Donnerstag, 3. Oktober 2024
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Italien am Abgrund

Die Finanzmärkte sehen Italien wieder deutlich skeptischer als noch vor dem Sommer. Bei der Versteigerung von einjährigen Staatsanleihen sind am Mittwoch die Renditen auf ihren höchsten Stand seit Dezember gestiegen. Und am Dienstag haben zehnjährige italienische Staatsanleihen zum ersten Mal seit anderthalb Jahren höher als spanische rentiert.

[[image1]]Mit 4,52 Prozent sind die Renditen der zehnjährigen Anleihen weit entfernt von dem Niveau Ende 2011, als Silvio Berlusconi vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktrat. Aber die Entwicklung an den Finanzmärkten illustriert deutlich, dass Investoren das Land zunehmend negativ beurteilen.

Für Nervosität gibt es genug Gründe. Italien bewegt sich seit Jahren am Rande des Abgrunds und rückt dem gerade wieder ein Stückchen näher. Die politische Unsicherheit macht Hoffnungen auf eine Erholung der Wirtschaft zunichte. Anfang der Woche meldete das nationale Statistikamt, dass die Wirtschaft im zweiten Quartal zum achten Mal in Folge geschrumpft ist. Im Jahresvergleich ist das Bruttoinlandsprodukt zwischen April und Juni um 2,1 Prozent zurückgegangen. Italiens Notenbankgouverneur Ignazio Visco stellt für die kommenden Monate zwar ein Auslaufen der Rezession in Sicht, doch das Polittheater um Silvio Berlusconi, das in Neuwahlen enden könnte, macht diese Prognose nicht sehr wahrscheinlich.

Koalition könnte zerbrechen

Bislang ist Berlusconis politische Zukunft weiter offen. Der Immunitätsausschuss des Senats hat eine Abstimmung über Berlusconi vertagt. Berlusconis Partei PdL will eine Entscheidung so lange wie möglich hinauszögern. Mehrere einflussreiche PdL-Mitglieder haben bereits zu verstehen gegeben, dass es zu einem Bruch der Regierungskoalition komme, wenn die PD von Ministerpräsident Enrico Letta die Verzögerungstaktik durchkreuzen sollte.

Zerbricht aber die Koalition, droht Italien politisches Chaos. Präsident Giorgio Napolitano könnte versuchen, eine anders geartete Mehrheit zu organisieren. Auf Basis des letzten Wahlergebnisses, bei der Rebell Beppe Grillo mit seiner Protestbewegung überraschend gut abschnitt, ist dies jedoch wenig Erfolg versprechend. Sollte es zu Neuwahlen kommen, sind klare Verhältnisse keinesfalls garantieret. Experten befürchten, dass erneut ein Patt droht und sich Parteien gegenseitig blockieren werden. Wenn EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso davon spricht, dass politische Risiken derzeit die größten in Europa seien für den zerbrechlichen Aufschwung, hat er mit Sicherheit Italien im Blick.

Mangel an Rechtssicherheit

Ohne handlungsfähige Regierung kann Italien nicht die Reformen in Angriff nehmen, die es dringend benötigt. Der Autohersteller Fiat hat bereits angekündigt, das Land zu verlassen, wenn die Regierung die Rechte der Gewerkschaften nicht neu regelt. Die kommunistische Metallarbeitergewerkschaft Fiom-CGIL hatte den Konzern mit über 60 Prozessen überzogen und vor dem Verfassungsgericht Recht bekommen. Im Kern geht es darum, dass Fiat mit zwei anderen Metallgewerkschaften Vereinbarungen unterzeichnet hatte, der die Mehrheit der Belegschaft zustimmte. Die Fiom-CGIL fühlte sich ausgeschlossen, was das Verfassungsgericht bestätigte. Sie fordert nun Neuverhandlungen über alle Themen. Fiat kritisierte, dass mit dem Urteil die Rechtssicherheit in Frage gestellt worden sei.

Der Mangel an Rechtssicherheit und ausufernde Bürokratie treibt gerade Mittelständler in Italiens Nachbarländer. Österreich verzeichnet wachsendes Interesse als alternativer Standort. Viele kleine und mittlere Unternehmen fühlen sich zudem von keinem Unternehmensverband vertreten.

Während Italien als Unternehmensstandort an Attraktivität einbüßt, muss sich die Regierung aktuell auch noch mit zwei maroden Banken beschäftigen. Die EU-Kommission fordert, dass die angeschlagene Monte Paschi di Siena ihr Kapital bis 2014 um 2,5 Milliarden Euro erhöht als Gegenleistungen für die Staatshilfen. Im Frühjahr war nur von einer Kapitalerhöhung von einer Milliarde Euro die Rede. Ende des Monats will die Bank einen neuen Restrukturierungsplan beschließen. Die Nachrichtenagentur Reuters meldet zudem Probleme beim Institut Carige aus Genua, der zehntgrößten Bank des Landes. Die italienische Notenbank spricht von „hochriskanten“ Deals mit Derivaten, die das Haus in eine Schieflage gebracht haben. Die Bank will sich 800 Millionen an Eigenkapital beschaffen, doch dies reicht nach Einschätzung der Aufseher womöglich nicht aus.

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