Donnerstag, 28. März 2024
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Schröpf-Koalitionen ante portas

Jeder hat es geahnt, jetzt scheint es einzutreten: Für die Euro-Rettung werden die Steuern erhöht. Offiziell soll der Zugriff natürlich anderen Lieblingsprojekten der Gutmenschen-Fraktion dienen, doch das ist nur Polit-Marketing. Über die Großbaustelle „Europa“ wurde in den Wahlkämpfen kaum diskutiert. Das dürfte sich in den nächsten Wochen und Monaten ändern.

[[image1]]Kaum sind die Parlamentswahlen vorüber, tun die Politiker genau das, was sie am liebsten tun: Sie denken laut über Steuererhöhungen nach. In Deutschland können sich inzwischen sogar führende Unionspolitiker vorstellen, an der Steuerschraube zu drehen. Offiziell zwar höchst ungern, aber wenn dies der Preis für eine große Koalition sein sollte, dann bleibt aus „staatsbürgerlicher Verantwortung“ keine andere Wahl, als in dieser Frage kompromissbereit zu sein. „Merkels großer Wahlbetrug“, titelte dieser Tage die FAZ.

Sozialdemokraten und Grüne hatten schon im Wahlkampf höhere Steuern versprochen – angeblich nur für die wirklich Reichen und nur deshalb, um mit den Mehrerlösen die Gesellschaft ein wenig kuscheliger zu machen. Mehr Geld für Bildung, mehr Geld zur Förderung der sozialen Gerechtigkeit, mehr Geld für die Familien – bisweilen gewinnt man den Eindruck, mit der Höhe der Steuern wachse die Nähe zum Paradies.

Doch die Wähler haben den Braten gerochen und den Steuererhöhungs-Protagonisten eine klare Absage erteilt. Für die meisten Bürger ist es schwer nachvollziehbar, dass ein Staat wie Deutschland Steuereinnahmen auf Rekordniveau verzeichnet und auf der anderen Seite nach mehr Geld schreit.

Mehr Geld und weniger Auflagen

„Die Tendenz des Staates, mehr Geld zu fordern, geht Hand in Hand mit einer ihm gleichfalls eigenen Tendenz, es zu verschwenden“, wusste schon der englische Publizist und Historiker Cyril Northcote Parkinson (1909-1993). Dieses Mal aber gibt es vermutlich einen guten Grund, so rasch nach den Parlamentswahlen in den wichtigen Euro-Ländern Deutschland und Österreich über höhere Steuern zu debattieren. Ganz offenkundig geht es nämlich nicht um soziale Wohltaten, die mit höheren Einnahmen finanziert werden sollen, vielmehr dürfte schon in den nächsten Tagen oder Wochen die vorübergehend narkotisierte Euro-Krise wieder voll ausbrechen – begleitet von schweren innenpolitischen Turbulenzen in den Problemstaaten. Die Zukunft der italienischen Regierung ist mehr als ungewiss, das portugiesische Kabinett taumelt von einer Krise zur nächsten. Und nach einer aktuellen Eurobarometer-Umfrage trauen nur noch neun Prozent der Griechen ihrer Regierung.

Führende Regierungsvertreter der Euro-Krisen-Staaten lassen keinen Zweifel daran, was sie sich von einer möglichen großen Koalition in Berlin erhoffen: mehr Geld und weniger Sparauflagen. Der griechische Vize-Ministerpräsident fordert Neuverhandlungen über die Zinshöhe und die Laufzeit der Staatsschulden, weil „die Schmerzgrenze für die Bürger“ erreicht sei. Auch die Regierung in Lissabon will von den internationalen Kreditgebern eine Lockerung der Spar- und Reformauflagen, sonst sei der zarte wirtschaftliche Aufschwung akut gefährdet.

Dass sowohl Griechenland als auch Portugal jeweils neue Rettungspakete brauchen, ist  zumindest sehr wahrscheinlich. Denn realistisch betrachtet, können beide Länder ihre hohen Schuldenberge aus eigener Kraft nicht abbauen. Jetzt, nach den Wahlen, sollen daher neue Milliarden von den Geberländern fließen.

Vor allem in Deutschland gelang es der Regierung geradezu virtuos, die Euro-Krise aus dem Wahlkampf weitgehend herauszuhalten. Auf den Punkt gebracht, lautete die simple Botschaft: „Uns geht es gut – und die Südeuropäer sind auf einem guten Weg“. Doch nun wird klar: Die Krise war nicht gelöst, sondern nur betäubt. Und neue Herausforderungen erwartet die Euro-Retter nicht nur in Griechenland, Portugal und womöglich in Italien. Auch auf der Mittelmeerinsel Zypern gärt es wieder. Schon spricht der IWF von „großen Risiken“ und hält neue Hilfen für möglich.

Äußerst fragil bleibt die Situation zudem in Slowenien, wo die Regierung zwar betont, sie wolle die gigantischen Probleme im Bankensektor des Landes selbst lösen. Doch immer mehr Beobachter zweifeln daran, ob ihr dies gelingen könnte. Noch nicht wesentlich weitergekommen ist darüber hinaus das Projekt einer gemeinsamen europäischen Bankenaufsicht. Die US-Behörden haben seit 2008 fast 500 Zombie-Banken dichtgemacht, in Europa waren es knapp 30. Bisher steht nur fest, dass die EZB die Aufsicht über Europas Banken übernehmen soll. Doch wie marode Geldinstitute abgewickelt oder mit frischem Kapital gestützt werden könnten, ist noch offen.

Top-Manager fürchten neue Hiobsbotschaften

Während die Bürger in den vergangenen Wochen in den Wohlfühl-Modus versetzt wurden, sehen deutsche Top-Manager nach einer aktuellen Umfrage die Zukunft in der Euro-Zone nicht allzu rosig. Rund 38 Prozent erwarten eine Zuspitzung der Schuldenkrise, 23 Prozent befürchten einen Kollaps des Bankensystems, und 15 Prozent sehen die Gefahr von politischer Instabilität, heißt es in einer gemeinsamen Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SP) sowie des Brüsseler Thinktanks Bruegel.

Ob diese Worst case-Szenarien tatsächlich eintreten, ist ungewiss. Wahrscheinlicher dürfte sein, dass die Geberländer in der Euro-Zone noch mehr Geld in die Krisenstaaten pumpen. Geld, das man zunächst einmal haben muss. Das geschieht am besten dadurch, dass man die Steuern erhöht. Nicht, um damit soziale Gerechtigkeit herzustellen oder in die Bildung zu investieren, sondern in die Großbaustelle „Euro“. Überraschen kann das nur reichlich naive Zeitgenossen. Denn dass die Krisenländer in Südeuropas ihre Probleme nicht allein durch Sparen oder Wachstum lösen können, ist dem realistischen Beobachter längst bekannt. Aber so etwas sagt man nicht vor wichtigen Wahlen. Da wird eher schon mal der Wähler für dumm verkauft.

Bild: Andreas Hermsdorf / www.pixelio.de

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