Mittwoch, 16. Oktober 2024
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Schwarzgeld auf der Flucht

Nachdem die finanzielle Alpenfestung aus Österreich, Schweiz und Lichtenstein gerade geschleift wird und die USA und Großbritannien ihre eigenen Steueroasen offenbar behalten wollen, bleiben mittelfristig wohl nur noch Delaware, Miami, Jersey, Guernsey und Hongkong als „sichere Häfen“ für diskrete Schwarzgeldanlagen übrig.

[[image1]]Angesichts der seit dem Crash von 2008 in allen führenden Industriestaaten enorm eskalierenden Finanzknappheit ist klar, dass deren Finanzminister ein gieriges Auge auf die laut Tax Justice Network gebunkerten bis zu 32.000 Mrd. Dollar werfen, die der Besteuerung durch ihre Herkunftsländer in „off-shore“-Steueroasen entzogen wurden. Davon sollen immerhin 30 Prozent auf nur 200 Menschen entfallen, um deren Gelder die verschiedenen Steueroasen seit Jahrzehnten in beträchtlichem Wettbewerb stehen. Neben der erforderlichen Banken- und Beratungsinfrastruktur, Rechtssicherheit und der steuerlichen Mäßigung des Aufnahmelandes, stellen hier vor allem das Ausmaß an Diskretion und der Schutz vor Nachstellungen gegenüber den Behörden des Herkunftslandes die wesentlichen Entscheidungskriterien dar, und das scheint aktuell erheblich in Bewegung zu kommen. So waren die Wege des internationalen Schwarzgeldes immer schon den sich laufend ändernden politischen Verhältnissen unterworfen, wovon besonders die nicht unmittelbar auf illegale Geschäfte zurückgehenden Gelder höchst mobil sind und sich stets auf der Suche nach den sichersten Verstecken befinden.

Schweiz bereits seit mehr als 20 Jahren unter internationalem Druck

Nachdem US-amerikanische, britische und Behörden der EU den Kampf gegen Steueroasen aber massiv verschärft haben, hat der Verlagerungsprozess freilich eine neue Dynamik bekommen, die sogar den letzten großen Umbruch in den 1990er Jahren in den Schatten stellen dürfte. Damals hatten US-Administration, Öffentlichkeit und Teile der Kundschaft die Schweiz massiv unter Druck gesetzt, die bis dahin der unumstrittene Weltmarktführer bei der Verwaltung internationaler Schwarzgelder gewesen war. Damals waren freilich nicht die Steuerausfälle das Problem, sondern deren Herkunft. So hatten sich zwar noch Äthiopiens Kaiser Haile Selassie oder der Schah von Persien auf die Schweiz verlassen und weiter über die von ihnen gestohlenen Gelder verfügen können, nicht aber der philippinische Ex-Diktator Ferdinand Marcos. So fror die Schweizerische Kreditanstalt dessen bei ihr gebunkerte Milliarden 1986 unter bis heute unklaren Umständen ein, womit erstmals von amtierenden Diktatoren gestohlenes und in der Schweiz verbrachtes Vermögen aufgespürt, konfisziert und ab 1998 letztendlich an die Philippinen zurückerstattet wurde.

Dank des Archivierungsdranges des Diktators gelangte damals zudem eine umfangreiche Dokumentation seiner Schweizer Bankgeschäfte an die Öffentlichkeit, wodurch erstmals Details über die diskreten Praktiken der Schweizer Banken bekannt wurden. Nun brach ein Sturm der Entrüstung los, der zusehends auch die Geschäfte der Banken mit legalen Vermögen gefährdete, auf welche die schweizerische Finanzbranche mittlerweile fokussieren wollte. Gleichzeitig führte die nunmehr klar erwiesene Unsicherheit der illegalen Vermögen zu einer rapiden Absetzbewegung und zu einem spürbaren Geschäftsrückgang.

Einstiger Gewinner Österreich

Einer der Hauptprofiteure dürfte übrigens Österreich gewesen sein, das damals nicht nur über ein starkes Bankgeheimnis, sondern sogar über ein tatsächlich „anonymes“ Inhaber-Sparbuch verfügte. Immerhin war der Kontoinhaber der Bank selbst beim berühmten Schweizer Nummern-Konto bekannt, nur verblieb die Liste, die die Kontonummern den Kontoinhabern zuordnete, fest verschlossen im Tresor, so dass die Bankmitarbeiter, die die Kontobewegungen bearbeiteten, nicht erfuhren, für wen sie tätig waren. Damals beklagten jedenfalls schweizerische Finanzmanager, dass die Familie des damaligen indonesischen Diktators Suharto ihre Milliarden deshalb nach Österreich transferiert habe, was offenbar ein derart hohes Volumen betraf, dass dadurch eine erhebliche – und seitens der Nationalbanken „unerklärliche“ – Delle in der schweizerisch-österreichischen Zahlungsbilanz verursacht wurde.

Deutsche Verhältnisse in ganz Europa?

Inzwischen wurde das anonyme Sparbuch längst begraben und auch das „Bankgeheimnis“ liegt offenbar international gesehen in den letzten Zügen, wodurch für Österreich – so wie für die Schweiz und Lichtenstein – mittelfristig wohl nicht mehr viele internationale Wettbewerbsvorteile bei der Schwarzgeldverschleierung übrig bleiben werden. So scheint es Deutschland zu gelingen, deutsche Verhältnisse in ganz Europa durchzusetzen, wobei in Deutschland nicht nur Bezieher öffentlicher Leistungen mit einer Prüfung ihrer Vermögenslage rechnen müssen, sondern seit 1998 melden die Banken dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) auch die Höhe der angemeldeten Freibeträge für Kapitalerträge und deren Inanspruchnahme, was Rückschlüsse auf die Höhe des durchschnittlichen Kontostands zulässt.

In Österreich legt das Bankwesengesetz hingegen mit Verfassungsrang fest, dass Banken nur über richterlichen Auftrag Auskünfte geben dürfen, und auch nur dann, wenn ein Strafverfahren oder ein verwaltungsbehördliches Finanzstrafverfahren wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens anhängig ist, das über eine Finanzordnungswidrigkeit hinaus geht. Bei ausländischen Strafverfahren dürfen Auskünfte bislang ebenfalls nur im Rahmen von Rechtshilfeabkommen gegeben werden und auch nur dann, wenn der gleiche Fall in Österreich ebenfalls zu einer Kontenöffnung führen würde, weshalb deutsche Rechtshilfeersuchen wegen Finanzordnungswidrigkeiten bislang kategorisch abgelehnt wurden. Das dürfte nun bald vorbei sein, und auch wenn die Alpenländer ihren Gegnern wohl noch einige Zugeständnisse abtrotzen werden, mit den absehbaren Regelungen dürfte die einstige Schwarzgeld-Alpenfestung aus Schweiz, Lichtenstein und Österreich jedoch unwiederbringlich geschleift werden.

Wohin diese Gelder nun aber verlagert werden, ist ungewiss. So hatte zuletzt etwa Singapur hohe Zuflüsse verzeichnet, was allerdings bereits wieder enden sollte, da nun auch Singapur sich auf Druck der USA bereiterklärt hat, dem OECD-Abkommen über den Informationsaustausch bezüglich mutmaßlicher Steuerbetrüger beizutreten.

Daraus lässt sich wiederum schließen, dass die USA mittlerweile so gut wie alle aktiven Steueroasen weltweit im Visier haben und offenbar auch über ausreichende Druckmittel verfügen, ihre Interessen durchzusetzen. Dies ist besonders pikant, weil die USA selbst mehrere Steueroasen betreiben, die sie anscheinend nicht gewillt sind aufzugeben. Damit finden sie sich zudem in Übereinstimmung mit ihrem engsten Verbündeten, Großbritannien, das seinerseits plant, einige der eigenen Steueroasen zu behalten und sie jedenfalls einmal vom FACTA-Abkommen (Foreign Account Tax Compliance) über die automatische Weitergabe von Bankdaten von US-Bürgern an die US-Behörden fernhalten, indem sie weiterhin Vehikel bereitstellen, in denen Vermögen mit absoluter Sicherheit versteckt werden können.

Delaware, Miami, Jersey, Guernsey und Hongkong?

So bietet der Bundesstaates Delaware neben erheblicher Steuervergünstigungen eine Limited Liability Comany (L.L.C.), das amerikanische Gegenstück zur GmbH, die den Investoren komplette Anonymität garantiert und wobei nicht einmal die Namen des Managements in das Handelsregister eingetragen werden müssen – was die FACTA-Auskunftspflichten vollständig unterlaufen würde. Großbritannien hat sich hingegen nur bereit erklärt, die Steueroasen in den karibischen Überseegebieten einzuschließen, die besonders viel US-Kundschaft anziehen, nicht aber die Kanalinseln Jersey und Guernsey. Denn diese wären autonomer Kronbesitz mit eigenem Rechts- und Steuersystem, die lediglich der Königin unterstehen würden und nicht einmal zur EU gehörten.

Würden indes alle britischen Steueroasen trockengelegt, bekäme die Londoner City erhebliche Probleme und liefe vermutlich Gefahr, weite Teile ihres internationalen Geschäfts zu verlieren, was wohl keine britische Regierung riskieren wird. Wären Briten und USA sich aber einig, ihre Steueroasen zu behalten, werden sie dies wohl auch gegen den (vermutlich überschaubaren) Widerstand durchsetzen können, den etwa die Alpenländer dem entgegensetzen werden.

Sollten die USA und Großbritannien es ihrem internationalen Ruf zumuten wollen, als weltweit letzte Steueroasen übrig zu bleiben, hätten sie jedenfalls mehr Chancen, dem internationalen Druck standzuhalten, als die asiatischen oder lateinamerikanischen Alternativen, die wie etwa Dubai, Singapur, Panama und Curacao, bislang noch ähnlich diskrete Services anbieten wie ehedem die Alpenländer. So muss nach dem Einlenken Singapurs wohl damit gerechnet werden, dass auch die anderen bislang sicheren Häfen auf Druck der USA bald fallen werden wie die Dominosteine.

Folglich bliebe als einzige Steueroase, die dem Druck vermutlich standhalten könnte, wohl nur noch Hongkong, das sich mit China im Rücken derartige Services wohl schon aus Nationalstolz kaum untersagen lassen würde – und gegenüber den USA wohl über mindestens ebenso starke Druckmittel verfügt.

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