Freitag, 19. April 2024
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Die EZB als Zins-Discounter

Wohin mit dem Geld? Spätestens nach der jüngsten Leitzinssenkung stehen Sparer und Anleger vor einem Dilemma: Entweder sie werden durch Minizinsen schleichend enteignet, oder aber sie investieren in Preisblasen. Gold könnte in diesem Umfeld wieder attraktiver werden, denn dieser Sachwert hat seine Preisblase bereits hinter sich.

[[image1]]Vor etwas mehr als einem Jahr verteidigte EZB-Präsident Mario Draghi auf dem Wirtschaftstag der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken in Frankfurt seine Politik des billigen Geldes und das Ankaufsprogramm für Anleihen aus Krisenstaaten unter anderem mit einem beruhigend klingenden Argument: Diese Maßnahmen würden schon bald dazu beitragen, zu einem angemessenen Zinssniveau zurückkehren zu können, das auch für die Sparer akzeptabel sei. Mit anderen Worten, die schleichende Enteignung durch künstlich niedrig gehaltene Zinsen sei eine bittere Medizin, die man schlucken müsse, damit es bald wieder aufwärts gehe.

Doch leider geht es weiter abwärts – zumindest, was die Zinsen anbetrifft. Nach der erneuten Senkung der Leitzinsen um 25 Basispunkte auf 0,25 Prozent hat die EZB die Zinsen faktisch abgeschafft. Ebenso wie ihre Kollegen von der amerikanischen Fed und der Bank of Japan. Denn nach Abzug der offiziellen Teuerungsrate von 0,7 Prozent im Euro-Raum (die reale Inflation in Staaten wie Österreich und Deutschland dürfte deutlich höher liegen) ergeben sich längst Negativrenditen.

Zehn Jahre billiges Geld?

Und das aus Sicht von Sparern und Anlegern Beunruhigendste: Ihre Rolle als Zinsdiscounter werden die Zentralbanken wohl noch lange spielen. Der renommierte deutsche Vermögensberater Bert Flossbach rechnet für etwa zehn Jahre mit sehr niedrigen Zinsen. Wie Hohn muss es da in den Ohren der Bürger klingen, wenn sie hören, sie seien die Profiteure der Euro-Rettung. Tatsächlich werden sie durch finanzielle Repression schleichend enteignet, müssen um ihre private Altersversorgung bangen, weil die Lebensversicherer im aktuellen Zinsumfeld keine akzeptablen Renditen mehr erwirtschaften können, und obendrein drohen – trotz aller Dementis – zumindest in den wohlhabenderen Euro-Staaten Steuererhöhungen.

Nach dem jüngsten EZB-Schritt war einmal mehr Experten-Rat gefragt: Wie sollen sich Sparer und Anleger nun positionieren? Die  Experten wirkten seltsam ratlos, und ihre Antworten fielen stereotyp aus. Man müsse eben das Vermögen „streuen“, also auf mehrere Pferde setzen.

Doch wie soll man „streuen“, wenn es keine wirklich überzeugenden Alternativen gibt? Klassische Sparkonten bescheren den Bankkunden unter dem Strich Vermögensverluste. Bleiben Immobilien und Aktien. Beide Sachwerte überzeugten in den vergangenen Jahren größtenteils durch eine beeindruckende Performance – getrieben von der Politik des billigen Geldes. Wer in jüngster Vergangenheit vor gefährlichen Preisblasen warnte, galt als Verschwörungsthoretiker, Crash-Prophet und Defätist. Jetzt sprechen sogar Notenbanker diese Gefahr offen an: Die neuerliche Zinssenkung bedeute, „dass wir weiterhin ein Umfeld haben, das die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt in eine Richtung begünstigt, wo es eben Blasen geben kann“, warnte dieser Tage Thomas Jordan, Chef der Schweizerischen Nationalbank, in Zürich.

In den begehrten deutschen und österreichischen Großstädten – in den sogenannten „Schwarmmetropolen“, die immer mehr Menschen anziehen -, dort also sind in den Top-Lagen längst Preisblasen entstanden. Interessengesteuerte Experten wiegeln dagegen ab: Von einer flächendeckenden Preisblase auf den Immobilienmärkten könne keine Rede sein. Natürlich, „Ladenhüter“ in der Provinz gibt es immer. Doch die sind keine seriösen Indikatoren.

Die Börsen auf Ecstasy

An den Börsen kam es nach der jüngsten Zinsentscheidung der EZB zu einem höchst bemerkenswerten Phänomen, das auf sonderbare Weise wenig Beachtung fand. Kaum hatte Draghi die Leitzinssenkung verkündet, schoss der deutsche Aktienindex Dax innerhalb von wenigen Minuten auf 9194 Punkte und damit auf ein neues Allzeithoch. Schon fantasierten die Börsianer von neuen, fünfstelligen Rekorden. Der Dax über 10000 Zähler – kein Problem. The sky is the limit! Doch je großmäuliger die Sprüche werden, desto näher rückt der Crash. Die grenzenlose Euphorie währte nur kurz, dann begann die Talfahrt und der Dax schloss 100 Zähler unter dem Tageshoch. Der Dow Jones-Index fiel später sogar unter die 15.700-Punkte-Marke.

Bisher haben die Börsen schlechte Nachrichten, wie Kriegsgefahren im Nahen Osten, Regierungskrisen in Südeuropa und Haushalts-Chaos in den USA, weitgehend ignoriert. Und jetzt sorgen sogar aus Sicht der Börsianer gute Nachrichten nur kurzzeitig für Kurssprünge. Die Märkte wissen, dass die Liquiditätsschleusen wohl lange Zeit weit geöffnet bleiben. Was soll nun noch für Kursfantasie sorgen?

Was ist Geld wert, das nichts mehr kostet?

Bei den nachdenklicheren Zeitgenossen unter den Börsianern steigt allmählich die Nervosität. Man könne nicht immer nur eine Party nach der anderen auf Ecstasy feiern, sonst kippe man irgendwann um, sagte einer von ihnen. Und noch etwas gibt zu denken: Wenn Geld schon keinen Preis mehr hat (Zinsen nahe an der Nulllinie), was ist es dann eigentlich wert?

Doch zurück zur Ausgangsfrage: Welche Alternativen bleiben für Sparer und Anleger? Wer Liquidität kurz- bis mittelfristig sicher und sofort verfügbar anlegen möchte, dem bleibt nur ein Tagesgeldkonto. Manche Banken bieten immerhin noch eine Verzinsung, die zumindest die Teuerungsrate einigermaßen ausgleicht. Das ist zwar keine Rendite, aber immerhin eine Schadensbegrenzung.

Selbst ein selektiver Einstieg in den Aktienmarkt bleibt auf dem aktuellen Niveau riskant. Zwar rechnet in diesem Jahr kaum ein Experte mit einer markanten Korrektur oder gar einem Crash. Tatsächlich könnten die Märkte in den nächsten Wochen noch einmal zulegen, was zumindest Chancen für kurz- bis mittelfristige Trader bietet. Aber Vorsicht: Spätestens ab Mitte 2014 könnte es an den Börsen gefährlich werden.

Gold erscheint nach den Turbulenzen der vergangenen Monate nun wieder zunehmend interessant. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um den einzigen Sachwert, der seine  Preisblase bereits hinter sich hat. Das Standardargument, wonach Gold keine Zinsen einbringe, überzeugt bei einem Leitzins von 0,25 Prozent nicht wirklich.

Übrigens: Ein Jahr nach Mario Draghi wird in wenigen Tagen der Präsident der Deutschen Bundesbank und EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann auf dem Wirtschaftstag der Volks- und Raiffeisenbanken in Frankfurt sprechen. Wir werden an diesem größten Treffen mitelständischer Unternehmer in Deutschland teilnehmen und in Kürze an dieser Stelle berichten.

 

Bild: birgitH / PIXELIO/©www.pixelio.de

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