Freitag, 19. April 2024
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ÖVP neu: Kurz, aber nicht bündig…

Mein Gott, ist das alles erfreulich! Die ÖVP hat endlich den gewünschten neuen, jungen und extrem beliebten Bundesparteiobmann designiert, der überall so rasend gut ankommt, dass er demnächst garantiert Kanzler sein wird. Jetzt muss man für die Schwarzen nicht länger sehen, weil ihre unnötigen Bünde ebenso entmachtet wurden wie ihre bislang einflussreiche Landeshauptleute. In Zukunft wird bei der schlagartig modernisierten und entstaubten Volkspartei, an der in den letzten zehn Jahren vier Chefs gescheitert sind, nicht mehr viel Diskussionsbedarf bestehen wird, weil der Neue eh alles allein entscheiden darf.

Der offenbar lange vorbereitete und am Sonntag finalisierte Coup von Sebastian Kurz war in der Tat genial: Dem erst 30-jährigen Außenminister gelang das außerordentliche Kunststück, den schwarzen Parteivorstand zu entmachten und aus der Volkspartei ein Anhängsel der geplanten Liste Sebastian Kurz zu machen – nichtsdestotrotz darf sie eisern hinter ihm stehen und seinen bevorstehenden Wahlkampf finanzieren. Mehr noch: Sie wird ihm dabei in jeder Hinsicht freie Hand geben, also in sämtlichen Personalfragen und bei der Entscheidung zugunsten eines Koalitionspartners, und sich nicht zuletzt inhaltlich von ihm allein dirigieren lassen – obwohl noch niemand so richtig weiß, wofür der neue Superstar eigentlich steht. Die ÖVP hat sich damit einem jungen, cleveren, eloquenten, dynamischen, fleißigen, ehrgeizigen, zielstrebigen und machtbewussten Politiker ausgeliefert, der mancherorts vielleicht etwas zu euphorisch als politisches Jahrhundert-Talent gehalten wird.

Mirakel statt Debakel

Die kleinlaut gewordenen Parteigranden haben sich darauf verlassen, dass Kurz in den Meinungsumfragen seit Monaten hervorragend liegt und der Partei, die unter Reinhold Mitterlehner auf Platz Drei dahin grundelte, das Kanzleramt zurückerobern könnte. Die schöne, neue Welt der alten ÖVP hat freilich einen klitzekleinen Nachteil:  Sie könnte mit der politischen Realität nicht in Einklang zu bringen sein. Denn ein wichtiges Gebot in der Politik lautet: Du sollst dich nicht täuschen. Falls es der vermeintliche Wundermann Sebastian im Oktober letztlich doch nicht schafft, Christian Kern und HC Strache hinter sich zu lassen, dann gute Nacht – dann wäre der riskante Traum der Volkspartei, in einer ziemlich aussichtslosen Situation lediglich mit dem naiven Glauben an ein Mirakel einem drohenden Debakel entkommen zu wollen, schlagartig ausgeträumt – und  das wäre ein Tiefschlag, von dem sich die Partei wohl nie mehr erholen würde.

Der Druck, der auf Kurz lastet, ist folglich enorm – und zugleich hat sich in den meisten medialen Kommentaren starke Skepsis verbreitet, ob er überhaupt Kanzler kann. Der Verdacht, dass der vor Jahren als Staatssekretär noch total unterschätzte Jungpolitiker nunmehr brutal überschätzt wird, ist nicht von der Hand zu weisen. Der amtierende Außen- und Integrationsminister, dessen einzige Großtat bislang die Schließung der Balkan-Route war, muss sich neuerdings den Vorwurf gefallen lassen, eine Mischung aus Opportunist, Populist und Karrierist zu sein, der von Sachpolitik relativ wenig Ahnung hat. Und die offensichtlich fehlende inhaltliche Breite könnte gerade dann, wenn er sein Ziel erreicht, zum gigantischen Problem werden: Als eine Art Alleinherrscher, der in der gängigen schwarzen Realverfassung einen schweren Stand haben wird, müsste er die Themen nicht nur vorgeben, sondern auch politische Strategien umsetzen.

Und dabei könnte bei der ÖVP, die bisher stets an einem Bünde- und Föderalismus-Problem laboriert hatte, so etwas wie ein Generationsproblem dazukommen: Die ihm zumindest altersmäßig überlegenen Kollege, von Schützenhöfer bis Haslauer, die ihn derzeit – noch – bejubeln, könnten relativ bald grantig auf ihn sein, weil sie sich von ihm nicht herumkommandieren lassen möchten. Und dann wird das geschehen, was bisher immer geschah und was auch weiterhin geschehen muss: Die so gut wie entmachteten ÖVP-Granden, die im Moment noch geschlossen hinter Kurz zu stehen scheinen, werden ihm in absehbarer Zeit gezielte Tritte in den Allerwertesten verpassen. Und irgendwann wird sich das hinlänglich erprobte Spielchen bei den Schwarzen wiederholen, das zwangsweise mit einem Kurz-Schluss enden muss. Jemand, der wie der neue ÖVP-Boss dermaßen hochgelobt wird, kann eines Tages nur tief fallen…

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