Freitag, 19. April 2024
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Nach digitalen „Krypto-Währungen“ nun Run auf „Krypto-Kunst“

„Nicht-Fungible Token“ (NFT) – der „Krypto-Kunstmarkt“ boomt

Bild © CC0 Creative Commons, Pixabay (Ausschnitt)
1. Einführung

Aktuell sind „Krypto-Währungen“ und „Krypto-Kunst“ in aller Munde. Es hat sich daher der Autor dieses Beitrages bemüßigt gefühlt, diesen Phänomenen nachzugehen und sie entsprechend aufzubereiten. Auf diese Weise sind vier, thematisch eng zusammenhängende, Beiträge entstanden, die die neuen Erscheinungsformen digitaler Phänomene in aller Kürze beleuchten.

Nach der Darstellung der Entstehung und Ausbildung der wichtigsten „Krypto-Währungen“[1] sowie deren Funktion und Bedeutung für das aktuelle Geld- und Finanzsystem[2], wurde das sog. „Crypto-Valley“[3] näher betrachtet, in dem die Reglementierung und Vermarktung digitaler Währungen in Mitteleuropa schwerpunktmäßig stattfindet.

Ergänzend dazu bietet sich nunmehr, als vierte Thematik, die Erklärung des parallelen Phänomens der digitalen „Krypto-Kunst“ an. Ist für „Otto Normalverbraucher“ aber schon die Werthaltigkeit und Volatilität von Krypto-Währungen“, wie zB Bitcoin – das sich innerhalb eines Jahres (2020) vom einstigen Rekordstand von 20.000 US-$ bis Mitte April 2021 auf 64.895 US-$ mehr als verdreifacht hat[4] – kaum verständlich, so scheitert er vollends beim Verständnis für digitale Krypto-Kunst, hat er bisher doch unter einem Kunstwerk stets einen physischen Gegenstand (Bild, Skulptur, etc.) und keine bloß virtuelle Darstellung davon, zB auf einem Video-Clip, verstanden.

Dementsprechend kann sich der Normalbürger auch nicht erklären, wieso es dazu kommen konnte, dass das renommierte Auktionshaus Christie’s im März dieses Jahres eine digitale Collage des amerikanischen Digitalkünstlers „Beeple“ für fast 70 Mio. US-$ (!) versteigern konnte und den Künstler damit zum drittteuersten lebenden Künstler der Welt machte.[5]

Es gilt daher, der „Krypto-Kunst“, die in den letzten Monaten plötzlich entstanden ist und eine neue Generation von Käufern angezogen hat, nachzugehen und deren Hintergründe darzustellen. Handelt es sich dabei nur um eine Seifenblase, die jederzeit platzen kann, oder haben wir uns auf einen veritablen Kurswechsel am Kunstmarkt einzustellen? Zunächst geht es in diesem Zusammenhang aber um die Verortung der innovativen „Krypto-Kunst“ innerhalb der allgemeinen digitalen bzw. virtuellen Kunst.

2. Digitale, virtuelle und „Krypto-Kunst“

Digitale Kunst stellt einen Sammelbegriff für künstlerische Betätigungen dar, die in der Regel „digital“, dh unter Gebrauch eines Computers oder sonstiger digitaler Medien, erzeugt werden. Sie beruht daher auf digital kodierter Information, die meistens über einen PC verarbeitet wird. Diese, auch „Computerkunst“ genannte Kunstgattung, war in ihren Anfängen aber nicht immer digital, da Analogrechner eingesetzt werden konnten. Dementsprechend war elektronische Kunst in ihren Anfängen analog und muss auch heute nicht notwendigerweise digital sein. Vormals analoge Bereiche der Bildkunst werden aber heute regelmäßig digital weitergeführt.[6] In bestimmten Fällen sind die Dateien und digitalen Vorgänge sogar das eigentliche Kunstwerk.

Virtuelle Kunst stellt einen Sammelbegriff für die Virtualisierung künstlerischer Betätigungen dar, der auf der Verschmelzung von Kunst und Technologie fußt. Mit den, Mitte/Ende der 1980-er Jahre entwickelten Visualisierungstechniken, wird eine virtuelle bzw. erweiterte und verfremdete Realität erzeugt, die keine Grenzen kennt. Dabei werden Animationen, Filme, Computerspiele usw. verwendet, die zu einer kaum mehr nachvollziehbaren Multimediakunst geführt haben, wie dies vor allem von Frank Popper anschaulich dargestellt wurde.[7]

„Krypto-Kunst“ („NFT-Kunst“) bezeichnet digitale Kunstwerke, die in Form eines „Non-Fungible Token“ (NFT) bestehen, gekauft, verkauft oder digital gesammelt werden. Ein „Non-Fungible Token“ ist ein virtuelles Gut, das einmalig und nicht austauschbar ist und auch nicht zerstört werden kann. Im Gegensatz zu „Krypto-Währungen“ ist ein „Non-Fungible Token“ einzigartig und gewissermaßen ein virtuelles Sammlerstück, das anhand eines Zertifikats verkauft oder getauscht werden kann. Während „Fungible Tokens“ (FT) als Krypto-Währungen[8] eingesetzt werden, finden „Non-Fungible Token“ (NFT) überall dort Verwendung, wo virtuelle Güter als einmalige Objekte gesammelt oder gehandelt werden können. Da die Erstellung von „Non-Fungible Token“ auf der Blockchain-Technologie basiert, und damit eine digitale Verschlüsselungsoperation darstellt, wird die „NFT-Kunst“ auch synonym als „Krypto-Kunst“ bezeichnet.[9]

3. Technische Reproduzierbarkeit von Kunst

Im Gegensatz zur singulären Existenz eines Kunstwerks über viele Jahrhunderte hindurch, brachten die, Mitte des 20. Jhdts. aufkommenden, technischen Möglichkeiten der Vervielfältigung desselben, eine neue Betrachtungsweise von Kunstgegenständen hervor. Erstmals setzte sich der deutsche Philosoph Walter Benjamin, und zwar bereits 1935, mit der Frage auseinander, welche Wirkung die neu aufgekommenen Medien Photographie, Lithographie und Film eigentlich auf die Kunst an sich und deren einzelne Werke ausüben und verfasste dazu einen vielzitierten Aufsatz mit dem Titel: „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit[10], der der neuen Disziplin der Medienwissenschaft starke Impulse lieferte. Als Motto diente ihm dabei ein Zitat von Paul Valéry aus dem Jahr 1928[11], das das Thema des Aufsatzes bereits vorgibt, nämlich den „Wandel der Kunst durch den Einfluss der Technik“. Wenngleich Photographie und Film als Reproduktionstechniken zwar heute längst überholt sind, ist Benjamins Diagnose unserer Wahrnehmung von Kunst unter dem Einfluss von Massenmedien aktueller denn je.

Wenn man Kunstwerke durch technische Mittel massenweise vervielfältigen kann, verlieren sie damit aber ihre Einzigartigkeit und ihre „Aura“ verkümmert. Die Aura eines Kunstwerks ist an dessen einmaliges Dasein an dem Ort, an dem es sich befindet, gebunden. Nur der unmittelbare Betrachter, der vor dem Bild der „Mona Lisa“ von Leonardo da Vinci im Pariser Louvre steht, kann das Einzigartige dieses Kunstwerkes erkennen und auf sich wirken lassen. Die heutige Gesellschaft hat aber das Bedürfnis, die Einmaligkeit von Kunstgegenständen durch Reproduktionen zu überwinden und sich diese als „Abbild“ anzueignen. Die technische Reproduzierbarkeit verändert somit das Verhältnis der „Masse“ zur Kunst. Die Wahrnehmung von Kunst in der heutigen Zeit ist darauf ausgerichtet, das Einmalige zu vervielfältigen, wodurch aber die „Aura“ von Kunstgegenständen automatisch zerstört wird.

Mit der Reproduzierbarkeit von Kunst kommt aber auch ihr „kultureller Wert“ abhanden. Umso wichtiger wird dafür ihr „Ausstellungswert“, also der Marktwert von Kunstwerken, der mehr und mehr deren „Kultwert“ verdrängt. Der Marktwert ist dabei umso höher, je mehr ein Objekt den Anschein erweckt, nicht nur begehrenswert, sondern auch limitiert, bestenfalls einmalig, zu sein. Genau diesen Anschein einer „digital scarcity“ sollen heute „Non-Fungible Token“ (NFT) in die digitale Kunstwelt übertragen. Sie erschaffen die Illusion, dass etwas einzigartig ist, obwohl es beliebig oft kopiert und geteilt werden kann.

Das Absurde daran ist aber der Umstand, dass es dabei noch nicht einmal um digitalen Besitz und Eigentum daran mit seinen zivilrechtlichen Konsequenzen geht, da die Käufer von „Krypto-Kunst“, an dem „Kunstwerk“, das sie gekauft haben, weder Urheberrechte, noch Markenrechte erwerben, sondern nur die Bestätigung, dass ihre Kopie vom Kunstwerk, unter den tausendfach existenten, die einzig „authentische“ ist.[12]

Digitale Kunst wird aber für vererbbar angesehen, für deren Abwicklung sich auch schon eigene Bestattungsvorsorger, wie zB der „Wiener Verein“, anbieten.[13] Dabei muss aber zunächst die Ansicht, dass es sich bei Daten in Clouds meistens nicht um Vermögenswerte im Sinne des Erbrechts, sondern um persönlichkeitsrechtliche Belange handelt, die nicht auf die Erben übergehen, überwunden werden. Bei Benutzerkonten für „social media“, wie Google, Facebook, Apple uam, die vertraglich angelegt wurden, übertragen sich die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag für die Einrichtung derselben aber auf die Erben, sodass das Zugriffsrecht als vertragliches Recht auf die Erben übergeht.[14]

4. Der „Marktwert“ von „Krypto-Kunst“

Da es sich bei der „Krypto-Kunst“ um keine realen, physischen Kunstwerke sondern nur um deren digitale Abbildungen handelt, veranlasste dieser Umstand deren Apologeten, ein eigenes „Kunstverständnis“ zu entwickeln, im Rahmen dessen, wie vorstehend erwähnt, der „kulturelle Wert“ durch einen bloßen „Ausstellungswert“ ersetzt wurde, der auf dem Marktwert basiert. Um dieses außergewöhnliche Phänomen der „Krypto-Kunst“ und deren Entstehung wenigsten einigermaßen verstehen und nachvollziehen zu können, sollen nachstehend exemplarisch einige der wichtigsten einschlägigen Vorgänge kurz dargestellt werden.

Diesbezüglich begann alles vor genau zehn Jahren, als der 25-jährige Texaner Chris Torres ungewollt eines der größten Internet-Phänomene lostrat. Er entwarf, eher nebenbei, eine Cartoon-Katze mit einem Teiggebäck als Körper, die, während sie durch das Universum flog, eine Regenbogen-Spur hinterließ. Als verpixelte GIF-Animation[15] ging die „Nyan Cat“ um die Welt und wurde Anfang 2021 für 300 Ether – diese „Krypto-Währung“ war zum Kaufzeitpunkt umgerechnet knapp 600.000 US-$ wert – verkauft.[16] Gleichzeitig verwandelte der Twitter-Chef, Jack Dorsey, seinen ersten eigenen Tweet vom 21. März 2006 in einen „Non-Fungible Token“ (NFT) und verkaufte ihn an Sina Estavi, den CEO des Blockchain-Unternehmens Bridge Oracle, um 2,9 Mio US-$. Der Künstler Sean Williams wiederum verkaufte ein Foto um 7.000 US-$, das lediglich ein Loch in einer Wand seiner Wohnung zeigte, an die er am 25. Dezember 2020 versehentlich angestoßen hatte. Die kanadische Künstlerin Grimes verkaufte Ende Februar 2021 auf der Plattform Nifty Gateway eine Reihe von NFTs – digitale Gemälde, Animationen und Video-Clips – im Wert von 5.8 Mio US-$. Ein Clip, in dem Basketball-Star LeBron James den Ball in den Korb hämmert, wechselte für mehr als 200.000 US-$ den Besitzer. Ende Oktober 2020 gab ein Kunstsammler aus Miami fast 67.000 US-$ für einen Videoclip von 10 Sekunden aus, auf dem ein riesiger Donald Trump zu sehen war, der, nackt zusammengebrochen, am Boden liegt. Ende Februar 2021 verkaufte er das von Beeple angefertigte animierte Video dann für 6,6 Mio US-$ weiter, wobei Beeple, als Schöpfer dieses Clips, einen 10%-igen Anteil an diesem Verkaufspreis erhielt. Im April 2021 erhielt der Whistleblower Edward Snowden für ein digitales Selbstporträt eine großzügige Spende in Höhe von 5,5 Mio US-$, die er an die von ihm seit 2017 verwaltete Stiftung „Freedom of Press“ weiterleitete, usw.

Absoluter Rekordhalter in diesem Zusammenhang ist aber die Collage „Everydays: The First 5000 Days“ von Mike Winkelmann, einem amerikanischen Informatiker und Graphikdesigner (alias „Beeple“), die bei einer Versteigerung durch das renommierte britische Auktionshaus Christie’s am 11. März 2021 den Wert von sage und schreibe 69,346.250 US-$ (rund 57.8 Mio. Euro) erzielte. Bezahlt wurde das Werk, wie die meisten NFTs, mit der Kryptowährung Ether,[17] und zwar deshalb, da aktuell für die NFT-Zertifizierung vor allem die offene Ethereum-Blockchain zum Einsatz kommt, und in diesem Falle auch kam.[18] Die Versteigerung zog sich über zwei Wochen hin und erzielte insgesamt 353 Gebote. Einen Tag vor Auktionsschluss lag das Höchstgebot noch bei 9,75 Mio. US-$. Als das Gebot am letzten Tag der Auktion auf über 69 Mio US-$ anstieg, schalteten sich rund 22 Mio Interessenten auf der Website von „Christie’s“ hinzu, um den historischen definitiven Zuschlag miterleben zu können.[19] Wie Christie’s anschließend mitteilte, wurden mehr als die Hälfte der 33 Bieter in den Jahren 1981 bis 1996 geboren, dh waren lediglich zwischen 25 und 40 Jahre alt (sic).[20]

Das „Kunstwerk“ bestand aus 5.000 kleinen surrealen Bildern, die der Künstler „Beeple“ über die Online-Plattform Tumblr seit 2007 gepostet und anschließend zur gegenständlichen Collage zusammengefügt hatte. Der anonyme Käufer namens Metakovan enthüllte erst Wochen später seine Identität.[21] Es handelte sich um Vignesh Sundaresan aus Singapur, der Coder ist und als Krypto-Investor über seinen Fonds „Metapurse“ in Blockchain-Projekte aller Art investiert. Mit dem Erlös von über 69 Mio. US-$ ist „Beeple“ damit unter den Top 3 der „wertvollsten“ Künstler der Welt – hinter Jeff Koons und David Hockney.[22]

Aber nicht nur Christie’s sondern auch dessen größter Konkurrent, nämlich Sotheby, stieg in die Verwertung von Krypto-Kunst ein und brachte in einer Auktion am 14. April 2021 eine Serie von Dateien animierter Illustrationen mit dem Titel „Cube“ des Künstlers Pak zur Versteigerung, in der ein Erlös von 16,8 Mio US-$ erzielt wurde.[23]

Wie Annette Doms, eine Kunsthistorikerin aus München, feststellt, „hat der Verkauf der NFT-Arbeit von Beeple die Kunstwelt wachgerüttelt (…), und die Blockchain als Verifizierungs- und Authentifizierungs-Instrument wird sich sehr schnell im traditionellen Kunstmarkt etablieren“.[24] Ihrer Ansicht nach hat nunmehr ein regelrechter Hype um NFTs begonnen und die bahnbrechenden Ereignisse der letzten Zeit sind endlich eine Bestätigung der Entwicklungen von „digitaler Kunst“.

Neuerdings wird aber auch versucht, durch Börsengänge Kapital zu lukrieren. Vor allem streben NFT-Investmentfirmen Notierungen an der Londoner Börse an. So will die „NFT Investments“, eine Investmentfirma für NFT, durch die Notierung an der britischen Börse „Aquis Stock Exchange Global Market“ Investitionskapital im Wert von 10 Mio Britischen Pfund einnehmen. Das Unternehmen versteht sich als Investitionsvehikel für Krypto-Kunst, deren Krypto-Investmentfonds sich auf „Non-Fungible-Token“ (NFT) spezialisiert und sich durch die Börsennotierung eine Steigerung der eigenen Unternehmensbewertung auf 25 Mio Britische Pfund erhofft.[25]

Diesbezüglich bereits weiter ist die bekannte Krypto-Plattform Coinbase, die im Dezember 2020 der Börsenaufsicht SEC die erforderlichen Unterlagen für einen Gang an die Börse eingereicht hat. Am 1. April 2021 teilte das Unternehmen per Twitter mit, dass der Antrag bewilligt wurde und Coinbase ab 14. April 2021 an der Nasdaq gehandelt werden wird. Coinbase wird mit dem Börsengang keine neuen Aktien ausgeben, sondern wählte den Weg des „Direct Listing“, womit es auf die traditionelle Aktienerstemission (Initial Public Offering, IPO) verzichtet. Bei einem „Direct Listing“ veräußern Gründer, Mitarbeiter und Risikokapitalgeber ihre Aktien – oder Teile davon. Damit kann Coinbase auch auf die kostspieligen Dienste von Investmentbanken verzichten und den Eröffnungskurs des ersten Handelstages am Vorabend festlegen lassen, wobei es keine vorbestimmte Menge an Aktien gibt, die verkauft werden muss.[26]

Erreichte der gesamte NFT-Markt zum Zeitpunkt der Entstehung der Blockchain-Technologie, mit der sich NFT generieren lassen, einen Wert von nicht mehr als 42 Mio US-$, so schätzte die Marktforschungs-Website NonFungible.com den Wert desselben Ende 2020 bereits auf 338 Mio US-$.[27] Auf Grund des unglaublichen Hype im Gefolge der vorerwähnten Versteigerung der Collage von Beeple wurden allein 2021 auf dem NFT-Markt Kunstwerte im Wert von 2 Mrd US-$ gehandelt. Zum Vergleich: 2020 lag der Umsatz des gesamten globalen Kunstmarktes weltweit bei 50,1 Mrd US-$, brach in der Folge aber durch die Pandemie um 22 % ein.[28]

5. Wo werden die NFTs gehandelt?

Bisher wurden Werke der digitalen Kunst am sogenannten Primärmarkt, dh auf eigenen Plattformen verkauft. Erst die Versteigerung der Collage von „Beeple“ erfolgte am Sekundärmarkt, dh durch ein klassisches Auktionshaus, nämlich Christie’s. Mit dem Verkauf auf eigenen NFT-Plattformen umgehen Digitalkünstler bewusst Auktionshäuser, die von Käufern einen 25%-igen Aufschlag auf den Versteigerungspreis verlangen. Ebenso werden Transport- und Lagerungskosten eingespart.[29] NFT-Plattformen lassen sich zudem auch so programmieren, dass ein Künstler eine Lizenzgebühr bei jedem Weiterverkauf des Kunstwerks erhält. Im Gegensatz zu Aktien werden bei NFTs aber keine Dividenden gezahlt oder andere, konkrete Rechte eingeräumt.

Obwohl es die virtuelle „NFT-Kunst“ erst seit 2017 gibt, etablierten sich am Primärmarkt sehr rasch eine Reihe von NFT-Handelsplattformen, wie zB OpenSea, Rarible, SuperRare, Foundation, AtomicMarket, Myth Market, BakerySwap, KnownOrigin, Enjin Marketplace und Portion.[30] Daneben gibt es aber noch eine Fülle weiterer größerer Plattformen, wie zB Nifty Gateway, Makersplace, Async Art uam. Die Großen davon, wie zB Nifty Gateway, Makersplace oder SuperRare, werden kuratiert, sodass man sich als Künstler eigens bewerben und auch angenommen werden muss, bevor es auf diesen Plattformen überhaupt möglich ist, Kunstwerke einzustellen und anzubieten.[31]

6. Kritik an NFT

Sosehr sich die digitale Kunst aktuell auch zu etablieren beginnt, so gibt es doch eine Reihe von Argumenten, die gegen sie sprechen und zu Warnungen Anlass geben[32]. Abgesehen von der großen Volatilität von Krypto-Werten und dem exorbitanten Energieverbrauch für deren Erzeugung in einer Blockchain,[33] sind es vor allem mögliche Copyright-Verletzungen, wenn zB nicht nachgeprüft wird, ob ein Verkäufer auf der Blockchain wirklich die behaupteten Rechte besitzt. NFTs würden auch vorgaukeln, Unikate zu sein, was aber nicht immer stimmen müsse.

Außerdem gehört dem Besitzer das „Krypto-Objekt“ nur auf der Blockchain, auf der es erworben wurde. In den meisten Fällen ist dies die Ethereum-Blockchain. Theoretisch könnte aber jedes Objekt auf anderen Blockchains, die NFT unterstützen, wieder angeboten werden, womit die Einzigartigkeit zerstört wäre. Aber auch hier wird dazu noch angemerkt: „Welche Besitzansprüche in einem solchen Fall genau gelten würden, ist nach wie vor rechtlich ungeklärt“.[34]

7. Schlussbetrachtungen

Lässt man die vorstehenden Ausführungen vor seinem geistigen Auge Revue passieren, glaubt man seinen Augen nicht zu trauen. Wie kann es möglich sein, dass ein Abbild einer real nicht existierenden Collage von zusammengeklebten 5.000 Einzelbildern, die, jedes für sich, keinen wie immer gearteten künstlerischen Wert haben, bei einer Versteigerung knapp 70 Mio US-$ erzielt? Dabei handelt es sich nicht um das Sammeln eines außergewöhnlichen Kunstwerks, sondern nur um den Erwerb einer „einmaligen“ Kopie eines solchen, die anschließend wieder veräußert werden soll. Diese Spekulation auf einen möglichen späteren Wiederverkauf mit Gewinn ist es im Grunde, die den gegenwärtigen Hype auf Gegenstände der „Krypto-Kunst“ befeuert – die Frage ist nur, auf wie lange.

Ob es in Verfolg des gegenwärtigen Hype um „NFT-Kunst“ zu einer dauerhaften Ausbildung eines eigenen „Krypto-Kunstmarktes“ kommen wird, wird sich zeigen, wobei aber dessen Singularität und die wechselhaften Rahmenbedingungen dafür eher eine skeptische Einschätzung nahelegen.

In diesem Zusammenhang kann aber auch folgende Vermutung angestellt werden. Bedingt durch die thematische Nähe der „Krypto-Kunst“ zu „Krypto-Währungen“ stehen beide Ausprägungen virtueller Phänomene in einem gegenseitigen Naheverhältnis – so werden ua „Krypto-Kunstwerke“ regelmäßig auch mit „Krypto-Währungen“, wie Bitcoin und Ether, bezahlt – und bedingen einander. Es kann daher mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit der Schluss gezogen werden, dass der „Krypto-Kunstmarkt“ so lange bestehen bleiben wird, solange es auch „Krypto-Währungen“ (für dessen Finanzierung) gibt.

_____________________________

[1] Hummer, W. Von LIBRA zu DIEM, EU-Infothek vom 19. Februar 2021, S. 1 ff.

[2] Hummer, W. Virtuelle Währungen (sog. „Krypto“-Währungen) und deren Bedeutung für das herkömmliche Geld- und Finanzsystem, EU-Infothek vom 29. März 2021, S. 1 ff.

[3] Hummer, W. Das „Crypto-Valley“ als europäische Schwerpunktregion für digitale Assets und die Stellung Österreichs dazu, EU-Infothek vom 30. März 2021, S. 1 ff.

[4] Bitcoin markiert neues Allzeithoch, Wiener Zeitung vom 15. April 2021, S. 11; mit ein Grund dafür dürfte der am 14. April 2021 erfolgte Börsengang der Handelsplattform Coinbase sein.

[5] Weiss, S. Krypto-Kunst wird für Millionen verkauft, NZZ vom 14. April 2021, S. 19; vgl. dazu nachstehend.

[6] Vgl. Lieser, W. Digitale Kunst (2009); Paul, C. Digital Art (2011).

[7] Popper, F. From Technological to Virtual Art (2006); vgl. auch Grau, O. Virtuelle Kunst: Von der Illusion zum Eintauchen (2003); Nechvatal, J. Frank Popper und virtualisierte Kunst, Tema Celeste Magazine: Ausgabe 101, Winter 2004, S. 48 ff.

[8] Vgl. Hummer, Virtuelle Währungen (sog. „Krypto“-Währungen) und deren Bedeutung für das herkömmliche Geld- und Finanzsystem (Fn. 2).

[9] Vgl. Scheer, U. Rekordverkauf bei Christie’s: Siebzig Millionen Dollar für eine Datei, in FAZ.NET vom 11. März 2021.

[10] Siehe dazu die vielfältigen Bearbeitungen des Originalartikels aus 1935 bei Benjamin, W. Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Mit Ergänzungen aus seiner Ersten und Zweiten Fassung (2011); vgl. dazu Schöttker, D. Kommentar zu Walter Benjamin. Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit.

[11] Valéry, P. Pièces sur l‘art (1962).

[12] Vgl. Orizet, J. Der Monopoly-Mann und die Krypto-Kunst, Netzwoche vom 31. März 2021, S. 2, vgl. auch Aiyer Ghosh, R. CODE. Collaborative ownership and the digital economy (2006).

[13] Vgl. Stefan, L. Die Suche nach dem digitalen Nachlass, nzz.ch vom 1. November 2016

[14] Vgl. Lötscher, C. Wer erbt einen digitalen Nachlass?, nzz.ch, vom 9. März 2021.

[15] Das „Graphics Interchange Format“ (GIF) verknüpft mehrere Bitmap-Graphikdateien zu einem animierten Bild, sodass man GIFs als ein Mittelding zwischen Bildern und Videos einordnen kann; vgl. Baird, F. So erstellen Sie ein GIF – der komplette Leitfaden; blog.hootsuite.com/de/gif/-erstellen-leitfaden/#was

[16] Vgl. Blumenstein, T. Wenn eine Regenbogenkatze eine halbe Million Euro wert ist, vom 10. März 2021.

[17] Hummer, Virtuelle Währungen (sog. „Krypto“-Währungen) und deren Bedeutung für das herkömmliche Geld- und Finanzsystem (Fn. 2).

[18] Vgl. Bauer, M. Krypto-Kunst für 69 Millionen US-Dollar verkauft: Was steckt hinter NFT?, vom 12. März 2021.

[19] Feinig, S. Auktionshaus Christie’s verkauft digitales Kunstwerk für rund 60 Millionen Euro, vom 16. März 2021.

[20] 69 Millionen Dollar für Beeple-NFT bei Christie’s, dpa vom 11. März 2021.

[21] Vgl. Peer, M. Krypto-Auktion: Rätsel um mysteriösen Käufer von 69 Millionen Dollar teurem Digitalkunstwerk gelüftet, Handelsblatt vom 19. März 2021.

[22] Weiss, Krypto-Kunst wird für Millionen verkauft (Fn. 5); Schallenberg-Kappius, J. Krypto Art: Wie fälschungssichere digitale Originalwerke den Kunstmarkt revolutionieren, vom 23. März 2021.

[23] Digitale Kunst. Hype geht weiter: Sotheby’s erste NFT-Auktion erlöst 16,8 Millionen Dollar, vom 15. April 2021.

[24] Interview zu NFT von Joana Ortmann mit Annette Doms, Wie digitale Originale die Kunstwelt revolutionieren, vom 12. März 2021.

[25] Vgl. Thomson, G. NFT-Investmentfirma strebt Notierung an Londoner Börse an, vom 1. April 2021.

[26] Vgl. Grundlehner, W. Der Krypto-Handelsplatz Coinbase konkretisiert den Gang an die Tech-Börse, nzz.ch, vom 6. April 2021.

[27] Weiss, Krypto-Kunst wird für Millionen verkauft (Fn. 5).

[28] Schallenberg-Kappius, J. Krypto Art: Wie fälschungssichere digitale Originalwerke den Kunstmarkt revolutionieren, vom 23. März 2021.

[29] Weiss, S. Krypto-Kunst wird für Millionen verkauft (Fn. 5).

[30] Top NFT Marketplaces for Creators to Sell Non-Fungible Tokens, Influencer Marketing, vom 7. April 2021.

[31] Vgl. Schwan, B. Hype um NFTs: „Die Krypto-Szene zieht eine neue Art von Künstlern an, Technology Review, vom 16. März 2021.

[32] Steinschaden, J. Krypto-Kunst: Erste Warnungen vor NFTs kommen auf, NFT Yourself, vom 10. März 2021.

[33] Laut dem Datendienst Digiconomist verbrauchen die Schürfer aller digitalen Kryptowerte pro Jahr weltweit rund 94 Terawattstunden (TWh) Elektrizität, während Österreich 2020 vergleichsweise mit 73,5 TWh Strom auskam; Auer, M. Der Bitcoin-Boom wird zum Desaster für die Umwelt, Die Presse vom 10. April 2021, S. 17; vgl. auch Fulterer, R. – Oesch, J. Bitcoins müssen grüner werden, NZZ vom 14. April 2021, S. 22 f.

[34] Linke, M. Ist das noch Kunst?, finanzfluss vom 26. März 2021.

Ein Kommentar vorhanden

  1. Exzellente Betrachtung des neuesten digitalen Hype-Phänomens.

    Die totale Belanglosigkeit des angeblichen Kunstwerks bemerkt man erst, wenn man es gesehen hat. Das ist wirklich Wir-basteln-eine-Bilder-Collage-in-der-Schulklasse.

    Wertlos aber perfekt gehyped. Es geht nur darum, in diesem Spiel nicht der Letzte zu sein, der aussteigt. NFTs sind als Spekulations-Instrument für Trader sehr interessant.

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