Samstag, 20. April 2024
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Schwierige Regierungsbildung in Deutschland

Nun ist sogar schon von Beginn 2014 die Rede. Nach der Bundestagswahl am 22. September hat in Berlin niemand mit einer schnellen Regierungsbildung gerechnet. Mittlerweile schließt SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles aber nicht mehr aus, dass sich die Verhandlungen ins neue Jahr ziehen könnten. Zum Beginn der zweiten Woche nach der Wahl spricht sie davon, dass der Abschluss der Koalitionsgespräche zwischen  CDU/CDU und dem Juniorpartner SPD erst im „Dezember, Januar“ erreicht werden könnte.

[[image1]]Terminangaben dieser Art dienen natürlich einem strategischen Zweck. Einmal will Nahles der Union zeigen, dass die SPD hart verhandeln wird. Gleichzeitig will sie aber auch der eigenen Parteibasis signalisieren, dass die SPD ihre Themen wie Mindestlohn und Erhöhung des Spitzensteuersatz nicht schnell aufgeben will. Wenn am Schluss der Koalitionsverhandlung doch ein Kompromiss steht – was wahrscheinlich ist – dann kann die SPD gegenüber ihren Parteimitgliedern argumentieren, dass dies das bestmögliche Ergebnis ist.

Rechnungen zu Ministerämtern

In der Union ist die Freude über das eigene Wahlergebnis ohnehin Ernüchterung gewichen. 41,5 Prozent der Stimmen zu erringen ist das eine, anschließend eine funktionsfähige Regierung zu bilden das andere. Vergangene Woche geisterte die Idee einer Koalition mit den Grünen immer wieder durch Berlin. Dabei handelte es sich aber auch um den Versuch, die SPD unter Druck zu setzen, nach dem Motto die Union verfügt durchaus über Alternativen, wenn die Sozialdemokraten sich verweigern. Ein Zusammengehen mit den Grünen hätte für die Union den Charme, dass sie mehr Ministerämter erhielte. Die Grünen holten nur 8,4 Prozent der Stimmen, im Gegensatz zur SPD, die 25,7 Prozent verzeichnete. Aus der SPD ist bereits zu hören, dass sie in einer Großen Koalition sechs Ministerämter für sich beanspruchen würde. Zum Vergleich: Die FDP hatte in der bisherigen Regierung vier Ministerämter besetzt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel lässt sich noch ein Hintertürchen offen. An diesem Freitag wird sie mit einer Delegation ein Sondierungsgespräch mit den Sozialdemokraten führen. Auch mit den Grünen will sie ein Sondierungsgespräch führen. Anschließend soll es aber keine Parallelverhandlungen geben, dann wird nur noch mit einem Partner gesprochen.

Schwierigster Punkt, soviel steht jetzt schon fest, wird die Steuerpolitik. Merkel hat im Wahlkampf Steuererhöhungen explizit ausgeschlossen. Die Sozialdemokraten sind dagegen mit dem Versprechen höherer Steuergerechtigkeit in den Wahlkampf gezogen. Am Montag gingen die deutschen Wochenmagazine „Spiegel“ und „Focus“ sind am Montagmit fast identischen Motiven an den Kiosk: Beide zeigten Merkel und SPD-Parteichef im Ganovenkostüm. Die Schlagzeilen lauteten „Geld her“ und „Was kostet mich rot-grün“.

Deutschland rückt nach links

Bevor die Koalitionsverhandlungen auch nur begonnen haben, lässt sich mit Sicherheit sagen, dass Deutschland nach der jüngsten Wahl nach links rückt. Die FDP ist mangels Unterstützung aus dem Parlament geflogen, die Linke wird die stärkste Oppositionspartei. Zwangsläufig wird die künftige Regierung Verteilungsthemen stärker aufnehmen müssen.
Aus Brüsseler Sicht ist jede Verzögerung der Regierungsbildung eine schlechte Nachricht. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die

Finanzminister bei ihrem kommenden routinemäßigen Treffen Mitte Oktober in Luxemburg keine wichtigen Entscheidungen treffen werden. Im November hat Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem eine zusätzliche Sitzung anberaumt, die notwendig wird, weil dann die neue Haushaltsüberwachung aus Brüssel auf der Tagesordnung steht. Ohne handlungsfähige deutsche Regierung sind aber keine Entscheidungen zu Griechenland zu erwarten. Irland benötigt einen Beschluss zu einer Kreditfazilität, wenn das Land Anfang 2014 aus dem Hilfsprogramm entlassen wird. Möglicherweise fällt dazu erst eine Entscheidung im Dezember. Dies wäre knapp, aber nicht zu knapp. Der Rettungsschirm ESM könnte Irland relativ schnell eine Kreditlinie als Absicherung zur Verfügung stellen, wenn es dazu einen politischen Konsens gibt.

All jene, die darauf gesetzt hatten, dass in Brüssel nach der Bundestagswahl wieder schnell Beschlüsse fallen, sehen sich eines Besseren belehrt. Die Euro-Rettungsmaschinerie wird wohl erst wieder im Dezember voll in Gang kommen.

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