Freitag, 19. April 2024
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Abhörvorwürfe gegen die USA überschatten EU-Gipfel

Die jüngsten Abhörvorwürfe in Richtung USA verhelfen dem EU-Gipfel in Brüssel zu unverhoffter Brisanz. Die offizielle Tagesordnung hatte bisher darauf hingedeutet, dass die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Treffen in Brüssel am Donnerstag und Freitag zwar eine Vielzahl von Themen behandeln, jedoch keine wichtigen Entscheidungen treffen würden.

[[image1]]Bei der Debatte zum EU-Gipfel im EU-Parlament in Straßburg hatte der Fraktionsführer der Sozialdemokraten, der Österreicher Hannes Swoboda die vorab bekanntgewordenen Gipfel-Schlussfolgerungen sogar als „sehr leer“ angeprangert.

Nachdem am Mittwoch bekannt wurde, dass der US-Geheimdienst NSA offenbar das Privat-Handy der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört hat, bekommt der Gipfel allerdings ein Thema mit Sprengkraft. Am Montag hatte die französische Tageszeitung „Le Monde“ berichtet, dass der NSA zwischen Dezember 2013 und Januar 2013 Tausende von Telefongesprächen in Frankreich abgehört haben soll. Frankreichs Präsident François Hollande hatte in der Folge schon angekündigt, die Spionage der USA beim Gipfel ansprechen zu wollen.

Harsche Reaktion aus Berlin

Berlin hat bisher ungewöhnlich deutlich auf die mutmaßliche Abhöraktion reagiert. Merkel hat mit US-Präsident Barack Obama telefoniert, um ihr mitzuteilen, dass sie die Abhöraktion, so sie denn bestätigt werden sollte, als nicht hinnehmbar empfinde. Am Donnerstag hat der deutsche Außenminister Guido Westerwelle den US-Botschafter in Berlin einbestellt.

Jenseits aller Aufregung ist allerdings noch nicht klar, was die Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfel bewirken können. Die nationale Sicherheit fällt nicht in die Kompetenz der Europäischen Union. Allerdings haben die EU-Staaten Interesse an einem Schulterschluss, denn wenn sie gemeinsam ihr Missfallen an der US-Praxis zum Ausdruck bringen, dann erhalten ihre Proteste mehr Gewicht.

Die jüngsten Beschuldigungen könnten auch Schwung in zwei EU-Dossiers bringen, die indirekt mit dem Thema in Verbindung stehen. Am Mittwoch bereits stimmten die Europa-Abgeordneten in Straßburg mit knapper Mehrheit dafür, das Swift-Abkommen auszusetzen, das den Austausch von Daten beim internationalen elektronischen Geldtransfer regelt. Die USA haben in der Vergangenheit den Zugriff auf Swift-Daten als zentral für den Kampf gegen den Terrorismus bezeichnet. Offenbar haben die USA aber in der Vergangenheit mehr Daten abgegriffen als erlaubt. Noch am Mittwoch erschien der Beschluss der Europa-Abgeordneten rein symbolisch, da zunächst die EU-Kommission einen Vorschlag zu einer möglichen Aussetzung des Abkommens machen müsste. Anschließend müssten zwei Drittel der EU-Mitgliedsstaaten dem zustimmen. Bisher sah es nicht nach einer solchen Mehrheit im Rat aus. Nach den jüngsten Enthüllungen könnte das Thema jedoch eine völlig neue Dynamik entfalten.

Neue Dynamik bei der Datenschutzverordnung

Dasselbe gilt für die EU-Datenschutzverordnung, über die der Innenausschuss des Europäischen Parlaments am Montag abgestimmt hat. Die Mitgliedsstaaten sind bisher weit von einer Einigung entfernt, vor allem der größte Mitgliedsstaat Deutschland hat sich bisher als Bedenkenträger und Bremser erwiesen. Frankreich möchte die neuen Datenschutzregeln nun schneller vorantreiben, die US-Konzernen wie Google Microsoft und Yahoo bisher ein Dorn im Auge sind. Die zuständige EU-Justizkommissar Viviane Reding hatte die Mitgliedsstaaten in der Vergangenheit mehrfach aufgefordert, das Thema beherzt anzugehen und der deutschen Bundeskanzlerin geraten, die Datenschutzrichtlinie zur Chefsache zu machen. Die Chancen darauf steigen.

Zur europäischen Großbaustelle Bankenunion sind beim EU-Gipfel keine konkreten Beschlüsse zu erwarten. Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) wird den Staats- und Regierungschefs beim Abendessen am Donnerstag die bevorstehende Bilanzprüfung der 128 größten europäischen erläutern. Die EZB will die Großbanken durchleuchten, ehe sie im Herbst 2014 die Bankenaufsicht übernimmt. Dabei will sie sicher gehen, dass sie keine Altlasten von den nationalen Aufsehern übernimmt. Bei der Debatte über den europäischen Abwicklungsmechanismus wird kein Durchbruch erwartet. Die Erneuerung der Wirtschafts- und Währungsunion steht erst beim Gipfel im Dezember auf dem Programm.
 

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