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Artikel aus „fob.at“ / Über die Widersprüche im Prozess von Gert Schmidt

Widersprüche und Zensur, Bild © Steve Buissinne auf Pixabay (Ausschnitt)

Über die Widersprüche im Prozess von Gert Schmidt, fob.at, 18.05.2023

Das Urteil vom Montag, dem 15.05.2023, gegen Gert Schmidt und einen Unternehmensberater wird mit versuchter Bestimmung zu einer falschen Zeugenaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss begründet. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da die Anwälte bereits Rechtsmittel eingelegt haben. Das Verfahren war geprägt von äußerst skurrilen Zeugen und einer Vielzahl an Widersprüchen. Besonders die jeweilige Motivation der Zeugen im Prozess erscheint in einem schrägen Licht. Eine Reportage vom Straflandesgericht Wien.

„Automatenjäger und Ibiza-Aufdecker“

Der Herausgeber des investigativen Online-Magazins „EU-INFOTHEK“, Prof. Gert Schmidt, ist am Montag, dem 15. Mai, am Wiener Landesgericht wegen versuchter Bestimmung zur falschen Zeugenaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss zu neun Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Der mitangeklagte Unternehmensberater wurde zu einem Jahr auf Bewährung verknackt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Anonyme Anzeige bringt Stein ins Rollen

Der Prozess gegen „den Professor“ Schmidt fand aufgrund einer anonymen Strafanzeige statt (Anm. d. Red.: Im Juni 2010 wurde Schmidt der Berufstitel Professor von der damaligen Wissenschaftsministerin Beatrix Karl verliehen). Die Anzeige erfolgte unmittelbar nach den Aussagen von Peter Barthold im sogenannten Ibiza-Untersuchungsausschuss. Der Ausschuss untersuchte die mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung.

Anklageerhebung

Staatsanwältin und Anklägerin Grill-Bajorek warf den beiden Männern vor, sie hätten Barthold vor dessen Aussage im parlamentarischen Ibiza-U-Ausschuss am 30. September 2020 zu unzutreffenden Angaben verleiten wollen. 

Erster Verhandlungstag 13. April 2023

Neben den zwei Beschuldigten sagte auch Peter Barthold am ersten Prozesstag aus. Barthold ist ein ehemaliger Geschäftspartner des Glücksspielkonzerns Novomatic, der wiederkehrend juristische Auseinandersetzungen in der Vergangenheit mit dem Konzern geführt hatte. Dieser schilderte seine Sicht der Dinge und ging auf die Fragen des Richters *** ein. Laut Barthold erfolgte der erste Kontakt mit dem Unternehmensberater am 20. September 2020:

„Das war genau 10 Tage, bevor [ich] im parlamentarischen Untersuchungsausschuss geladen war.“ 

Das Treffen und die Vermittlung des Kontakts erfolgte durch einen Geschäftspartner von Barthold, ein ehemaliger Banker der Raiffeisen-Gruppe mit dem Namen K., der am zweiten Prozesstag als Zeuge ausgesagt hatte. Barthold erörterte in seiner Einvernahme seine derzeitige Motivation:

„Das war meine Agenda, das illegale Glücksspiel zu bekämpfen.“

So behauptete Barthold, dass ihm vom Unternehmensberater ein Angebot unterbreitet worden sei. Der Sold für die Tätigkeit zur Bekämpfung des illegalen Glückspiels hätte 6000 Euro im Monat inklusive Spesenkonto betragen sollen. Laut Aussagen von Barthold stand im Raum, ihm sei auch eine finanzielle Hilfe bei der Abwicklung seines Privatkonkurses zugesagt worden. Als Gegenleistung hätte Barthold den Glücksspielkonzern in einem günstigen Licht darstellen sollen.

Sowohl der Unternehmensberater als auch Gert Schmid bestritten beim Prozess die Aussage eines Angebots:

„Es ist zu keinem Zeitpunkt ein Angebot gekommen“.

Auch der Unternehmensberater hielt fest:

„Es hat kein Angebot gegeben.“

Wie glaubwürdig ist Peter Barthold?

Nun kommt ein wesentliches Detail zum Tragen: Im gesamten Prozess wurde weder ein Vertrag noch eine Chatnachricht noch eine Tonbandaufnahme vorgelegt, die ein derartiges Angebot schriftlich belegt hätte. Die Staatsanwaltschaft und der Richter stützten sich auf eine Chatnachricht des Zeugen Barthold. Dieser habe eine Nachricht an den ehemaligen Raiffeisen-Mann K. zukommen lassen. Darin verwendete Barthold den Terminus „Angebot“. Wenn man so will, ein Paradebeispiel für „vom Hören sagen“ oder Gerücht, das zu einem Faktum wurde. Ob Barthold dies erfunden oder dies im Gespräch im Sinne einer „selbsterfüllenden Prophezeiung“ verstanden hat, spielte keine Rolle mehr. Spätestens bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen Barthold hätte dies aber eine wesentliche Rolle spielen müssen. Die Frage stellt sich nämlich: „Wie glaubwürdig ist der Zeuge Peter Barthold? Und welche intrinsische Motivation hat Peter Barthold?“

Zweiter Verhandlungstag 15. Mai 2023

Der ehemalige Raiffeisen-Banker wurde am zweiten Verhandlungstag vom Richter zum Chatverlauf sehr intensiv befragt. Dieser stellte überraschenderweise sehr schnell fest, dass die Initiative zur Gesprächsanbahnung zwischen Barthold und dem Unternehmensberater von ihm kam. Die Frage, ob es eine Provisionsvereinbarung zwischen dem Ex-Banker und Barthold gegeben haben soll, negierte er. Dennoch hielt er fest, dass er bei einem erfolgreichen Deal zwischen Barthold und dem Glückspielkonzern Novomatic eine Provision verlangt hätte.

Darüber hinaus gab der Ex-Raiffeisen-Mann bekannt, dass er zum Zeitpunkt der Chatprotokolle depressiv gewesen sei und ein Alkoholproblem gehabt hätte. Er habe Barthold gegenüber lediglich “die Illusion aufrechterhalten” wollen, “dass ich ihm wirklich helfe” wolle. So gestand der Ex-Banker: “Ich war leider alkoholkrank und habe gelogen.”

Amtsbekannter „***“ im Zeugenstand

Besonders kurios war der Auftritt eines weiteren Zeugen, der sich dem Richter *** aus freien Stücken angeboten hatte. Der kurzfristig geladene Zeuge S. erhielt erstaunlich viel Zeit für seine Aussagen, zumal diese eigentlich nichts zur Aufklärung beitragen konnten. Der ehemalige Gelegenheitsinformant des LVT Wien berichtete über vermeintliche Morddrohungen gegen seine Person, einen angeblichen Mord am ehemaligen libyschen Ölminister Schukri Ghanim in Wien im Jahre 2012 und eine ebenfalls lange zurückliegende Geiselbefreiung in Libyen. Was das mit dem gegenständlichen Strafverfahren zu tun hatte, ist kaum erklärbar.

Ein rhetorischer Rundumschlag war es aber allemal. So wurde der Oberstaatsanwalt der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft***, mehrmals lautstark als „Lügenbaron“ bezeichnet. Warum die Staatsanwältin des Prozesses sich bei solchen Aussagen nicht zu Wort meldete, erscheint nicht nachvollziehbar.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die wortgleiche Diktion der Beschimpfungen des Oberstaatsanwalts am Twitter Account eines gewissen „Gustav Bader“ (Anm. d. Red.: Ein Fake-Account auf Twitter) zu beobachten.

Darüber hinaus wurde vom Zeugen S. dem ehemaligen Leiter des BVT, ***, viel Aufmerksamkeit geschenkt.

Nachdem sich der „***“ ausreichend über den Oberstaatsanwalt und dem ehemaligen BVT-Direktor ausgelassen hatte, wurden illegal aufgezeichnete Tonbänder von S. vor dem Gericht abgespielt. Es besteht der Verdacht, dass der Zeuge in der Vergangenheit Personen wiederkehrend illegal aufgenommen hat, um sich gegen Privatpersonen, Journalisten und anderen Geschäftspartnern abzusichern.

Die vorgelegten Tonbänder enthielten mehrere Sequenzen aus einem Gespräch vom 3. Jänner 2020 zwischen S., Gert Schmidt und dem Unternehmensberater. Aus dem gesamten Material erschien dem Richter lediglich eine einzige Aussage interessant. Dieser war zu entnehmen, dass Schmidt angekündigt hat, Barthold werde man “aufs Schafott bringen”. An dieser Stelle sei auch angemerkt, dass sich diese Aussage Monate vor dem Sachverhalt im Strafprozess zugetragen hat und nicht in einem Zusammenhang mit der Verhandlung gestanden ist. Umso mehr stellt sich die Frage, warum überhaupt dem Zeugen eine Bühne geboten wurde.

Grüner Knalleffekt ohne Auswirkung

Gegen Ende der Verhandlung, bei der Verlesung des Richters der sogenannten Ordnungsnummern kam es zu einer tatsächlichen Überraschung. Aus einer schriftlichen Stellungnahme des Unternehmensberaters ging hervor, dass die Aussagen des Barthold vom 13. März 2023 mehr als fragwürdig seien. Als Beweise wurden dem Gericht Bilder vorgelegt. Diesen Bildern sind Aufnahmen von Flipcharts vom stellvertretenden Klubdirektor der Wiener Grünen an Barthold zu entnehmen. Die Aufnahmen dürften in den Räumlichkeiten des Wiener Grünen Klubs erstellt worden sein. Diese beinhalten Fotos von Flipcharts, die wohl der Vorbereitung auf den parlamentarischen Untersuchungsausschuss gedient haben. Wenn man so will, ein Brainstorming vor der eigentlichen Aussage der geladenen Person Peter Barthold im Untersuchungsausschuss.

Der Anwalt des Zweitbeschuldigten hält fest:

„Zusammengefasst zeigen sich auffällige Übereinstimmungen zwischen den Themen auf den Flipcharts und den Fragen des Nationalratsabgeordneten Stögmüller.“

Urteil des Richters

Wegen versuchter Bestimmung zur falschen Zeugenaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss wurde der Unternehmer und Herausgeber Gert Schmidt zu neun Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Der Mitangeklagte Unternehmensberater fasste ein Jahr auf Bewährung aus.

Richter *** wertete die Verantwortung der Angeklagten am Ende aber als “Schutzbehauptungen”, wie er in der Urteilsbegründung betonte.

Es bestehe aus seiner Sicht “überhaupt kein Zweifel”, dass die beiden Angeklagten Barthold dazu bewegen wollten, vor dem U-Ausschuss in eine von ihnen vorgegebene Richtung auszusagen. Ihre Motivation wäre gewesen, eine “positive Presse für Novomatic” zu bewirken. “Es ist dokumentiert, was passiert ist”, hielt *** fest, “Sie können die schriftlichen Beweise nicht wegbringen”. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Best of Böse? Best of Peinlich

Bei den Zuhörern im Verhandlungssaal wimmelte es am ersten sowie am zweiten Prozesstag nicht nur an Vertretern von Medien, sondern auch an „Racheengeln“, die scheinbar eine Rechnung mit Schmidt begleichen wollten. Bei den anwesenden Personen handelte es sich aber nicht um eine „Satirebeilage als Jahresrückblick“, sondern vielmehr um eine Ansammlung an zynischen Kommentatoren und „bösen Pointen“. Treffender ist wohl die Formulierung „***“.

Ausblick

Zahlreiche bei der Gerichtsverhandlung anwesende Journalisten, die den Ausführungen des Zeugen S. lauschen konnten, warten nun gespannt auf das Protokoll der Hauptverhandlung. Jedenfalls ist aufgrund der vom Gericht hergestellten Tonaufnahme sichergestellt, dass sich Aussagen und Tonbandinhalte nachlesen lassen werden. Umso wichtiger wird es sein, dass das Protokoll vom zweiten Prozesstag wortwörtlich seinen Weg zu Papier wiederfinden wird.

Doch selbst da können bereits erste Zweifel aufkommen. So merkte der Richter bei seinem ersten Transkript der Verhandlung an, dass er sich trotz mehrmaligen „Abspielen, alles zu erfassen“, um Verzeihung bittet, wenn er „Teile falsch oder gar nicht verstanden haben sollte“.

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