Die FPÖ setzt bei der EU-Wahl auf bewährte Kräfte. Im Interview mit der EU-Infothek erläutert Spitzenkandidat Andreas Mölzer, warum es im kommenden Mai seiner Meinung nach um eine Richtungsentscheidung geht.
[[image1]]Sie haben kürzlich die Beschränkung der Zuwanderung durch die Schweiz begrüßt, was jetzt von der EU sanktioniert wird. Stehen Sie in diesem Konflikt auf Seiten Brüssels, das alle Mitgliedsländer gleich behandeln will oder auf Seiten von Berns, das sich bei den Verträgen mit der EU die Rosinen herauspicken will?
Hier geht es nicht um Rosinenpickerei, sondern um eine direktdemokratische Willensäußerung der Bevölkerung eines souveränen Staates mit dem Ziel, die Zuwanderung auf ein für das Land sozial verträgliches und für die Wirtschaft nach wie vor vernünftiges Maß zu reduzieren. Man wird sehen, wie die Quotenregelung im Endeffekt gestaltet sein wird, aber ich gehe davon aus, dass die Schweiz alle EU-Staaten gleich behandeln wird.
Wie beurteilen Sie die in diesem Streit die von der EU geplanten Sanktionen gegen die Eidgenossen?
Die geplanten oder bereits von einigen Politikern des EU-Establishments angedrohten Sanktionen zeigen das mangelnde Demokratieverständnis in den Führungszirkeln der EU. Sie wirken auf mich wie die Reaktion eines beleidigten Kindes, das seinen Willen nicht durchsetzen kann. Sie sind sachlich nicht gerechtfertigt, schließlich hat die Schweiz ja kein sofort gültiges Einreiseverbot für EU-Bürger verhängt, und außerdem für beide Beteiligten schädlich.
Missbrauch der Freizügigkeit soll Konsequenzen haben
In Deutschland wird darüber diskutiert, EU-Ausländer auszuweisen, die von ungerechtfertigten Sozialleistungen der Gastgeberländer profitieren, was aber ím Widerspruch zum freien Personenverkehr steht. Wie ist Ihr Standpunkt dazu?
Es muss für die Nationalstaaten möglich sein, Sozialmissbrauch zu bekämpfen und abzustellen, ohne die Freizügigkeit dabei per se einzuschränken. Der Missbrauch des Freizügigkeitsrechts muss klare aufenthaltsrechtliche Konsequenzen haben. Fälle von ungerechtfertigter Inanspruchnahme von Sozialleistungen müssen nicht nur den Verlust des Freizügigkeitsrechts nach sich ziehen, sondern auch eine Wiedereinreisesperre. Die angesprochenen Fälle zeigen, dass der Kern des Problems ein europarechtlicher ist. Das Gemeinschaftsrecht ist diesbezüglich anzupassen und die europäische Freizügigkeitsrichtlinie zu ändern.
Laut Meinungsumfragen wird es bei der EU-Wahl einen Dreikampf zwischen ÖVP, SPÖ und FPÖ geben. Wollen Sie angesichts der weit verbreiteten EU-Skepsis der Österreicher in erster Linie EU-kritische eingestellte Wähler ansprechen?
Wir Freiheitliche wollen jene Österreicher ansprechen, die für ein konföderiertes Europa souveräner Nationen und selbstständiger Völker eintreten, somit für eine Abkehr vom derzeit eingeschlagenen Weg der Zentralisierung und Errichtung eines multiethnischen, von Bürokraten aus Brüssel regierten, europäischen Superstaates, genannt die „Vereinigten Staaten von Europa“. Somit Menschen, die der europäischen Integration grundsätzlich positiv gegenüberstehen, die Fehlentwicklungen der EU aber ablehnen bzw. dies sehr kritisch betrachten.
Inwieweit spielen innenpolitische Vorgänge wie die Pleite der Kärntner Hypo beim Wahlgang eine Rolle?
Die Verluste und die mögliche Pleite rund um die dilettantische Verstaatlichung der Hypo International werden aufgrund der aktuellen Diskussion sicherlich eine gewisse Rolle spielen.
Gegen den Weg der Zentralisierung
Mit welchen Themen wollen Sie die heimischen EU-Skeptiker an die Wahlurnen bringen?
Die EU-Wahl am 25. Mai ist eine Richtungsentscheidung. Wollen wir noch mehr Zentralisierung und Entmündigung in Form der „Vereinigten Staaten von Europa“ oder wieder mehr Demokratie und Selbstbestimmung durch eine Konföderation von souveränen Nationalstaaten?
Gerade die Probleme mit der gemeinsamen Währung Euro zeigen sehr drastisch und offensichtlich, dass der Weg der Zentralisierung der Falsche ist. Es ist absurd, die zunehmenden Probleme, die durch die Vergemeinschaftung entstehen bzw. entstanden sind, durch noch mehr Zentralisierung von Entscheidungen und Kompetenzen lösen zu wollen.
Wir müssen ein paar Schritte zurück machen, vor den Vertrag von Maastricht, als die EU noch eine Erfolgsgeschichte war und nicht nur Frieden und Stabilität, sondern auch wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand gebracht hat.
Ein zentrales Europa, in dem nicht gewählte Bürokraten im fernen Brüssel Entscheidungen, die bis ins Alltagsleben der Bürger reichen, treffen und die regionalen und nationalen Instanzen de facto ausschalten oder bevormunden, kann nicht wünschenswert sein. Projekte wie der Euro oder die Bankenunion mit grenzüberschreitenden Haftungen teilen die europäischen Völker in Gläubiger und Schuldner und bringen die Völker Europas wieder gegeneinander auf.
Wie lautet das Wahlziel der FPÖ am 25. Mai?
Möglichst viele wahlberechtigte Österreicher für eine Trendumkehr zu motivieren.
Laut der jüngsten Eurobarometer-Umfrage sprechen sich zwei Drittel für den Erhalt des Euro aus. Sieht die FPÖ trotzdem Handlungsbedarf bei der Wirtschafts- und Währungsunion?
Mir ist weder der Sample noch die genaue Fragenstellung bekannt, daher kann ich diese Umfrage nicht kommentieren. Viel wichtiger als Umfragen sind aber die Fakten. Und die zeigen, dass es für Länder wie Griechenland oder Portugal unmöglich ist, im Euro wieder wettbewerbsfähig zu werden, d. h. die Wirtschaft wieder aufzurichten und Arbeitsplätze zu schaffen. Nur durch die Wiedereinführung der eigenen Währung können diese Länder wieder auf den Erfolgsweg zurückkehren. Das dogmatische Festhalten der EU am Euro in den Schuldenländern führt zu einem jahrelangen Siechtum ohne Aussicht auf Erfolg und bringt eine verlorene Generation hervor. Dies alles schadet der europäischen Idee immens.
Viele Ökonomen und Politiker fordern einen Einfluss Brüssels auf die nationalen Fiskalpolitiken – Stichwort EU-Finanzminister – um die Währungsunion dauerhaft zu stabilisieren. Was halten Sie davon?
Diese von Ihnen genannten Personen, die vorwiegend aus den Südländern stammen, wollen in erster Linie die so genannte Transferunion realisieren. Diese könnte den Zusammenbruch der Eurozone zwar verzögern, verhindern kann sie ihn aufgrund der teils massiven Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedern der Währungsunion aber nicht. Nur eine Reduktion der Eurozone auf wirtschaftliche ähnlich starke Volkswirtschaften kann Stabilität bringen. Hier könnte eine übergeordnete Instanz, die in erster Linie das Defizit im Auge hat, jedoch nicht in die detaillierte Budgetplanung der Mitgliedsstaaten eingreift, durchaus sinnvoll sein.
Was versprechen Sie sich von der von Ihnen vorgeschlagenen Verkleinerung der EU-Kommission, zumal dies bei kleineren Ländern auf Ablehnung stoßen dürfte?
Wir Freiheitliche wollen eine Reform der EU-Verträge und eine Rückübertragung von Kompetenzen an die Nationalstaaten. Nur was unbedingt notwendig ist, soll auch auf europäischer Ebene abgehandelt werden. Oder, um es mit der Subsidiaritätsklausel, die derzeit von der EU-Kommission völlig missachtet wird, auszudrücken, alles was auf regionaler und nationaler Ebene besser administriert werden kann, soll auch dort entschieden werden.
Auf EU-Ebene verbleiben würden dann u. a. die gemeinsame Handelspolitik, Verkehrspolitik, Umweltpolitik oder die Außen- und Sicherheitspolitik, die aus unserer Sicht stärker koordiniert werden sollte, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Dafür brauche ich keine aufgeblähte Kommission, die derzeit vorwiegend als Ausgedinge abgehalfterter Politiker fungiert. Eine Reduktion der Kommission war übrigens auch im ursprünglichen Lissabon-Vertrag vorgesehen.
Wie stellen Sie sich einen umfassenden Bürokratieabbau in der EU – der hierzulande laut Umfrage große Zustimmung finden würde – vor?
Eine Reduktion von EU-Kompetenzen bedeutet auch eine Einsparung im Bereich der Bürokratie. Denken Sie nur an den Agrarbereich, wo Unsummen allein in der Administration der komplizierten Anträge versickern. Wir könnten unsere Bauern weit effizienter und billiger von Österreich aus fördern. Generell sollte das üppige EU-Fördersystem reduziert und vereinfacht werden. Die Kohäsionspolitik ist laut EU-Rechnungshof ein Paradies für Missbrauch. Ich bin für Anschubfinanzierung bzw. zeitlich begrenzte Hilfen, aber nicht für Dauersubventionierung.
Die Abhöraffäre überschattet das Verhältnis zwischen Brüssel und Washington. Hat die EU Ihrer Meinung nach die richtigen Konsequenzen daraus gezogen?
Die EU agiert auch hier wie ein zahnloser Tiger und macht sich lächerlich. Die massiven und nachweisbaren Vorwürfe und Abhöraktionen hätten zu viel stärkeren Reaktionen seitens der EU und zum Abbruch der Verhandlungen über die transatlantische Freihandelszone führen müssen.
Wie beurteilen Sie die Erweiterungspläne der EU und wäre ein Beitritt der Türkei sinnvoll?
Alle Balkanstaaten sollten – bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen – früher oder später der EU beitreten. Im Falle von Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo müssen natürlich zuerst auch die internen Probleme geklärt werden. Mit der Türkei, die religiös und kulturhistorisch in der islamischen Welt verankert ist, sollte eine privilegierte Partnerschaft ausgehandelt werden.