Samstag, 12. Oktober 2024
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Warum Österreichs Universitätssystem den Anschluss verloren hat

Immer tiefer stürzen heimische Unis in den internationalen Rankings ab, Österreichs Industrie muss Akademiker immer öfter im Ausland anwerben. Dabei arbeiten schon 26% der Arbeitnehmer in Berufen, die sie nicht gelernt haben. Ein System läuft aus dem Ruder.

[[image1]]Beim „Times Higher Education“-Ranking ist die Uni Wien als „bestes“ heimisches Institut weiter zurückgefallen. Nach Platz 139 (2011) und 162 (2012) ist man auf 170 angekommen – mit „Kurs 200“. Irgendwo zwischen Platz 350 und 400 finden sich Unis aus Graz oder Linz.

Autonomie: Gegenteil von Gut

Ein Grund: Österreichs Unis entscheiden über die Lehrpläne ihrer Fächer („Curricula“) heute weitgehend selber. Diese Autonomie war ursprünglich auch gut gemeint. Tatsächlich hat es sowohl die Lehre als auch den wissenschaftlichen Output weiter verschlechtert. 2012 wollte man die Reißleine ziehen: Ein „Bundes-Zertifizierungsrat“ sollte die Qualität bei den Lehramtsstudien zentral kontrollieren. Man scheiterte am Widerstand der Rektoren.

Politologie ohne Business

Seit Jahrzehnten beklagt der Mainstream die „Ökonomisierung des Denkens“ – dabei leidet das System gerade am Mangel eines ebensolchen. Könnte die Grundstruktur von Lehrplänen zentral organisiert werden, könnte man Fachrichtungen wie Politik oder Soziologie die Aufnahme ökonomischer oder technischer Fächer (wie in den USA) anordnen und aufwerten. Beziehungsweise könnte man Qualitätsniveaus so definieren, dass etwa Ökonomie nur von Ökonomen unterrichten werden dürfte – und nicht von Politologen oder Soziologen selber.

Bei einer breiten Diskussion an der Uni Graz 2013 war keinem einzigen anwesenden Politologie- oder Soziologieprofessor der Unterschied zwischen Real- und Haushaltseinkommen bewusst gewesen. Welche Qualität bei ökonomischen Analysen kann man da erwarten?

An der WU links abbiegen

Die Wirtschaftsuniversität Wien steht für den Niedergang des akademischen Systems. Man fühlt sich an die 1920er erinnert, wenn man künftigen HAK-Lehrern am Institut für Wirtschaftspädagogik (Prof. Aff) abrät, Profit als Hauptziel junger Unternehmen zu sehen. Und WU-Lektor Christian Felber schwört (wie an vier weiteren Unis) seine Studenten auf die „Zerschlagung des kapitalistischen Systems“ ein – ohne selber jemals in diesem gearbeitet zu haben. Der gelernte Tänzer hat ein Fächerbündel aus jeweils ein bisschen Politik, Philosophie, Psychologie  und Spanisch belegt. Dass unser Wohlstand auf der Ausbeutung von Arbeitern und Rohstofflieferanten fußt, weiß er wohl aus dem Religionsunterricht seines Gymnasiums.

Politisch qualifiziert

Das wichtigste Aufsichtsorgan der WU, der fünfköpfige Universitätsrat, ist fest in „roter“ Hand: Neben Brigitte Jilka von der Gemeinde Wien sitzen dort Ewald Novotny von der ÖNB (SPÖ) und Silvia Angelo von der Arbeiterkammer. Ist es ihnen zu verdanken, dass Lektoren wie Martin  Schürz von der ÖNB („Erbschaften zu 100% verstaatlichen“) oder Markus Marterbauer vom Wifo („Kämpfer gegen Neo-Liberalismus“) hier arbeiten? Selbstverständlich ist auch der Präsident der Rektorenkonferenz, Heinrich Schmidinger, entsprechend zu verorten.

Offensichtlich haben die Unis die politische Einstellung der Uni-Bewerber stärker gewichtet als deren wissenschaftliches Potential. Kritisches – konservatives oder gar marktliberales – Gedankengut gibt es nur mehr bei Altverträgen. Dafür muss die Gemeinde Wien  mit ihren Talenta-Preisen heute einspringen, damit WU-Arbeiten – wenn schon nicht international, dann  wenigstens auf Gemeindeebene – anerkannt werden.

Sponsoren statt Lektoren

An der Uni Wien werden mittlerweile 50% aller Lehrveranstaltungen von externen Lektoren abgehalten. Für eine wöchentliche Doppelstunde bekommt man 360 Euro monatlich, knapp 40 Euro in der Stunde. Kein Wunder, dass man bei der Qualifikation dann Abstriche machen muss.

Natürlich haben es Unis in Amerika oder England mit ihren großen Budgets leichter, an gute Leute heranzukommen. Dieses Budget werden aber auch am freien Markt verdient: Im „Labor-Building“ einer US-Universität brennt auch Sonntagabends Licht, Hundertschaften ehrgeiziger Studenten forschen rund um die Uhr. Auf der Wiener Veterinärmedizin sind die Lichter freitags schon zu Mittag ausgegangen (Besucher von „VetMed“-Studentenfesten wissen dies).

US-Akademiker sind stolz auf ihre Ausbildungsstätten. Wenn sie „es geschafft“ haben, spenden sie ihrer Fakultät große Mittel. Mit diesen werden wieder international renommierte Wissenschaftler „eingekauft“ – ein Kreislauf geht nach oben. Wer sollte auf die lausige Ausbildung auf Österreichs Massenunis stolz sein? Wer auf den provinziellen Background vieler (kostengünstiger) Schmalspur-Wissenschaftler? Wer auf das Fehlen wissenschaftlichen Ehrgeizes auf allen Ebenen?

US-Unis elitär und reich

Europas Eliten denken seit jeher egalitär und etatistisch. Für sie ist ein System dann gut, wenn es staatlich ist und 100% der Bevölkerung anspricht. Auch um den Preis inferiorer Leistungen. Diesen Part übernehmen in den USA staatliche Unis (freilich bei Studiengebühren von 3.000 Dollar aufwärts). Private Unis glauben – politisch unkorrekt – dass beruflich erfolgreiche Bürger (bzw. deren Kinder) höher talentiert sein müssen als der Durchschnitt. Und man deshalb mit Studiengebühren von 30.000 Dollar (und mehr) taktisch klug selektieren könne. Etwa 10% aller Plätze sind dabei für Hochtalentierte aus armen Familien reserviert.

Studiengebühren NEU

Wie kaum ein anderes Land überschüttet Österreich seine Bürger mit Stipendien und Zuschüssen: Nach nur vier Jahren Arbeit bekommt jeder Arbeitnehmer ein „Selbsterhalter-Stipendium“ – geschenkt. Doch verhindert solch Großzügigkeit nicht die Fehlausrichtung des Systems: Nicht nur Uni-Studien werden am Markt vorbeiproduziert, viele FH-Lehrgänge decken nur ganz schmale Qualifikationshorizont ab („Sozialpädagogischer Fachbetreuer in der Jugendwohlfahrt“).

Die Lösung: Studiengebühren NEU. Grundsätzlich sind pro Semester 250 Euro in einen Topf zu bezahlen. Aus diesem erhalten gesuchte Fachrichtungen dann Zuschüsse, sodass diese günstiger bzw. kostenfrei angeboten werden können. Der Rest geht in einen Topf, der Forschungsaufträge mit 50% bezuschusst.

Unis an die Kandare

Von den 200 besten Unis der Welt kommen 77 aus den USA, 31 aus England, 19 aus Deutschland – aber nur eine aus Österreich. Im Gegensatz zum anglosächsischen Raum finanzieren sich heimische Unis überwiegend aus Bundesmitteln. Schon Claudia Schmid (SPÖ) monierte, dass diese vier Monate im Jahr leer stünden. Warum sollten sie auch fleißiger sein und etwa Sommer-Kurse für die Wirtschaft anbieten, wenn das Steuergeld aus Wien auch ohne sprudelt?

Österreich muss die Produktion zehntausender Akademiker ohne reelle Zukunftschancen stoppen. Alleine schon, um den sozialen Frieden nicht weiter zu gefährden. Und es muss ein Qualitätsniveau schaffen, das den Wohlstand unseres Landes auch künftig sichert.

 

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