Mittwoch, 16. Oktober 2024
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Trump-Wunder: Europas Linke entdeckt den Liberalismus

Wetterten die Redaktionen gestern noch gegen Globalisierung, TTIP und US-Militär – ist man heute empört dafür. Weil der „Gottseibeiuns“ der Linken, Donald Trump nun eben dagegen ist. Eine Diskussion über Scheinheiligkeit und das unerwartete Comeback der Konservativen.

Eine Zeitung hatte begonnen – und schließlich hatte wieder einer vom anderen abgeschrieben, sodass spätestens zu Sylvester alle Blätter dieser Welt besorgt titelten: Donald Trump bedeutet die Abkehr der westlichen Welt von Liberalismus, Marktwirtschaft und Demokratie.

Das ist grotesk: Denn die Realverfassung Europas war – dank seiner Presse – immer sozialistisch und nie liberal. Und bestenfalls „kontrolliert“-demokratisch.

 

Hasstiraden gegen Globalisierung

Wie viele Herausgeber hatten ihre „Qualitätszeitung“ dem anti-liberalen Attac-Kämpfer, Christian Felber als Podium gegen Globalisierung, Wettbewerb und Marktwirtschaft geboten? Um jetzt wütend auf den neuen US-Präsidenten einzudreschen, wenn er genau diese Positionen vertritt.

Schulbücher und Unis unterrichten in Europa: „Globalisierung = Kinderarbeit = Verbrechen“. Und mit der WU Wien stellte man gleich eine ganze Uni in den Kampf gegen Privatwirtschaft und internationalen Wettbewerb[1].

Und plötzlich will man all das schützen?

 

Anti-NATO – jetzt von „Rechts“

Haben linke Schreiber nicht jahrein-jahraus auch gegen den vorgeblichen US-Militarismus angeschrieben? Haben über US-Militärbasen und US-Einsätze geklagt – selbst wenn diese (wie im Kosovo-Krieg 1999) der total handlungsunfähigen EU aus der Patsche halfen?

Trump möchte US-Militär aus Europa abziehen, sich aus Konflikten künftig heraushalten. Dann steht dem Pazifismus-Paradies Europa also nichts mehr im Wege?

Unglücklicherweise sind Europas Schreiber jetzt aber plötzlich für die NATO, in Europa und der Welt (weil die ersten nachgerechnet haben, was die Sicherung der Tankerrouten durch EU-Militär kosten würde?).

 

Globalisierungsangst

Eine Bertelsmann-Studie gibt Aufschluss[2]: (Nach 45 Jahren Sozialismus) ist Österreich heute das „progressivste“ Land Europas (nur mehr 38% vertreten konservative Werte). Gleichzeitig ängstigen sich rekordhaft 55% (!) vor der Globalisierung.

Tatsächlich waren es Europas Linke, die den Kontinent gegen Globalisierung, Wettbewerb, TTIP und NATO aufbrachten. (Dabei profitierten ihre Anhänger, von IT-Fachleuten bis zu den Beamten, selbst am meisten). Die Wut der Linken war auch eher theoretisch-ideologisch begründet – bloß 38% der Grünen lehnen die Globalisierung ab.

Für ungelernte Arbeiter und ältere Zuwanderer nahm die Liberalisierung aber ganz konkrete Formen an. Stichwort: Werkbank China. Und so wundert es nicht, dass die Arbeiterschaft der FPÖ die Globalisierung mit 69% ablehnt – ähnlich stark wie die Linksparteien Frankreichs (58%) oder Deutschlands (54%).

 

Rechte Russland-Fraktion

Zusätzlich überrascht ein Phänomen, das vor 20 Jahren nicht zu ahnen war: Ein Teil von Europas Konservativen liebäugelt heute mit dem autoritären Russland. Dort, in Moskau, könnten die Delegationen von AfD und FPÖ auf jene von Linken und SPÖ treffen (die dort immer schon waren). 

Lange her, dass die FPÖ das „Heldendenkmal der roten Armee“ am Wiener Schwarzenberg-Platz schleifen wollte. Im Glauben an einen starken Staat (wie in Russland) und sein starkes Militär (das eigene Grenzen schützt) – finden die Extreme Europas also wieder zusammen.

 

Liberal: links oder rechts?

Was ist nun aber liberal? Vereinfacht gesagt, meint man damit eine Gesellschaft, in der sich der Staat aus Politik, Wirtschaft (und bei Steuern) zurückhält, um stattdessen Bürgern und Firmen mehr Entscheidungsfreiheiten (und höhere Nettoeinkommen) zu erlauben.

Ein liberaler Wertekanon, der eher dem bürgerlich-liberalen Trump zuzurechnen wäre. Und ein Lebensmodell, das Europas Medien traditionell als neo-liberal verteufeln.

Warum sich aber immer mehr Redaktionen – jetzt, in der Zeitrechnung 0 nach Trump – als Hüter des liberalen Grals hochstilisieren, hat mit begrifflichen Unsauberkeiten zu tun.

 

Verirrungen

Ausgerechnet der österreichische Standard hält sich neuerdings für „liberal“. Das mag kaum glauben, wer dessen große Sympathien für marxistische, anti-liberale Soziologen kennt.

Denn es beruht auf einer historisch schlampigen Definition. Im demokratischen Vorreiterland England bezeichneten sich linke, gegen die konservative Obrigkeit kämpfende Publizisten wie Karl Marx seinerzeit als „Liberale“. Mit marktliberal hatte das aber nichts zu tun. Nicht einmal mit sozialliberal. Einfach nur mit „links“. Dem Gegenteil von liberal.

Das erklärt auch die Sympathien vieler österreichischer Journalisten für das damalige „Liberale Forums“ Heide Schmidts. Darin forderte die Sozialdemokratin ein „arbeitsfreies Grundeinkommens“ und den Ausbau des Sozialstaates.

 

Flüchtlingspolitik liberal?

Zudem verwechselt man in der Presse gern den Begriff liberal mit laissez-faire. Die Politik Merkels, Millionen Immigranten deutsche Grenzen unkontrolliert überrennen zu lassen, war nicht liberal. Es war bloß ungesteuert. Also laissez-faire (was Europas Linke hasst, wenn es um die Wirtschaft geht).

Der Ordo-Liberalismus der Freiburger Schule (dem neben Walter Eucken auch Ludwig Erhard angehörte), hat dazu eine klare Meinung: für ihn ist eine Ökonomie dann „freiheitlich liberal“, wenn möglichst viele Akteure in größtmöglicher Konkurrenz  zu einander stehen und dies den Bürgern eines Landes ein Maximum an Freiheit und Wohlstand ermöglicht.

Dass in einem Land kommen kann wer mag, stand nie zur Diskussion. Denn der Ordo-Liberalismus überwacht Wirtschaft und Wettbewerb streng.

 

Historisch Interessierte denken mit Schaudern an die 1920er-Jahre zurück, als ein Adolf Hitler den sozialistischen Sündenböcken – den Reichen, Konzernen und Bankern – nur mehr ein jüdisches Gesicht geben musste. Und die Deutschen „wussten“ plötzlich über Nacht, dass es jüdische Reiche, jüdische Konzerne und das Finanzjudentum wären, die den Untergang Deutschlands wollten.

Im Endeffekt feiert der Konservativismus liberaler Prägung mit Trump ein unerwartetes Comeback. Es gelang, weil er jene Positionen übernommen hatte, mit der die Linke groß geworden war.

Natürlich haben Trump, AfD und FPÖ nichts mit Hitler zu tun. Aber diese Bewegungen wären weltweit heute nicht da, wo sie sind, hätte die Linke nicht „ihre“ Schuld am National-Sozialismus in Schulen und Unis vertuscht.

Und sich zur Abwechslung einmal neue Sündenböcke einfallen lassen.

 



[1] Etwa am Forschungsinstitut „Economics of Inequality“, und vielen linken VWL-  und Soziologieinstituten

[2] Globalisierungsangst oder Wertekonflikt?, EUPINIONS 2016/3, S. 14

 

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