Samstag, 14. Dezember 2024
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Die Reform, der man nicht nachweinen muss

Bild ©CC CC BY 2.0 Joel Kernasenko/Holding Graz via flickr (Ausschnitt)

Das von der Regierung nunmehr beschlossene Paket zur Reform der Gewerbeordnung hat die unterschiedlichsten Reaktionen erfahren. Genau genommen ist es gut, dass es nur zu einer so genannten Mini-Reform kam.

Man kann mit dem Reformeifer auch übers Ziel schießen. Das musste die SPÖVP-Regierung schlussendlich im Zuge der Beratungen über eine Novelle zur Gewerbeordnung zur Kenntnis nehmen. Im Sommer hatte es noch großspurig geheißen, dass künftig jeder der einen Gewerbeschein für ein reglementiertes oder für ein freies Gewerbe hat, alle freien Tätigkeiten ausüben darf. Damit sollten jährlich etwa 40.000 behördliche Anmeldeverfahren wegfallen. Außerdem soll der Berufszugang zum reglementierten Gewerbe modernisiert werden.

Kernpunkte der Novelle

Geblieben ist davon, dass manches einfacher und günstiger werden soll. Das beginnt mit einer merkbaren Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren. Das Gründungsprocedere soll über eine Behörde abgewickelt werden („one-stop-shop“). Von den Teilgewerben werden 19 frei zugänglich. Betriebsanlagen sollen schneller genehmigt werden und deutlich weniger Genehmigungen erfordern. Bei Sachverständigen hat man die aktuelle Regelung gelockert, gleichzeitig aber auch deren Ausbildung aufgewertet. Die Zahl der reglementierten Gewerbe bleibt jedoch fast unverändert, was von einigen Kommentatoren heftig kritisiert wird. Mehr noch, das gesamte Paket wird als eine Mini-Reform abgewertet.

Die Motive der Sozialpartner

Es waren die Sozialpartner, also Gewerkschaft und Wirtschaftskammer, die sich gegen einen Kahlschlag erfolgreich zur Wehr gesetzt haben. Wenngleich man in letzter Zeit gerne über diese Institutionen herzieht, sie gerne als Relikte der Vergangenheit abqualifiziert, in dieser Causa waren sie gut beraten, Bremsklötze beim Reformeifer anzulegen, um nicht übers Ziel zu schießen.

Die Wirtschaft in Österreich und in vielen Staaten Europas zeichnet sich unter anderem durch verantwortungsbewusste, geschulte Unternehmer hervorragend ausgebildete Fachkräfte aus. Dazu war und ist es auch weiterhin notwendig, dass für eine ganze Reihe gewerblicher Tätigkeiten eine entsprechende Ausbildung einfach notwendig ist. Das zeigt sich immer dann, wenn Konsumenten über eine nicht fachgerechte Beratung, mangelhaft ausgeführte Arbeiten klagen, Schaden erleiden und dann ihr Recht auf dem Klageweg suchen müssen.

Bestehen im Wettbewerb

Es besteht überhaupt keine Diskussion, dass bürokratische Hürden, sinnlose Mehrgleisigkeiten, administrative Schikanen beseitigt werden müssen. Gleichzeitig aber müssen erst Recht in einer globalisierten Welt besonderes Augenmerk auf das Know how und die Qualität gelegt werden. Dazu gehört, dass es einfach eine Reihe von Gewerbetätigkeiten geben muss, die an den Betreiber hohe Anforderungen stellen. Anforderungen, die man erwerben muss, die überprüfbar sind. Genau diese Rahmenbedingungen sind ausschlaggebend, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.

Duale Ausbildung als Vorzeige-System

Österreich wirbt in der Welt gerne mit seinem dualen Ausbildungssystem. Konkret heißt dies, dass die die Ausbildung jugendlicher Arbeitnehmer an zwei Lernorten erfolgt, nämlich im Betrieb und in der Berufsschule. Der praktische Teil der Ausbildung wird demnach den Auszubildenden in den Betrieben vermittelt, den theoretischen Teil übernimmt die Berufsschule. Darüber hinaus ist es vielerorts auch möglich Zusatzqualifikationen zu erwerben. Ganz entscheidend dabei ist auch die Qualifikation des Lehrbetriebes, der über die entsprechende Berechtigung und das nötige Fachwissen verfügen muss.

Dieses duale Ausbildungssystem ist in jenen Ländern, wo es den zentralen Eckpfeiler der Berufsausbildung bildet, nämlich in Österreich, Deutschland, der Schweiz und Südtirol, mit maßgebend für eine im Vergleich zum EU-Durchschnitt niedrige Jugendarbeitslosigkeit. Die Berufsschule auf der einen, benötigt das qualifizierte Unternehmen auf der anderen Seite. Von daher ist auch die Haltung der Sozialpartner zu verstehen, den Zugang zu einer Gewerbeberechtigung unter Kontrolle zu halten, um ein System nicht zu unterminieren, das sich nachweislich bewährt hat.

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