Donnerstag, 25. April 2024
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Wie sich der Freihandel nach Trump neu definieren wird

Bild © Creative Commons Pixabay (Ausschnitt)

Das Geschäftsmodell Asiens und Europas – „Alle exportieren in die USA, und die zahlt das auf Kredit“ – gerät ins Wanken. 800 Milliarden Dollar Handelsbilanzdefizit und eine Rekordverschuldung zwingen Amerika zum Umdenken. Wie es weitergehen kann.

Auch der internationale Handel unterliegt der Mode. Mal setzen sich Freigeister und Zollfeinde durch, mal Krämer und Kirchturm-Denker. Aktuell hat sich die Welt auf ein Modell verständigt, bei dem Europa hochwertige (und Asien eher einfachere) Güter in die USA liefert, und diese mit selbst gedruckten Dollars bezahlt. Oder mit Dollar-Anleihen, die man ausgerechnet an jene Länder verkauft, die ihre Exportdollars so anlegen.

Trump musste handeln

Diesem Modell verdankt Asien seinen Aufstieg und Europa seinen Wohlfahrtsstaat (und Amerika seine billigen Konsumgüter). Kein Wunder, dass der mediale Aufschrei übergroß ist, wenn Trump genau das auf den Prüfstand stellt.

Ein Amerika-Reiseführer ist heute „Printed in China“, der „Globalisierungsverlierer“ USA sitzt tief in der Bredouille. Waren 1980 noch 20 Millionen Amerikaner in der Industrie beschäftigt, sind es heute nur mehr 12 Millionen – obwohl die Bevölkerung in diesem Zeitraum um 90 Millionen angestiegen ist[1].

Die neuen Dienstleistungsjobs sind weniger produktiv, weniger innovativ und schlechter bezahlt, was die Kluft ansteigen ließ. Um den Lebensstandard aufrecht zu erhalten, mussten sich US-Staat, US-Kommunen, die Bundesstaaten und viele Private rekordhaft hoch verschulden. Über 100% des BIPs schuldet alleine der US-Staat der Welt – für den Import von Produkten, die es oft schon lange nicht mehr gibt.

Zoll-Getöse bringt Fabriken

Politneuling Trump war zwar mit einer großen Vision gekommen („Make America great again!“), doch ohne Masterplan. Nun versucht er es mit (linker) Anti-Freihandels-Rhetorik, auf die besonders jene Medien einsteigen, die früher Trumps Argumenten gefolgt waren.

Industriekapitäne legen offizielle Bekenntnisse zum Standort USA ab. Etwa Intel-Boss Brian Krzanich. Vor laufenden Kameras durfte er im Weißen Haus den Bau einer 7 Milliarden Dollar Fabrik mit 3000 neuen Jobs in Arizona verkünden (die freilich auch Obama schon in kleinerer Form angekündigt hatte).

Szenario 1: „TPP neu“ – Chance 25%

Der pazifische Freihandelsvertrag mit Ländern wie Japan, Vietnam oder Indonesien war unterschriftsreif. Unzählige (japanische) Fabriken waren aus dem Boden gestampft worden, um billig für die USA zu produzieren.  Dann ließ des Präsidenten „Njet!“ den Traum zerplatzen.

Nur ein Jahr später wollen Mazda und Toyota nun um 1,6 Milliarden Dollar neue Werke in den USA bauen[2], macht BMW 500 Millionen für das Werk in Spartenburg locker.

Trump könnte eine für Amerika günstigere Variante von TPP anstreben. Denn das Abkommen bindet Staaten wie die Philippinen oder Vietnam an Amerika und schwächt so den Erzrivalen China.

Szenario 2: NAFTA-Falle aufbrechen – Chance 50%

Die wahre Bedrohung lauert ohnedies im Nordatlantik-Freihandelsabkommen NAFTA. Aus Kanada gelangen Rohstoffe und Energie zollfrei in Trumps Imperium, und hinter der mexikanischen Grenze produzieren die Großen dieser Welt in gigantischen Industrie-Retortenstädten für den Amerika-Export. Zollfrei und zu Niedriglöhnen (zumindest im Vergleich zu „Old America“).

Zurzeit läuft die vierte NAFTA-Verhandlungsrunde und Trump wird viele seiner Forderungen durchsetzen – weil alleine seine Unterschrift genügt, um NAFTA binnen Halbjahresfrist in die ewigen Jagdgründe zu schicken. Wahrscheinlich werden stärkere Herkunftsregeln für mexikanische Importgüter gelten, werden grenzüberschreitende Ausschreibungen reduziert werden.

Szenario 3: Handelskrieg mit China – Chance 60%

Höhere Zölle für Importprodukte werden wohl kommen, aber nicht die laut herbeigeredete „chinesische Mauer“. Denn ein echter Handelskrieg mit China (Stichwort Stahlimporte) würde die wenigen verbliebenen Exportschlager Amerikas – Getreide, Milch und Flugzeuge – in China unter starken Druck bringen. Was Europa in die Hände spielte.

Eher könnte sich Amerika die Grauimporte via Postpaket vorknöpfen, denn das iPhone aus Hongkong lässt sich Henry Smith aus Greenfield als Privatsendung zollfrei schicken.

Szenario 4: Handelskrieg mit Europa – Chance 5%

Von Europas Medienindustrie als Armageddon im Kampf des Guten (Europas) gegen das Böse (Amerika) inszeniert, werden sie über das Stadium verwegener Gedankenspiele nicht hinauskommen: Zölle auf EU-Importe. Trumps Finanziers (wie seine ideologische Basis) rekrutieren sich aus europäisch-stämmigen Konservativen und Wirtschaftstreibenden, die einen Handelsstreit mit der alten Heimat auch als Schwächung des europäischen („weißen“) Geistes in Amerika betrachten. Ideologisch unvorstellbar.

Szenario 5: Bildungsschlacht statt Handelskrieg – Chance 5%

Zölle werden Amerika nicht re-industrialisieren. Denn die Gründe für Uncle Sams Misere liegen in seinem Bildungssystem. Ein Modell, das  die Europäische Union unter dem Namen „Bologna-Prozess“ nun in ganz Europa etablieren möchte: Wenige Akademiker von Spitzenunis ganz oben, dann eine Mittelschicht mit leichten, unbrauchbaren Modestudien – und darunter eine Masse ungelernter Arbeiter (bzw. Zuwanderer).

Amerikanische Schweißer, Maschinenführer oder Elektriker haben ihre Jobs nicht in der Berufsschule gelernt, sondern sind nur angelernt. Sie werden auch nicht – wie etwa in Österreich – von HTL-Ingenieuren geführt, sondern ebenfalls von Angelernten.

Entsprechend „Old School“ ist die Qualität von „Made in USA“.

Was wir lernen

Erstens. Amerikas schlampig zusammengepfuschte Produkte finden – außerhalb der USA – kaum noch Käufer. Ein „duales System“, inklusive Facharbeiter-Mittelschicht, könnte Abhilfe schaffen.

Zweitens. Europa braucht „echte“ Meister, statt  pseudoakademischer Fachhochschul-Lehrgänge.

Drittens. Hysterische Zolldiskussionen füllen alleine die Kassen von Medienunternehmen. Durchsetzbar sind sie nicht – zu sehr ist diese Welt bereits vernetzt.

Viertens. Europa lebt vom Freihandel (natürlich auch gerne in die USA). Dass eine WU Wien sich heute dem Kampf gegen Welthandel und gegen Marktwirtschaft verschrieben hat, ist eine Schande für das Land.

Denn es sind die WUs dieser Welt, die Zoll-Freaks wie Donald Trump den Weg bereiteten.

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[1] „USA: Der tatsächliche Niedergang einer Industrienation“, www.finanzmarktwelt.de, 11.5.2015

[2] Insider: Toyota und Mazda planen neues Werk in den USA, www.industriemagazin.at, 10.1.2018

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