Donnerstag, 28. März 2024
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„Pimp my BIP!“ – Die offizielle Manipulation des europäischen BIPs rächt sich

Um die dramatische Schuldensituation zu verschleiern, rechnete die EU ihr Bruttoinlandsprodukt künstlich hoch. Die höheren Mitgliedsbeiträge ärgern London und Den Haag. Am drohenden Euro-Crash ändern sie nichts.

[[image1]]Der Plan war simpel: 40 Jahre Sozialismus haben Europa schuldensüchtig werden lassen. Ohne immer noch größere Dosen des süßen Giftes würden Ökonomien wie Frankreich heute zusammenbrechen. Um den Anteil der Schulden am BIP wenigstens optisch zu verringern, erhöhte man die BIPs aller Mitgliedsländer am Papier. Damit sinken die relativen Anteile der Schulden und alles ist gut

Wohlstand durch Prostitution

In der Nacht zum 1. Oktober waren die Träume vieler Österreicher wahr geworden, sie waren im Schlaf reicher geworden. Insgesamt um 9,5 Milliarden Euro! Leider jedoch nur am Papier.

Schon 2009 hatte die Statistik Austria unser Volkseinkommen mit einem Federstrich auf dem Papier einfach um 5% angehoben. Mit der Begründung, die Schattenwirtschaft auch mit einbeziehen zu müssen. Dass „Pfuscher“ naturgemäß keine Steuern zahlen (von denen man Schulden bedienen könnte) und ihr Anteil einfach mit 5% willkürlich angenommen wurde, störte niemanden. Im Gegenteil: Jetzt haben die Statistiker auch noch Zigarettenschmuggel, Prostitution und Drogenhandel in der Höhe von 460 Millionen Euro zum alpenländischen BIP dazugerechnet. Wer da wohl gezählt und bewertet haben mag?

Schwarzarbeiter gesucht!

Die „rechtliche“  Basis kommt vom statistischen Zentralamt der EU, Eurostat: Dieses hatte das „Europäische System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung“ (ESVG) von 1995 umgearbeitet. Mit einem Ergebnis, das Politikeraugen zum Leuchten bringt: Ohne mit einer einzigen Reform auch nur eine einzige Wählerstimme vergrault zu haben, steigerte man alleine das BIP Österreichs von 313,1 Mrd. Euro auf 322,6 Mrd. Euro. Damit machen die Staatsschulden von 233,3 Mrd. Euro nun nicht mehr hässliche 74,5%, sondern ansehnlichere 72,3% aus.

Prostitution und Schwarzarbeit lohnen sich: Weil diese „Wirtschaftszweige“ in Italien stärker ausgeprägt sind als hierzulande, stieg das italienische BIP durch die Neuberechnung auch entsprechend stärker an. Italiens Schuldenquote sank von 132,6% (des BIPs) auf lange nicht mehr gekannte 127,9%!

Rechnung ohne Wirt

Leider bedingt das nun höhere BIP Italiens nun auch einen höheren EU-Beitrag. 340 Millionen soll Rom künftig mehr nach Brüssel überweisen – ohne dafür aber mehr Staatseinnahmen zu haben.

Besonders hart trifft es die Briten mit 2,1 Mrd. Euro Nachzahlung und die Holländer mit 643 Mio.. Bei ihnen wirkt sich ein anderer Eurostat-Trick aus: Jetzt rechnet man auch Investitionen und Rüstungsausgaben als „Wertschöpfung“ dem BIP hinzu. Das trifft Länder mit innovativen Konzernen oder großen Militäretats dann doppelt. Zwar ist deren BIP am Papier soeben kräftig erhöht worden – tatsächlich haben ihre Gesellschaften aber eigentlich gerade viel Geld ausgegeben und haben nun keines, um die Nachzahlungen zu finanzieren.

Keynes-Pleite

Es rächt sich, dass man Europas Universitäten und Schulbücher seit den 1970ern konsequent von Nicht-Keynesianern gesäubert hatte. Dabei war das Postulat Keynes, Staatsausgaben auf Pump würden aufgrund des Multiplikator-Effektes zu höheren Einkommen führen, spätestens mit Milton Friedman 1963 widerlegt worden[1]: Wenn der Staat 100 Euro Kredit aufnimmt, um einen ökonomisch unrentablen Eisenbahntunnel zu bauen (was in Österreich ja immer wieder einmal vorkommt) – dann haben Bauarbeiter und Einzelhandelsverkäufer zwar um insgesamt 300 Euro mehr an Einkommen[2], aber derjenige, welcher dem Staat die 100 Euro (über den Kauf einer Staatsanleihe) geborgt hatte,  muss nun auf Konsum verzichten – und entzieht dem BIP über einen negativen Multiplikator nun gleich viel Substanz.

Letztendlich hat der Staat um 100 Euro mehr Schulden und die Bürger um 100 Euro mehr Einkommen. Für Menschen ohne Staatsanleihen schmilzt das Einkommen aber auf 90 – denn der Staat tilgt Schulden prinzipiell nicht, sondern zahlt bis zum Sanktnimmerleinstag nur die Zinsen. Das bedeutet höhere Steuern und sinkende Reallöhne.

Entziehungskur: Heute!

Wem das beim Blick auf Gehaltskonto und Jahreslohnzettel bekannt vorkommt, lebt in einem schuldensüchtigen Land wie Österreich.

Die öffentlichen Geldspritzen bewirken längst das Gegenteil: 2012 erhöhte Frankreichs seinen Schuldenberg um 4,8-Punkte (!), das BIP stagnierte aber nur mehr bei Null. Wenn man von einer Droge immer mehr nehmen muss, um dann irgendwann gar keinen Nutzen mehr daraus zu ziehen, dann steht man entweder vor dem Kollaps – oder der Entscheidung, eine Entziehungskur zu beginnen. Und der beste Tag sie zu beginnen ist: heute!

Die Schweiz und Schweden haben es vorgemacht. Reformen beim Arbeitsmarkt und bei Pensionen bringen schnelle Erfolge. Und die Schuldenstände sinken, wenn ein Patient (bzw. ein Volk) das ehrlich will. Und wenn es sich mit seiner Politikerkaste endlich eingesteht, dass man am Rande des Kollaps steht und sein Leben umstellen muss.


[1] The relative stability of Monetary Velocity and the Investment multiplier in the US 1897-1958, Milton Friedman, David Meiselman, Commission on Money and Credit, 1963

[2] Multiplikator-Effekt: Nimmt der Staat 100 Euro Kredit auf und investiert es in ein staatliches Bauwerk, dann erzielt der Arbeiter  um 100 mehr Einkommen. Er spart vielleicht ein Drittel und gibt 67 Euro im Kaufhaus aus. Die Verkäuferin dort erzielt nun 67 Euro Einkommen. Auch sie spart etwas und gibt den Rest aus (usw.). Letztendlich hätten die 100 Euro Staatsausgaben theoretisch zu insgesamt 300 Euro mehr BIP geführt – der Multiplikator wäre also 3.

 

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