Donnerstag, 5. Dezember 2024
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Basel IV: Die obersten Regulierer für Banken

Bild © CC Alexas_Fotos/Pixabay (Ausschnitt)

Beim letzten Meeting in Santiago de Chile hat es keine Einigung gegeben, doch der „Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht“ kämpft weiterhin um einen Kompromiss – nach der Devise: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Das international besetzte Gremium will die Geldinstitute weiterhin mit höchst unangenehmen Spielregeln quälen, doch die amerikanischen und die europäischen Mitglieder  trennt eine tiefe Kluft. Im Prinzip geht es darum, ob die Europäer das drohende Regelwerk, das ihnen bis zu 300 Milliarden Euro mehr an Eigenkapital abverlangen würde,  noch verhindern können.

In den kommenden Wochen, womöglich sogar Monaten wird sich weisen, ob die nach der Stadt Basel benannte Institution, die der Bankenbranche mit dem immer noch nicht umgesetzten Basel III-Paket bereits riesige Auflagen verordnet hatte, die Geldhäuser noch mehr unter Druck setzt – oder ob die jahrelange Regulierungswut doch noch gestoppt wird. Was heute als weltweites Schreckgespenst der Bankiers gefürchtet wird, wurde  bereits 1974 auf Initiative der Zentralbanken der G10-Staaten gegründet. Das – wie es auf Englisch firmiert – Basel Committee of Banking Supervision (BCBS) – ist seit damals in Basel bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) angesiedelt und hat es sich zur Hauptaufgabe gemacht, internationale Standards  in Form von Richtlinien und Empfehlungen für die Aufsichtsbehörden von Kreditinstituten zu erarbeiten, um damit die weltweite Stabilität der Finanzmärkte zu stärken. Diese rechtlich nicht bindenden Richtlinien werden im Normalfall in nationales Recht umgesetzt –  etwa via EU-Richtlinien – , könnten jedoch auch ignoriert werden, weil das Komitee mangels Legitimität letztlich nur beratende Funktion hat.

Heute gehören dem Baseler Ausschuss, der alle drei Monate zusammentritt, die Repräsentanten der Zentralbanken und Aufsichtsbehörden von 27 Ländern an – neben den Vertretern der zehn führenden Industrienationen auch Delegierte aus Argentinien, Australien, Brasilien, China, Hongkong, Indien, Indonesien, Korea, Luxemburg, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Singapur, Südafrika, Spanien  und der Türkei an (siehe Tabelle unten). Zum Kreis der Mitglieder, der im Jahr 2009 gleich um 14 erweitert worden ist, zählt auch die Europäische Zentralbank (EZB).

Europas wichtigste Aufpasser

Der  Baseler Ausschuss wird seit fünf Jahren von Stefan Ingves, dem Gouverneur der Schwedischen Zentralbank als Chairman geleitet, dem mit William Coen ein langjähriger einschlägiger Experte als Generalsekretär zur Seite steht. Die europäischen Keyplayer sind letztlich die obersten Repräsentanten aus drei Ländern:

O  Aus Deutschland ist die 52-jährige EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger bereits seit acht Jahren – ehemals als Vertreterin der Bankenaufsicht BaFin und Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank – in einer zentralen Rolle mit von der Partie. Weitere Schwergewichte im Meinungsbildungsprozess sind der 48-jährige  Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, der vor seinem nunmehrigen Job Kanzlerin Angela Merkel als Berater für Wirtschafts- und Finanzpolitik zur Seite gestanden war, und  der 55-jährige Felix Hufeld, der seit März 2015 der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als Präsident vorsteht.

O  Frankreich ist  in diesem erlauchten Kontroll-Zirkel mit dem erst seit einem Jahr amtierenden Boss der Banque de France,  Francois Villeroy de Galhau, 57, vertreten, weiters mit Édouard Fernandez-Bollo, dem Generalsekretär der Aufpasserorganisation ACPR (Autorité de contrôle prudentiel  et de résolution) und schließlich mit Danièle Nouy, der früheren Generalsekretärin der Baseler Institution, die nunmehr als oberste Bankenaufseherin der EZB-Erfindung „Single Supervisory Mechanism“ (SSM) fungiert.

O Das Vereinigte Königreich setzt primär auf den gebürtigen Kanadier Mark Carney​,  49, einen ehemalige Goldman Sachs- bzw. Bank of Canada-Manager, der seit Mitte 2013 als Gouverneur der Bank of England fungiert, übrigens als erster Ausländer auf diesem Posten in der 319-jährigen Geschichte der englischen Zentralbank. Er fiel bislang vor allem deshalb auf, weil Kanada die seinerzeitige Finanzkrise im Vergleich zu anderen Staaten ohne größere negative Konsequenzen überstehen konnte.

Den genannten Top-Kontrolloren steht – so wie ihren Kollegen aus anderen Ländern – ein Heer einschlägiger Experten zur Seite, die für den Baseler Ausschuss seit Jahren unentwegt eine Flut von Studien, Gutachten, Arbeitspapieren und was weiß der Teufel noch alles produzieren. Im Grunde genommen muss ihr ureigenstes Interesse sein, die Geldinstitute an eine möglichst kurze Leine zu nehmen, um damit teilweise skandalöse Fehlentwicklungen, die es vor der großen Bankenkrise zuhauf gegeben hat, zu vermeiden. Dieses Bestreben, die Europäer im Prinzip mit den US-Amerikanern einen sollte, ist allerdings in einen transatlantischen Konflikt gemündet: Die US-Ausschussmitglieder  wollen, getrieben von Lobbys wie der American Bankers Association, Spielregeln durchboxen, die von den vergleichsweise schwächeren Großbanken am alten Kontinent als geradezu existenzbedrohend empfunden werden – was nicht verwundert, denn die haben das gestrenge, 2010 verabschiedete Regelwerk Basel III noch nicht verdaut. Würden sich die Amis letztlich durchsetzen, wäre wohl die Versorgung der europäischen Realwirtschaft mit Krediten noch mehr als ohnedies schon gefährdet.

Starke Achse Berlin-Paris

Deshalb bilden EU- und andere Politiker seit Monaten eine starke Phalanx, die im Interesse der europäischen Geldhäuser Widerstand gegen die drohenden Vorhaben leisten, allen voran EU-Finanzmarkt-Kommissar Valdis Dombrovskis: Er hat bereits Ende September deutliche Korrekturen bei der geplanten Offensive gefordert. Naturgemäß müssen folglich auch die obersten Repräsentanten der europäischen Notenbanken ihren regulatorischen Eifer einbremsen und die übergeordneten Interessen in den Vordergrund rücken. Der deutsche Bundesbank-Präsident Weidmann etwa stellte kürzlich klar:   „Wir brauchen Regeln, die einerseits die unternehmerische Risikobereitschaft nicht unnötig belasten und anderseits die Finanzstabilität wirksam sichern“. Sein Fazit lautete: „Aus Basel III darf kein Basel IV werden“.

Weidmanns französischer Kollege Villeroy de Galhau  sprach sich schon längst immer wieder gegen die angedachten Maßnahmen aus, und BaFin-Präsident  Hufeld drohte gar, die Verhandlungen platzen zu lassen. Grund: Die  europäischen Banken sind längst auf den Barrikaden, weil sie eine zusätzliche signifikante Erhöhung der Mindestkapitalanforderungen fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Deshalb haben etwa die Branchenverbände in  den Niederlanden, Dänemark, Schweden und Finnland in einer konzertierten Aktion die Befürchtung geäußert, dass derartige Weichenstellungen das Wirtschaftswachstum in ihren Ländern dämpfen würden.

Der Basler Ausschuss, der an sich zur Stärkung des internationalen Bankensystems beitragen und vorhandene Lücken im internationalen Bankaufsichtssystem schließen soll, steht damit vor einer Zerreißprobe: Einerseits fordert etwa EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger  angesichts der Tatsache, dass  „Banking seit Jahren ein globales Geschäft“ ist, eine globale, einheitliche  Regulierung, um  die Stabilität sicherzustellen. Sonst würde nämlich etwas eintreten, wovor zum Beispiel die Ratingagentur Fitch warnt: Die Regeln in beiden Regionen würden auseinander driften, womit es noch schwieriger wäre, die Stärke unterschiedlicher Banken miteinander zu vergleichen. Deshalb forderte etwa Claudio Borio, Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die Bankenaufseher  eindringlich auf, die neuen Kapitalvorschriften nicht zu verwässern, sondern möglichst rasch zu verabschieden.

Anderseits wollen sich die europäischen Top-Kontrollore, ähnlich wie auch der japanische Zentralbank-Chef  Haruhiko Kuroda, keinesfalls einem Diktat der US-Kollegen beugen – nur weil diese damit argumentieren, dass Banken in den Staaten mit strengeren Vorgaben konfrontiert seien als die europäischen. Im Gegenzug wird behauptet, dass Europa in Wahrheit die Hauptlast der schärferen Kapitalregeln zu tragen hätten und nicht noch weiter belastet werden dürfen. Das heißt also: Beide Seiten glauben, dass ihre Geldinstitute jeweils zu stark reglementiert und folglich eindeutig benachteiligt seien.

Kompromiss schon im Jänner?

Trotz dieser scheinbar ausweglosen Patt-Situation zeigt sich zumindest der Ausschuss-Chairman Stefan Ingves optimistisch, dass eine baldige Einigung bei einem Sondertreffen des Baseler Gremiums erzielbar sei und die  angepeilten Kompromissvorschläge schon im Jänner von den Chefs der Notenbanken und Bankaufsichtsbehörden abgesegnet werden können. Dabei würden dem Vernehmen nach kleinere Kreditinstitute weitaus besser aussteigen als systemrelevante Geldhäuser wie die Deutsche Bank, für die wohl eine strengere Verschuldungsquote festgeschrieben werden dürfte. Diese könnte freilich wiederum durch längere Übergangsphasen abgefedert werden. Knackpunkt in den kommenden Verhandlungen werden mit Sicherheit die derzeit üblichen bankinternen Modellen zur Berechnung der Risiken und  die Berechnung von Risikopositionen in den Bankbilanzen sein. Insbesondere  die Deutschen wehren sich gegen  den von den USA-Vertretern geführten Feldzug für die Eindämmung der in Europa gebräuchlichen Risikomodelle.

Die EZB, die 127 Großbanken direkt beaufsichtigt – 3.200 kleinere Institute der Eurozone werden von den nationalen Aufsehern überwacht – möchte jedenfalls in den nächsten drei Jahren diese internen Modelle prüfen, mit denen risikogewichtete Aktiva berechnet werden. Erklärtes Ziel ist, dass Banken künftig nicht zu hohe Risiken eingehen, um profitabler zu werden – damit stellen die Aufpasser letztlich die Überlebensfähigkeit von Geschäftsmodellen auf den Prüfstand. Die Zwangsjacke, in die Geldhäuser in Folge der großen Krise gesteckt wurden, wird also tendenziell nicht gelockert. Womit von der vielerorts herbeigesehnten Deregulierung der Bankenbranche, für die offenbar der nächste  US-Präsident  Donald Trump einzutreten scheint, keine Rede  sein kann.

In Kürze lesen Sie in Teil 3 dieser Serie, dass die Vorschriften für Banken  dringend entrümpelt werden müssten

Tabelle

Der Basler Ausschuss

Das sind die wichtigsten Bankenaufseher der Welt, die Beobachter im gefürchteten Regulierungs-Gremium und die Institutionen, mit denen der Basler Ausschuss zu kooperieren pflegt.

  1. Die Mitglieder:

Aus 27 Ländern stammen die folgenden Institutionen mit ihren obersten Repräsentanten:

Land Institution Gouverneur / Chairman / Präsident
Argentinien Banco Central Argentina Federico Adolfo Sturzenegger
Australien Reserve Bank of Australia Philip Lowe
Australian Prudential Regulation Authority (APRA) Wayne Byres
Belgien National Bank of Belgium Jan Smets
Brasilien Banco Central do Brazil Ilan Goldfajn
China People’s Bank of China Zhou Xiaochuan
China Banking Regulatory Commission Shang Fulin
Europäische Union Europäische Zentralbank (EZB) Mario Draghi
EZB Single Supervisory Mechanism (SSM) Danièle Nouy
Frankreich Banque de France Francois Villeroy de Galhau
Autorité de contrôle prudentiel et de résolution (ACPR) Édouard Fernandez-Bollo
Deutschland Deutsche Bundesbank Jens Weidmann
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Felix Hufeld
Hong Kong SAR Hong Kong Monetary Authority Norman T.L. Chan
Indien Reserve Bank of India Urjit R. Patel
Indonesien Bank Indonesia Agus D.W. Martowardojo
Italien Banca d’Italia Ignazio Visco
Japan Bank of Japan Haruhiko Kuroda
Financial Services Agency Nobuchika Mori
Kanada Bank of Canada Stephen S. Poloz
Office of the Superintendent of Financial Institutions (OSFI) Jeremy Rudin
Korea Bank of Korea Juyeol Lee
Financial Supervisory Service Kwon Hyouk-Se
Luxemburg Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF) Claude Marx
Mexico Banco de Mexico Agustín Guillermo Carstens
Comisión Nacional Bancaria y de Valores Jaime González Aguadé
Niederlande De Nederlandsche Bank Klaas Knot
Russland Central Bank of the Russian Federation Elvira Nabiullina
Saudi Arabien Saudi Arabian Monetary Agency Ahmed Abdulkarim Alkholifey
Singapur Monetary Authority of Singapore Ravi Menon
Südafrika South African Reserve Bank E L Kganyago
Spanien Banco de Espana Luis M. Linde
Schweden Sveriges Riksbank Stefan Ingves
Finansinspektionen Erik Thedéen
Schweiz Schweizerische Nationalbank Thomas J. Jordan
Swiss Financial Market Supervisory Authority (FINMA) Mark Branson
Türkei Central Bank of Turkey Murat Çetinkaya
Banking Regulation and Supervision Agency (BRSA) Mehmet Ali Akben
Vereinigtes Königreich Bank of England Mark Carney
Prudential Regulation Authority (PRA) Sam Woods
USA Board of Governors of the Federal Reserve System Janet L. Yellen
Federal Reserve Bank of New York William C. Dudley
Office of the Comptroller of the Currency Thomas J. Curry
Federal Deposit Insurance Corp. (FDIC) Martin J. Gruenberg

2. Mit Beobachter-Status:

Land Institution
Chile Central Bank of Chile / Banking and Financial Institutions Supervisory Agency
Malaysien Central Bank of Malaysia
Vereinigte Arabische Emirate Central Bank of the United Arab Emirates
weitere Institutionen:
Basel Consultative Group (siehe unten)
Bank for International Settlements
 European Banking Authority (EBA)
Europäische Kommission
Internationaler Währungsfonds

3. Die Basel Consultative Group:

Die Mitglieder dieser von Karl-Friedrich Cordewener (Bank für Int. Zahlungsausgleich) und  Bryan Stirewalt (Dubai Financial Services Authority) geleiteten Gruppe sind:

Land Institution
Bulgarien Bulgarian National Bank
Chile Banking and Financial Institutions Supervisory Agency
China China Banking Regulatory Commission
Dänemark Danish Financial Supervisory Authority
Deutschland Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
Frankreich French Prudential Supervision and Resolution Authority (ACPR)
Georgien National Bank of Georgia
Kolumbien Unit of Financial Regulation
Malaysien Central Bank of Malaysia
Mexiko Comision Nacional Bancaria y de Valores
Neuseeland Reserve Bank of New Zealand
Norwegen The Financial Supervisory Authority of Norway
Österreich Finanzmarktaufsicht (FMA)
Peru Superintendencia de Banca Seguros y AFP
Philippinen Central Bank of the Philippines
Polen Polish Financial Supervision Authority
Qatar Qatar Financial Centre Regulatory Authority
Thailand Bank of Thailand
Tschechische Republik Czech National Bank
Tunesien Central Bank of Tunisia
Ungarn Central Bank of Hungary
Vereinigte Arabische Emirate Dubai Financial Services Authority
Financial Services Regulatory Authority
Abu Dhabi Global Market

4. Das weltweite Netz der Kontrollore:

Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht kooperiert mit

O  dem Financial Stability Board (FSB), Basel,
O  der Internationale Vereinigung der Versicherungsaufsichtsbehörden (International Association of Insurance Supervisors  – IAIS), Basel,
O  der Association of Deposit Insurers (IADI), Basel,
O  dem Committee on Payments and Market Infrastructure (CPMI), Basel,
sowie mit
O  der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF), Paris,
O  der Internationalen Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehörden (International Organization of Securities Commissions  – IOSCO), Madrid,
O  dem Internationaler Währungsfonds (IWF), Washington, sowie
O  der Weltbank  (World Bank), Washington.

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