner – obwohl diese ziemlich weit weg sind – ungleich mehr als auf die räumlich näher gelegenen Russen. Das war immer so, das ist so, und das wird vermutlich auch immer so bleiben. Die USA genießen als Weltmacht Nummer Eins eine ungleich höhere Reputation als Russland, das stets als Land der begrenzten Möglichkeiten gesehen wird.

[[image1]]Bestes Beispiel: Die mächtigen US-Multis dominieren nach wie vor die Weltwirtschaft in fast allen Branchen, russische Unternehmen hingegen können bestenfalls mit Erdgas, Wodka und Kaviar glänzen – die logische Folge von jahrzehntelanger kommunistischer Misswirtschaft. Während das ehemalige Sowjet-Imperium den meisten Europäern aus ideologischen, politischen und militärischen Gründen stets suspekt war, – nicht zu Unrecht – haben die Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg stillschweigend die Rolle des selbsternannten Weltpolizisten übernommen. Sie kämpften vor den Augen, wenn auch nicht im Auftrag der Weltöffentlichkeit stets für Demokratie und Marktwirtschaft, haben unentwegt versucht, großflächig für Recht und Ordnung zu sorgen und verstanden sich dabei als oberste Richter über Gut und Böse.

Im ständigen Kampf Demokratie gegen Diktatur, Kapitalismus gegen Kommunismus bzw. Marktwirtschaft gegen Planwirtschaft sind den USA fraglos große Erfolge gelungen, die ihnen hoch anzurechnen sind. Die Nato unter ihrer Führung hat den so genannten Ostblock, also die von der Sowjetunion gelenkten Staaten des Warschauer Paktes, allzeit in Schach gehalten, ohne dass es zu einer direkten militärischen Konfrontation gekommen ist. Freilich waren bei etlichen indirekten Auseinander-setzungen herbe politische Malheurs zu verzeichnen, etwa wenn die beiden Supermächte zahlreiche Bürgerkriege und bewaffnete Konflikte in Afrika, Mittel- und Südamerika unterstützten. Der 1947 gegründete US-Geheimdienst CIA  etwa, der auf Weisung des Präsidenten mit verdeckten Operationen in fremden Ländern durchaus auf politische als auch militärische Weise Einfluss ausüben sollte, hatte an sämtlichen Krisenherden  die Finger im Spiel, aber  dabei  nicht immer eine glückliche Hand:   Auf Geheiß der Amerikaner  wurden beispielsweise  Diktatoren wie Augusto Pinochet in Chile oder Ferdinand Marcos auf den Philippinen sowie etliche Militärregimes installiert und unterstützt; aus unsinnigen Erwägungen wurden immer wieder Staatsstreiche gegen demokratisch gewählte Regierungen inszeniert, wobei man in der Wahl der Mittel nie besonders wählerisch war:  Die CIA geriet wegen  brutaler Morde, illegaler Verhörmethoden, grausamer Folterungen und anderer schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen in zahlreichen Ländern – von Nicaragua und Guatemala über Südafrika und Vietnam bis Afghanistan und dem Irak – zusehends ins Kreuzfeuer internationaler Kritik.

Arroganter Westen

Dass sich die Vereinigten Staaten bei ihren rund 60 militärischen Interventionen und Putschen in den vergangenen sieben Jahrzehnten vielfach alles andere als mit Ruhm bekleckert haben, ist zwar angesichts von Millionen und Aber-Millionen Todesopfern verständlich, aber zugleich kurioser Weise nicht überall so richtig wahrgenommen worden. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, der übrigens von den CIA-Agenten gar nicht vorausgesagt werden konnte, war der große Feind im Osten einmal ausgeschaltet und auf der weltpolitischen Bühne ein Ungleichgewicht zu Gunsten des Westens geschaffen. Die Russen wurden daher fortan als Statisten behandelt, die nichts mehr zu melden hätten und von denen auch keine militärische Unbill mehr zu erwarten wäre. Doch das hat sich nach dem Amtsantritt von Wladimir Putin allmählich geändert: Der machtbewusste Kreml-Chef, der die Bezeichnung Diktator zweifellos verdient, hat sein Land nicht zuletzt dank eines beträchtlichen wirtschaftlichen Aufschwungs wieder langsam aus dem weltpolitischen Ghetto geführt. Er ist zwar einige Male höchst unangenehm aufgefallen – Stichworte: Tschetschenien und Georgien – , doch die Machtspielchen des russischen Präsidenten mit seinen 143 Millionen Landsleuten auf 17 Millionen Quadratkilometer Fläche ließen die 319 Millionen US-Bürger sowie deren Präsidenten George W. Bush und später Barack Obama weitgehend kalt. Erst die Ukraine-Krise und die wahnwitzige, das Völkerrecht verletzende Annexion der Halbinsel Krim durch Putin lösten einen weltweiten Schock aus. Plötzlich wurde auch die Europäische Union mit ihren mehr als 500 Millionen Einwohnern aus einem jahrelangen Dämmerschlaf gerissen.

Putin, der im Westen prompt die Rolle des personifizierten Polit-Teufels zu übernehmen hatte, kommt eines sehr zu gute: Dem Kreml-Chef, der daheim sozusagen auf Knopfdruck seine Pläne umsetzen kann, stehen ein – wie sich immer deutlicher zeigt – relativ schwacher US-Präsident, sowie eine praktisch handlungsunfähige EU-Führung in Brüssel gegenüber. Obama, der weit vom Schuss ist, spannt noch dazu die Europäer vor seinen Karren, indem er sie beispielsweise zu noch mehr und noch unliebsameren Sanktionen gegen Russland drängt. Dass er dabei im Hinterkopf das strategische Ziel verfolgt, einen Keil zwischen die Union und die Russen zu treiben, ist mit Sicherheit nicht von der Hand zu weisen. Die Amis dürften sich bei ihrer Vorgangsweise obendrein – mehr als anzunehmen wäre – von handfesten wirtschaftspolitischen Absichten in der umkämpften Ukraine leiten lassen: Bekanntlich zog erst kürzlich ausgerechnet der Sohn von US-Vizepräsident Joe Biden, R. Hunter Biden, in den Board der ukrainischen Öl- und Gasfirma Burisma Holdings ein. Übrigens gemeinsam mit einem gewissen Davon Archer, der wiederum geschäftlich mit dem Stiefsohn von US-Außenminister John Kerry, Christopher Heinz, verbandelt ist – eine miesere Optik als diese muss eigentlich erst erfunden werden. Und als dann noch aufflog, dass die Burisma zum Imperium des steinreichen ukrainischen Oligarchen Igor Kolomoysky gehört, der neuerdings auch als Gouverneur der Region Dnepropetrowsk agiert und einer der Finanziers der in Washington hochverehrten Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko ist – dann, ja spätestens dann konnte sich jeder seinen Reim drauf machen.

So ganz absurd war jedenfalls die jüngste Attacke des russischen Außenministers Sergej Lawrow nicht: Dieser begnadete Polit-Darsteller, der zugleich verständnisvolle Harmonie und brutale Drohgebärden – also Frieden und Krieg auf einmal – zu signalisieren versteht, hat kürzlich vor der UN-Vollversammlung russischen Klartext geredet: Er warf dem Westen Arroganz vor, weil sich „die EU und die NATO als angebliche Hüter der Demokratie selbst belügen“ würden. Militärische Gewalt sei im Westen zur „Normalität“ geworden. Letztlich sei die Ukraine „Opfer dieser arroganten Politik der USA und der EU“, weil diese „den Putsch unterstützt“ hätten. Lawrows Fazit: „Die Politik der Sanktionen und  Ultimaten, sowie die Philosophie der Überlegenheit und Beherrschung passt nicht mehr ins 21. Jahrhundert“. Bleibt bloß zu ergänzen: Einfach zum Nachdenken …

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