Samstag, 27. April 2024
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Zankapfel Jugendarbeitslosigkeit

7,5 Millionen Jugendliche ohne Job und keine Aussicht auf Besserung. In Griechenland, Portugal und Spanien ist zudem eine Verschlimmerung der Situation zu verzeichnen, das sollte zu denken geben. Die Gelder aus Brüssel werden kaum reichen, um einen Flächenbrand zu verhindern. Die Mitgliedstaaten sind gefordert!

[[image1]]Wien. Jugendarbeitslosigkeit ist Dynamit für die Gesellschaft. Während sich Österreich und Deutschland diesbezüglich ganz gut halten, eskaliert die Lage in den Krisenherden der Union. Griechenland und Spanien sind besonders betroffen. Was braucht es, um der tristen Lage Herr zu werden? Diese Frage gehen Anna Maria Darmanin, Vizepräsidentin, Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU, Ferry Batzoglou, Korrespondent der Wiener Zeitung in Athen, Julio Jiménez, Ökonom und Christian Meidlinger, Vorsitzender GdG-KMSfB, auf den Grund. Die EU-Gelder sind an eine Quote von regional 25 % Jugendarbeitslosigkeit gebunden. Mehr Geld ist nicht vorgesehen, der Kampf kann nur auf nationaler Ebene gewonnen werden.

Die Emotion hinter den Zahlen

Die Jobgarantie ist eine feine Sache. Das Ziel lautet: Vier Monate nach Schulabschluss im Berufsleben oder in der weiteren Ausbildung zu stehen. Was sich in der Theorie gut anhört, erweist sich in der Praxis jedoch als kaum realisierbar. Während Konzerne regen Personalabbau betreiben, gelten KMU als zugkräftige Jobmotoren. Die Forderung nach unternehmensnaher Ausbildung ist berechtigt, die duale Ausbildung ein Schritt in die richtige Richtung. Doch was hierzulande greift, ist aus Sicht der Experten nur schwer auf andere Länder zu übertragen. Das Thema Jugendbeschäftigung muss ernst genommen werden, um gravierende Probleme zu vermeiden, es gilt, jede Chance zu nutzen. Die EU darf keinesfalls an der sozialen Thematik scheitern.

Schattenwirtschaft belastet System

In Spanien ist 50 % der Jugend ohne Job. Schwarzarbeit boomt, der Schaden für die Wirtschaft ist enorm. In Griechenland ist es noch schlimmer, in der Altersklasse 15 – 24 Jahre sind 59 % ohne Job, Frauen und Personen mit geringer Ausbildung sind besonders betroffen. Selbst hochwertige Qualifikationen sind keine Garantie für eine strahlende Karriere, von Traumjob gar nicht zu reden. Arbeit billiger zu machen ist keine Lösung, dieses Modell ist zum Scheitern verurteilt. Arbeit alleine ist zu wenig, man muss auch davon leben können. Mit 700 € Jobs ist es nun mal kaum möglich, eine solide Existenz zu schaffen. Es gibt auf Jobseite kaum ein geeignetes Angebot, die Bildungsseite ist nur sehr bedingt geeignet, die Thematik zu entschärfen. Zudem kommt, dass Akademiker nur sehr schwer von der Werkbank zu begeistern sind, mit McJobs ist niemand geholfen.

Reichlich Arbeit und kaum Jobs

Europa leidet unter einem eklatanten Verteilungsproblem. Das gilt auch für Arbeit. Es wundert daher keineswegs, dass der Ruf nach einem bedingungslosen Grundeinkommen immer deutlicher zu vernehmen ist. Obwohl gerade der Gesundheits- und Pflegebereich gute Perspektiven bietet, sind auch hier vorab einige Investitionen zu leisten. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Interessenslage ebenso wie die Talente und Fähigkeiten der Betroffenen zumindest ansatzweise berücksichtigt werden. Die mittlerweile sehr beliebten Zwischenmodelle wie Praktika gehören ebenso einer genaueren Prüfung unterzogen wie prekäre Arbeit, womit vermutlich die berüchtigten Transitarbeitsplätze gemeint sind, die ohnehin in einer rechtlichen Grauzone angesiedelt sind. 

Arbeit darf nicht umsonst sein!

Entscheidungen verlangen Courage, die Mainstream-Politik steht an. Es braucht einen Paradigmenwechsel, um eine Lösung der Problematik herbei zu führen. Von einem Praktikum zum anderen zu wechseln ist keine Lösung, Arbeit darf nicht umsonst sein. Regionen mit schwacher industrieller Basis leiden ohnehin unter geringen Beschäftigungsmöglichkeiten, die Politik agiert zu wirtschaftsfeindlich. Ich-AGs und Kleinstbetriebe wiederum schaffen so gut wie keine Jobs. Das Zusammenbrechen der Realwirtschaft in Griechenland hat die Krise verschärft, da wirken die Massnahmen aus Brüssel wie Aspirin, so F. Batzoglou: Die Politik ist grandios gescheitert!

Droht die kulturelle Spaltung Europas?

Wie sind manche Länder eigentlich zu Wohlstand gekommen? Diese Frage sorgt für Verwunderung unter den Experten. Die Umstände sind vielfach nur schwer verständlich oder gar nachvollziehbar, einmal mehr kommt die Sprache auf Steueroasen und verfehlte Steuermodelle. Die Situation stimmt nachdenklich. Sind die Steuersparmodelle als Mentalitätsfrage zu werten? Die EU hat ohnehin zu lange gewartet, um auf die Krise zu agieren, nur Wachstum kann die erhoffte Trendwende einleiten. Doch dafür sind Impulse vom Staat gefragt. Geeignete Steuersysteme könnten hilfreich sein, weniger geeignete verursachen einen eklatanten Wettbewerbsnachteil. Steuerentlastungen bringen mehr Jobs als irgendwelche Milliardenprojekte aus Brüssel, Steuern vernichten Arbeitsplätze. Die Politik zerstört die Gesellschaft. Diese Expertenaussage bringt es auf den Punkt. Die EU ist eine Wirtschaftsunion und von einer Sozialunion weit entfernt. Die EU rettet lieber Banken, als Jugendlichen eine Perspektive zu bieten. Doch Bankenrettung kommt beim Volk nicht an. Die Vorwürfe der Experten sind nicht zu überhören.

Wo bleibt die Gewerkschaft?

Regionale Projekte und Tourismus können weder Griechenland noch Spanien auf die Überholspur bringen und die ziemlich verfehlte Finanzpolitik kompensieren. Doch auch die Gewerkschaft kriegt eins ab, ihr ist es nicht gelungen, das eskalierende Lohndumping einzudämmen. Die Globalisierung jedoch umgeht die Bemühungen der Gewerkschaft, hier braucht es ein stärkeres Netzwerk. Der Sozialabbau mutiert vom Fiasko zum Dilemma! Das klingt bereits nach Waterloo!

Gelebte Demokratie als Ausweg

Die Konsolidierung der Staatsfinanzen basiert auf teils recht kreativer Buchführung und sollte an eine Wachstums- und Beschäftigungsklausel gebunden werden. Probleme einfach nach Brüssel zu schieben, kann keine Lösung sein. Eigeninitiative ist gefragt, es geht um nationale Verantwortung und Demokratie. Und genau hier ist jeder einzelne Bürger gefragt. Aktive Wahlbeteiligung ist ein erster Schritt, um die rechten Leute an die richtige Position zu bringen und eine Trendumkehr einzuleiten.

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