Dienstag, 19. März 2024
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US-Justiz: Ein krankes System will die Welt beherrschen

CIA, NSA und FBI – drei US-amerikanische Kürzel, die weltweit für Skepsis, bisweilen auch Angst und Schrecken sorgen. Die Vereinigten Staaten, die als Weltmacht Nummer Eins mit ihren Geheimdiensten die Kontrolle rund um den Erdball absichern möchten, spielen sich als Weltpolizist auf, der überall Recht und Ordnung herstellen muss. Laut Angaben der „Washington Post“ wendet die Obama-Administration für die mehr als 100.000 Agenten der insgesamt 17 US-Nachrichtendienste jährlich deutlich mehr als 50 Milliarden US-Dollar auf.

Die größte Spionagetruppe ist die 1947 gegründete CIA (Central Intelligence Agency). Ihre 22.000 Beschäftigten konzentrieren sich von jeher auf die Beschaffung und Analysen von Auskünften im Ausland – Regierungen, Vereinigungen und Personen. Auf Weisung des Präsidenten darf die CIA durch verdeckte Operationen in fremden Ländern auf politische und militärische Weise Einfluss ausüben, also beispielsweise in innere Angelegenheiten eingreifen. Staatsstreiche gegen demokratisch gewählte Regierungen oder die Installierung und Unterstützung von Diktatoren und Militärregimes sind seit fünf, sechs Jahrzehnten ebenso an der Tagesordnung wie die vielen kriegerischen Auseinandersetzungen der US-Army in aller Welt.

Michael J Glennon, Autor des im Oktober 2014 erschienenen Buches „National Security and Double Government“, vertritt jedoch die Auffassung, dass das Weiße Haus und andere Spitzenpolitiker gar keine Ahnung hätten, was CIA & Co. so alles – illegal – treibe. Vor allem die Veröffentlichung des „CIA-Folterreports“ Mitte Dezember, in dem die grauenhaften Methoden bei der Behandlung Gefangener aufgedeckt wurden, sorgte in Land, aber auch im Ausland für riesige Empörung. Die schlimmsten Vermutungen, wie brutal etwa im legendären Häftlingslager Guantanamo mit den Insassen umgegangen wurde, sind nämlich weit übertroffen worden. Die Fassungslosigkeit, dass derartiges nicht nur in Bananen-Republiken, sondern auch in den Vereinigten Staaten passieren konnte, ist enorm. Beim so genannten „Krieg gegen den Terror“, primär gegen Al-Qaida und die Taliban, den George W. Bush nach 9/11 ausgerufen hat, war so gut wie alles erlaubt, selbst die fragwürdigsten Methoden – ohne Rücksicht auf die Verfassung, ohne Rücksicht auch auf Menschenrechte. Die ebenso brisanten wie schockierenden Erkenntnisse, die dieser Report ans Tageslicht der Weltöffentlichkeit brachte, sind eines demokratischen Rechtsstaates nicht würdig und haben der längst angekratzten Reputation der Weltmacht Nummer Eins, die sich immer schon als Hort von Recht, Freiheit und Demokratie verstanden hat, schweren Schaden zugefügt.

Den Geheimdiensten, die es längst nicht nur auf böse Terroristen abgesehen haben, ist offenbar jedes Mittel recht:  Der dank des so genannten Whistleblowers Edward Snowden aufgeflogene Skandal um die NSA (National Security Agency) ist der beste Beweis für ihre Skrupellosigkeit. Snowden enthüllte, dass die 40.000 Mitarbeiter der in Fort George G. Meade, Maryland, ansässigen Organisation möglichst lückenlos die ganze Welt ausspähen wollen – und dabei beispielsweise auch die deutsche Kanzlerin oder, wie soeben zu erfahren war, die Republik Österreich nicht verschont haben. Die NSA kooperiert mit ähnlichen Institutionen befreundeter Staaten, etwa dem deutschen BND, was naturgemäß in „eine hemmungslose Rundumüberwachung“ ausartet, weil – wie der „Spiegel“ formulierte – „jeder dem anderen mit verteilten Rollen behilflich sein kann“.

Einschlägige Experten zeigten sich über die wüsten Methoden der NSA, die als Ansammlung von Bösewichten und Schurken da stand, entrüstet: Robert Jackall etwa, Soziologie-Professor am Williams Colle in Williamstown, Massachussets, warf die Frage auf, ob die Obama-Administration nicht zu weit gegangen sei: „Wo ist die Trennlinie zu ziehen? Wie weit kann man unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit gehen? Und ab welchem Punkt ist eine freie Gesellschaft der totalen Überwachung ausgeliefert?“ Der frühere NSA-Boss Keith Alexander, intern „Kaiser Alexander“ genannt, hat die öffentliche Wut über seine Behörde freilich nie verstanden. Selbst dann noch nicht, als bekannt war, dass seine Leute längst mit den großen Technologie-Companys wie Microsoft, Facebook oder Google zusammenarbeiten. Sein Kommentar: „Pfeifen wir auf das Gesetz, und machen wir lieber unseren Job“.

Unmenschliche Absurditäten

Einen ähnlichen Job erledigt das FBI (Federal Bureau of Investigation): Die bundespolizeiliche Ermittlungsbehörde ist global präsent, deckt rund 200 Staaten ab und unterstützt selbstverständlich die emsigen NSA-Spitzelagenten und die ständig unter Erfolgsdruck stehenden CIA-Kollegen tatkräftig. Das FBI hat es beileibe nicht bloß auf Terroristen abgesehen, sondern auch auf – häufig nur vermeintliche – Spione, Cyber-Gauner, die organisierte Kriminalität, Mörder, Kinderschänder, Sexualattentäter, Bankräuber und so genannte White Collar-Banditen – und gelegentlich auch auf bislang unbescholtene ausländische Konzernchefs wie den ukrainischen Oligarchen Dmitry Firtash.

Diesem wird seit Jahren eine angebliche Bestechungsaffäre in Indien angelastet, was im März 2014 auf Ansuchen der Amerikaner zu seiner Verhaftung in Wien geführt hat. Der Auslieferungsantrag wurde jedoch – wie bekannt – vom Straflandesgericht Wien kürzlich mit der Begründung, der er Großteils politisch motiviert war, abgelehnt. Damit bleibt dem Ukrainer, der den USA ein Dorn im Auge ist, erspart, an Ort und Stelle mit einem amerikanischen Justizsystem konfrontiert zu werden, das vor den Augen der Weltöffentlichkeit laufend für undemokratische, unverständliche und sogar unmenschliche Absurditäten sorgt.

Obwohl es im eigenen Land genügend zu erledigen gäbe, verfolgen die USA offenbar das Ziel, so etwas wie eine weltweite Justizbehörde unter ihrer Führung zu installieren. Ihre Geheimdienste sind unentwegt damit befasst, rund um den Erdball Übeltäter aller Art ausfindig zu machen, zu fassen, in die Vereinigten Staaten zu überstellen und dort vor einem Richter dunsten zu lassen – und letztlich zu verurteilen. Mit diesem Justiz-Imperialismus versuchen sie, die Behörden anderer Länder zu willfährigen Marionetten zu degradieren. Obwohl sie dabei nicht selten auf politisch-diplomatischer Ebene massiven Druck ausüben, verstehen sich manche Justizbehörden in anderen Ländern – gottlob etwa in Österreich – durchaus nicht als Befehlsempfänger der Amerikaner und entscheiden – wie der Wiener Richter Christoph Bauer – nach eigenem Gutdünken. Vielfach erscheint nämlich die Begründung der US-Behörden als nicht schlüssig, bisweilen werden wichtige Unterlagen und Beweise nicht geliefert, und in etlichen Fällen wiederum wird die Akteneinsicht vor Ort aus meist undurchschaubaren Gründen verwehrt.

Kurzum: Die Geheimdienste und Strafverfolgungsbehörden der USA, die weder vom Präsidenten noch vom Senat auch nur annähernd kontrolliert werden, stoßen anderswo auf stark zunehmende Skepsis, weil sie etwa auf Angeklagte häufig großen Druck ausüben oder weil die US-Justiz bisweilen nicht bereit ist, entlastendes Material offenzulegen. Zugleich ist sie mit dem gravierenden Vorwurf konfrontiert, Verbrechen im eigenen Land, etwa die CIA-Folterungen an ausländischen Häftlingen in menschenunwürdigen Kerkern wie Guantanamo letztlich ungesühnt zu lassen. Die Folterer von Guantanamo und ihre Hintermänner haben nämlich null strafrechtliche Konsequenzen zu befürchten.

Das Polizei- und Justizsystem sorgt auch aus einem anderen Grund immer wieder für Frust, Zorn und Empörung: Für viele US-Bürger ist inakzeptabel, dass Cops, die einen Zivilisten aus welchem Grund auch immer erschossen haben, kaum jemals zur Rechenschaft gezogen werden – es war stets Notwehr! Jedes Jahr werden laut der anti-rassistischen Organisation „Malcolm X Grassroots Movement“ etwa 300 bis 500 Schwarze von Polizisten gekillt – bei Banküberfällen, Kidnappings, Bandenfehden, Drogenrazzien, Raubüberfällen, Gewalt-tätigkeiten und anderen Gelegenheiten. Doch gerade mal in drei Fällen kam es zur Anklage – in allen anderen blieb es bei internen polizeilichen Untersuchungsverfahren, die in der Regel glimpflich endeten. Besonders erschüttert hat die Ermordung eines schwarzen Jugendlichen in Ferguson, Missouri, durch einen weißen Polizisten im August 2014. Das war der Höhepunkt in einer Serie ähnlich gelagerter Fälle – der Fall des 18-jährigen Michael Brown war Anlass für wochenlange, heftige Demonstrationen im ganzen Land gegen schießwütige Cops und die ignorante Justiz. Erst jetzt, nach der Tötung eines 25-jährigen Afroamerikaners in Baltimore, hat die Staats-anwaltschaft gegen sechs Polizisten Anklage erhoben.

Das amerikanische Justizsystem, das beispielsweise absurde Strafausmaße von mehr als 200 Jahren Haft ermöglicht, muss sich weltweit Kritik gefallen lassen – nicht nur deshalb, weil die USA, so wie etliche „Schurkenstaaten“, zu den weltweit rund 140 Ländern zählen, wo laut Amnesty International noch immer in mittelalterlicher Manier gefoltert wird. Mit den perfiden Überwachungsmethoden der Geheimdienste sind sie zu gravierenden Rechtsbrüchen bereit und schrecken sie vor moralischen Schandtaten nicht zurück. Sie haben sich nicht nur dem nationalen, sondern auch dem internationalen Recht entzogen. Und auf diese Weise versinke das Land, (ver)urteilt Buchautor Wolfgang Neskovic im „CIA-Folterreport“, „im Sumpf seiner eigenen moralischen und politischen Ansprüche“. Die Vereinigten Staaten, die sich immer noch als Rechtsstaat verstünden, hätten laut Neskovic „im Praxistest versagt“: Ein Rechtsstaat könne nur mit den Mitteln des Rechtsstaates verteidigt werden, aber nicht mit den Mitteln des Terrorismus.

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