Nach dem rezessionsgeprägten Vorjahr wird sich die EU-Wirtschaft in der ersten Jahreshälfte 2013 voraussichtlich stabilisieren. Der Frühjahrsprognose zufolge wird das BIP-Wachstum im zweiten Halbjahr schrittweise wieder positive Werte erreichen und 2014 stärker Fahrt aufnehmen. Da die Binnennachfrage weiterhin von mehreren Faktoren gehemmt wird, die typisch für die Nachwirkungen schwerer Finanzkrisen sind, dürfte in diesem Jahr die Auslandsnachfrage der wichtigste Wachstumsmotor sein.
[[image1]]Der Gegenwind beim privaten Verbrauch und den Investitionen soll langsam abflauen, so dass im nächsten Jahr mit einer von der Binnennachfrage getragenen leichten Erholung zu rechnen ist. Die Prognose basiert auf der Annahme, dass die weitere Umsetzung politischer Maßnahmen eine erneute Verschärfung der Staatsschuldenkrise verhindert.
Für dieses Jahr wird nun ein jährliches BIP-Wachstum von -0,1 % in der EU und von -0,4 % im Euroraum projiziert. 2014 wird die Wirtschaftstätigkeit der Prognose zufolge in der EU um 1,4 % und im Euro-Währungsgebiet um 1,2 % steigen.
Hierzu der für Wirtschaft, Währung und den Euro zuständige Kommissionsvizepräsident Olli Rehn: „Angesichts der sich hinziehenden Rezession müssen wir nun alles daransetzen, die hohe Arbeitslosigkeit in Europa zu überwinden. Der Policy-Mix der EU ist auf nachhaltiges Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen fokussiert. Die öffentlichen Finanzen werden weiter konsolidiert, doch die Gangart wird langsamer. Gleichzeitig müssen die Strukturreformen verstärkt werden, um Wachstum in Europa zu generieren.“
Bremswirkung auf Binnennachfrage lässt langsam nach
Derzeit drücken nach wie vor Abschreibungen und Einschränkungen bei der Kreditversorgung in einigen Ländern, geringe Erwartungen hinsichtlich künftiger Gewinne und Erträge sowie die mit großer Unsicherheit behaftete Wirtschaftsentwicklung auf die inländischen Investitionen und den inländischen Verbrauch. Wenngleich sich die Lage auf den Finanzmärkten erheblich verbessert hat und die Zinssätze für die EU insgesamt nachgegeben haben, ist in der Realwirtschaft davon noch wenig zu spüren. Bisher gibt es nur schwache Anzeichen für eine verringerte Fragmentierung der Finanzmärkte in den Mitgliedstaaten, und die Unternehmen in gefährdeten Volkswirtschaften sind nach wie vor mit verschärften Kreditbedingungen konfrontiert.
Die Anpassung der außen- und binnenwirtschaftlichen Ungleichgewichte geht voran, und eine Reihe von anfälligen Mitgliedstaaten dürfte dieses Jahr aufgrund der verbesserten Rentabilität der Exportwirtschaft Leistungsbilanzüberschüsse verzeichnen. Trotz der Fortschritte beim Schuldenabbau wird jedoch der Schuldenstand das Wachstum während des Prognosezeitraums weiterhin belasten. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die schwache Arbeitsmarktlage sich auf den privaten Verbrauch niederschlagen wird. Insgesamt ist daher mit einem geringen Wachstum der Binnennachfrage im Prognosezeitraum zu rechnen.
Die Wirtschaftstätigkeit wird sich voraussichtlich zu langsam beleben, um für eine Senkung der Arbeitslosenzahlen zu sorgen. Der Prognose zufolge wird die Arbeitslosenquote 2013 in der EU 11 % und im Euro-Währungsgebiet 12 % erreichen und 2014 bei diesen Werten stagnieren, wobei weiterhin ein sehr großes Gefälle zwischen den Mitgliedstaaten zu verzeichnen sein dürfte. Aufgrund der weiterhin spürbaren verzögerten Auswirkungen der Rezession des Jahres 2012 wird für 2013 ein weiterer Beschäftigungsrückgang erwartet. 2014 dürfte jedoch ein dynamischeres BIP-Wachstum für beginnende Beschäftigungszuwächse sorgen.
Aufgrund der nachlassenden Auswirkungen der in der Vergangenheit angezogenen Energiepreise auf die Inflation hat sich die Verbraucherpreisinflation in den letzten Quartalen weiter verlangsamt. Die Inflation wird sich in diesem Jahr voraussichtlich weiter rückläufig entwickeln und liegt der Prognose zufolge 2013 in der EU bei 1,8 % und im Euro-Währungsgebiet bei 1,6 % und wird 2014 bei 1,7 % bzw. 1,5 % verharren.
Strukturelle Haushaltskonsolidierung geht langsamer voran
Der Abbau der gesamtstaatlichen Defizite soll sich fortsetzen. Den Projektionen zufolge werden sich die gesamtstaatlichen Haushaltsdefizite 2013 in der EU auf -3,4 % und im Euro-Währungsgebiet auf -2,9 % verringern. Das Konsolidierungstempo im Hinblick auf die strukturellen Haushaltssalden dürfte sich gegenüber 2012 verlangsamen. Angesichts der trüben Aussichten für die Wirtschaftstätigkeit wird damit gerechnet, dass die Schuldenquote in diesem Jahr auf 89,8 % in der EU und auf 95,5 % im Euroraum klettern wird.
Auch wenn die Risiken für die Wirtschaftsaussichten infolge wichtiger politischer Entscheidungen seit dem letzten Sommer nun ausgewogener sind, bleiben Abwärtsrisiken bestehen. Die in einigen Mitgliedstaaten sehr hohe Arbeitslosigkeit könnte den sozialen Zusammenhalt beeinträchtigen und sich verfestigen, wenn weitere Reformen ausbleiben. Generell bleibt die wirksame Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen und -strategien zur Stärkung der WWU-Architektur entscheidend, um erneute Fehlentwicklungen auf den Finanzmärkten zu verhindern. Was die Aufwärtsrisiken angeht, könnten die günstige Lage an den Finanzmärkten oder unerwartet schnelle Fortschritte bei der Anpassung und bei den Reformen eine raschere Rückkehr des Vertrauens bewirken und einen Konjunkturaufschwung vorantreiben. Das globale Wachstum könnte sich u. a. aufgrund der jüngsten expansiven Maßnahmen dynamischer als erwartet entwickeln. Auch bei den Inflationsaussichten halten sich die Risiken weiterhin in etwa die Waage.