Freitag, 29. März 2024
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David Cameron in der Zwickmühle

Mehr als 100 konservative Parlamentarier stimmten aus Wut über die Europapolitik gegen die Regierungserklärung ihres eigenen Premierministers. Ärger hat der auch mit seinem Koalitionspartner. Der britische Euro-Krimi wird immer absurder.

[[image1]]Premierminister David Cameron weilte in New York während in seiner Heimat die Euro-Rebellen feierten. 116 Abgeordnete seiner eigenen Partei – etwas mehr als ein Drittel der konservativen Fraktion im britischen Unterhaus – stimmten am Mittwochabend gegen das Programm der konservativ-liberalen Regierung. Dies waren deutlich mehr als erwartet. Sie drückten damit „unser respektvolles Bedauern aus“, dass in diesem Parlamentsjahr kein Gesetzentwurf eingeplant ist, um den Weg für eine Volksabstimmung über die britische EU-Mitgliedschaft zu ebnen. So höflich war der Antrag formuliert, der eigentlich eine kräftige Ohrfeige für den Premier darstellte.  Erstmals seit 1946 votierten damit in England Abgeordnete gegen das Programm ihrer eigenen Regierung. Die konservative Partei verfügt im Parlament über 305 der insgesamt 650 Sitze. Eine Mehrheit erhielt der Antrag nicht, da sowohl die Liberaldemokraten als auch die Labour-Partei ihm erwartungsgemäß die Unterstützung versagten. Für Camerons Autorität bedeutet das Abstimmungsergebnis trotzdem einen herben Schlag, weil die Mehrheit der Gegner aus seiner Partei stammen.

Nun geht es in die nächste Runde

Der Grund für die Rebellion vieler Tories? Nach dem guten Abschneiden der eurokritischen UKIP-Partei bei den Kommunalwahlen am 2. Mai hat viele von ihnen Panik erfasst. Cameron hatte im Januar in einer viel beachteten Rede die Volksabstimmung über EU-Verbleib oder Austritt für 2017 versprochen und dies an einen Wahlsieg der Konservativen in zwei Jahren geknüpft. Doch viele Hinterbänkler trauen seinem Versprechen nicht, sie fordern dass das Votum bereits jetzt gesetzlich verankert wird.  Den rechten Flügel erboste deshalb, dass das Referendum über den britischen EU-Austritt in der Regierungserklärung nicht erwähnt wurde. Cameron ergriff in Anbetracht des wachsenden Unmutes  die Flucht nach vorne und ließ in den letzten Tagen eilig einen Gesetzentwurf ausarbeiten, um das Referendum bis 2017 rechtlich bindend zu machen. Genützt hat es ihm nichts: denn die Rebellen ließen sich nicht besänftigen und begehrten trotzdem gegen die Regierungserklärung auf. Doch der neue Gesetzentwurf liegt jetzt auf dem Tisch.

Innerparteiliche Rivalen lecken Blut

Die Liberaldemokraten allerdings erfreut das nicht, weswegen die neue Gesetzesinitiative  auch nicht von der Koalition sondern von einem konservativen Hinterbänkler ins Parlament eingebracht wird.  Als „Private Member Bill“  muss der Entwurf nun viele Hürden überwinden, seine Chancen Gesetz zu werden sind angesichts des Widerstandes von Libdems und Labour äußerst gering. Die Koalition steht dennoch vor einer Zerreißprobe. Auch die Konservativen selbst sind in der Frage der Mitgliedschaft des Landes in der EU gespalten. Einige wollen sofort austreten, andere wollen bleiben, verlangen aber grundlegende Reformen und eine neue lockere Beziehung zwischen Großbritannien und der Gemeinschaft. Für Cameron selbst besteht die Gefahr, endgültig alle Autorität zu verlieren und in der immer hitzigeren Kontroverse aufgerieben zu werden. Seine innerparteilichen Gegner haben Blut geleckt und bringen sich mit scharfer anti-europäischer Rhetorik bereits für seine Nachfolge in Stellung. So erklärte Erziehungsminister Michael Gove,  er würde sofort für den EU-Austritt stimmen, wenn heute ein Referendum stattfände. Daraufhin fühlte sich Verteidigungsminister Philip Hammond bemüßigt zu bekennen, auch er wünsche sich einen möglichst schnellen Abschied. Gove schürte Spekulationen über einen Putsch gegen den Premier noch mehr als er erklärte, er betrachte sich als politischer Erbe des ehemaligen Labour-Premiers Tony Blair.

Polit-Prominenz von gestern wirft sich ins Zeug

Wie sehr der Premier die Kontrolle verliert zeigt sich daran, dass seine eigenen Kabinettsmitglieder mittlerweile in einer so entscheidenden Frage in aller Öffentlichkeit von seiner Linie abweichen. Denn Cameron selbst hatte wiederholt betont, er sei für den Verbleib in der EU, wolle allerdings Reformen der Union und Konzessionen für Großbritannien aushandeln.  Das halten einige euroskeptische Mitglieder seiner Partei von vorne herein für unrealistisch, in Ex-Finanzminister Nigel Lawson fanden sie nun einen prominenten Fürsprecher. Kurz nachdem vergangene Woche Ex-Finanzminister Lord Lawson für einen sofortigen Austritt aus der EU plädiert hatte, stieß der ehemalige Finanzminister Lord Lamont ins gleiche Horn. Auch der ehemalige Verteidigungsminister Michael Portillo gab ungefragt bekannt, Großbritannien stehe ohne die EU viel besser da. Zugleich bescheinigte Portillo dem jüngeren Gove, er sei ein „ernstzunehmender Kandidat für künftige Führungspositionen“ – eine Aussage die Cameron im fernen New York erfreut haben dürfte. Der Premier selbst ließ jedoch nur verlauten, er sehe die Rebellion zu Hause „sehr entspannt“.

Nadine bandelt mit UKIP an

So kunterbunt geht es mittlerweile zu, dass sogar die Tory-Hinterbänklerin Nadine Dorries noch einen draufsetzen musste. Dorries, die erst kürzlich vorübergehend von der Fraktion suspendiert worden war, weil sie sich im australischen Dschungel für die Reality- Fernsehshow „I`m a Celebrity …. Get Me Out of Here“ filmen ließ, denkt laut darüber nach, sich bei den nächsten Wahlen mit UKIP verbünden und in ihrem Wahlkreis als gemeinsame Tory-UKIP-Kandidatin aufstellen zu lassen. Bereits in der Vergangenheit hatte die  55-jährige Abgeordnete aus dem Arbeitermilieu ihrer Verachtung für Cameron und Finanzminister George Osborne freien Lauf gelassen. Die beiden – Absolventen des Eliteinternates Eton und der Universität Oxford – seien doch nur „Posh Boys“ aus der Oberschicht, lästerte sie damals.

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