Donnerstag, 18. April 2024
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Spionage: Europa hilflos

Für europäische Verhältnisse war es eine sehr klare Ansage. „Freunde und Partner spionieren einander nicht aus. Freunde und Partner sprechen miteinander und verhandeln“, sagte EU-Justizkommissarin Viviane Reding am Dienstag in Washington.

[[image1]]Doch die klaren Worte lassen die US-Führung kalt. Um ihre eigene Sicherheit zu schützen, halten die Amerikaner viele Mittel für gerechtfertigt, auch die Bespitzelung befreundeter Nationen. Eine Delegation von sieben Europa-Abgeordnete, die sich diese Woche unter Leitung des CDU-Politikers Elmar Brok zu politischen Gesprächen in Washington aufhält, bekamen immer wieder zu hören, die Europäer seien undankbar, schließlich profitierten sie doch auch von den Erkenntnissen.

Immer neue Enthüllungen über die Aktivitäten des US-Geheimdienstes und vor allem die Reaktion darauf verdeutlichen wie stark schon die Grundphilosophie der USA von der Europas beim Datenschutz abweicht. In Europa ist Datenschutz ein Grundrecht, woran Justizkommissarin Reding diese Woche in Washington erinnerte. Seit 1995 ist dieses Grundrecht auf EU-Ebene festgeschrieben.

Nach schmerzhaften Erfahrungen mit Diktaturen linker und rechter Prägung herrscht in Europa Konsens, dass der Staat sich nicht in alle Bereiche der Bürger einzumischen hat. „Die Kontrolle jeder Bewegung, jedes Worts und jeder privat verschickten Email ist nicht vereinbar mit Europas Grundrechten oder unserem gemeinsamen Verständnis einer freien Gesellschaft“, betont Reding.

In den USA liegt die Betonung dagegen auf Sicherheit – vor allem seit dem 11. September 2001. Der Direktor des US-Geheimdienst NSA Keith Alexander brüstet sich offen damit, dass es seit damals zu keiner großen Attacke auf die USA mehr gekommen sei und führt das auf die Abhöraktivitäten des NSA zurück.

Datenschutz hat in den USA einen geringeren Stellenwert

Datenschutz und das Recht auf eine Privatsphäre hatten in den USA noch nie denselben Stellenwert in Europa. Die EU-Grundrechtcharta sichert dem Einzelnen das Recht auf seine Daten. In den USA fehlt nicht nur eine vergleichbare Regelung, die Einstellung ist schlicht eine andere.

Reding betonte bei ihrem Besuch, dass der Kampf gegen Terrorismus nicht alle Mittel heiligt: „Das Konzept nationaler Sicherheit heißt nicht, dass alles möglich ist: Staaten haben kein uneingeschränktes Recht auf geheime Überwachung.“ Doch das ist eine europäische Sichtweise.

Unüberbrückbare Gegensätze

Angesichts der völlig unterschiedlichen Perspektiven erscheint eine Annäherung von USA und Europa beim Thema Ausspähen sehr unwahrscheinlich. Schon in der Vergangenheit hat sich bei konkreten Verhandlungen gezeigt, wie unüberbrückbar die Differenzen sind. Seit 2011 ringen die USA und Europa um ein europäisch-amerikanisches Datenschutzabkommen für die Strafverfolgung. Dabei geht es um den Austausch von Daten zwischen Behörden. 15 Verhandlungsrunden haben bereits stattgefunden, aber die Gespräche sind de facto blockiert, weil die US-Seite Bürger aus Europa und den USA nicht gleich behandeln will. Die USA sind nicht einmal bereit, den Betroffenen ein Klagerecht in den USA einzuräumen.

Europa-Abgeordnete würden gerne das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP als Verhandlungsmasse einsetzen. Sie drohen damit, dem Abkommen am Schluss nicht zuzustimmen, wenn die Amerikaner sich beim Datenschutz nicht bewegen. Das erscheint erst einmal logisch, denn das Europäische Parlament muss Handelsdeals formal absegnen, ehe sie in Kraft treten können. In der Praxis haben aber die Europäer ein großes Interesse an einem verbesserten Zugang zum US-Markt. Die europäische Wirtschaft erhofft sich große Chancen, wenn Zölle sinken und regulatorische Hürden abgebaut werden. Deswegen können die Europäer gar nicht glaubwürdig damit drohen, die Freihandelsgespräche zu boykottieren, so lange die USA Europa ausspäht.

Der frühere Vize-Präsident des Europäischen Parlaments, der Deutsche Gerhard Schmid (SPD), hält in der aktuellen Diskussion eines für offensichtlich: Europa muss seine Fähigkeit zur Spionageabwehr ausbauen. Schmid weiß, wovon er spricht. 2001 verfasste er den Bericht des Europäischen Parlaments zum US-Abhörsystem Echelon. Bereits damals wurde bekannt, in welchem Umfang die USA Verbündete ausspähen. Die Europäer hatten es in der Zwischenzeit verdrängt.

 

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