Donnerstag, 3. Oktober 2024
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Migration & Integration: Lohn und Hohn für Ausländer

Die Vereinigten Staaten von Amerika galten seit ihrer Gründung stets als Paradies für Einwanderer. Aus aller Herren Länder haben sich dort unentwegt Menschen angesiedelt, um im Land der unbegrenzten Möglichkeiten eine neue Heimat zu finden und ein besseres Leben führen zu können: Taxilenker aus Russland, Drogendealer aus Mexiko, Wissenschafter aus Großbritannien, Gastronomen aus Österreich und Multimillionäre aus Griechenland prägen die Identität dieses Landes ebenso mit wie asiatische High tech-Spezialisten, jüdische Architekten, arabische Studenten, italienische Pizzaköche und der afroamerikanische Präsident.

[[image1]]Barack Obama, der auf Grund seines jüngsten Debakels bzw. des republikanischen Triumphs bei den Midterm-Wahlen politisch zu einer „lame duck“ („lahmen Ente“) schrumpft, ist dennoch mit einem Alptraum konfrontiert: In seiner Amtszeit haben sich die Bedingungen für Migranten deutlich verschlechtert, und aus der von ihm versprochenen Einwanderungsreform ist nichts geworden. Seit 2009 hat die US-Regierung bereits zwei Millionen illegal eingewanderte Menschen abgeschoben, und noch immer leben mehr als elf Millionen ohne Papiere in den USA, wobei der überwiegende Teil aus Mexiko stammt. Der Präsident will nunmehr speziell sozial ausgegrenzten Hispanics und Latinos im Alleingang ein temporäres Bleiberecht gewähren – vorausgesetzt, diese sind unbescholten, halten sich bereits fünf Jahre im Land auf und zahlen ihre Steuern. Der Widerstand der Republikaner ist zwar enorm, doch notfalls möchte Obama diese Maßnahmen per präsidialen Dekreten durchsetzen. Laut Umfrage des TV-Senders NBC lehnen jedoch 48 Prozent der Amerikaner seine Reformpläne ab, nur bei 38 Prozent findet der Präsident Zustimmung. Daher muss er zugleich Milliarden Dollar einsetzen, damit vor allem Kriminelle sowie Minderjährige, die – oft ohne Eltern – vor Gewalt und Armut in Ländern wie Guatemala, Honduras oder  El Salvador geflohen und illegal in die Staaten gekommen sind, wieder ausgewiesen werden können.

Wann kommt die EU-Strategie?

Obwohl es heute bereits ziemlich schwierig ist, in die Vereinigten Staaten einzuwandern – man benötigt dafür entweder ausreichend Kapital, eine besondere Qualifikation oder zumindest Glück beim Lotteriespiel um die  Green Card – leben dort immer noch – legal oder illegal – weitaus mehr Einwanderer als in jedem anderen Land der Welt. Alles in allem sind rund 40 Millionen Menschen – rund 13 Prozent der Gesamtbevölkerung (Stand: 2010) – im Ausland geboren, allen voran in Lateinamerika, Asien und Europa. Sie haben sich vorwiegend in vier Bundesstaaten angesiedelt – Kalifornien, New York, Texas und Florida. Vor allem ethnische Minderheiten beeinflussen die Bevölkerungsstruktur der USA signifikant, weil sie wesentlich schneller wachsen als die „weiße“ Bevölkerung. Die US-Administration hat selbst nach dem Schock von 9/11, der starke Abgrenzungstendenzen ausgelöst hatte, alljährlich etwa einer Million Menschen eine permanente Aufenthaltserlaubnis erteilt. Im Jahr 2011 etwa erhielten rund 700.000 Personen, die Großteils aus Mexiko, Indien, den Philippinen und China stammten, gemäß Einbürgerungs-gesetzgebung die US-Staatsbürgerschaft.

Die Eingliederung von Migranten ist naturgemäß auch für Brüssel ein riesiges Thema: Die einschlägigen Sorgen für den neuen EU-Präsidenten Jean-Claude Juncker und die 28 Regierungschefs in den Mitgliedsstaaten sind jedoch nicht ganz so massiv wie jene Obamas – nicht zuletzt deshalb, weil es in Europa schätzungsweise „nur“ etwa 3,8 Millionen Einwanderer ohne Aufenthaltsgenehmigung gibt. Diese sind überwiegend in Krisenländern wie Griechenland, Italien, Spanien und Portugal als „U-Boote“ unterwegs und letztlich dafür mitverantwortlich, dass Migrationspolitik auch für die Union ein permanent heißes Thema ist. In Madrid musste sich die damalige Regierung im Jahr 2005 notgedrungen dazu entschließen, 750.000 illegal eingewanderten Menschen ein Bleiberecht zu gewähren.

Nachdem das Meinungsklima in Europa traditionell und überall etwa im Hinblick auf polnische Handwerker, portugiesische Bauarbeiter oder rumänische Bettler von latenter Angst bzw. unübersehbarer Abneigung geprägt ist, verhalten sich die EU-Staaten gegenüber zuwandernden Menschen aus anderen Ländern relativ restriktiv. Auch bei Asylbewerbern und Flüchtlingen zeigen sie ziemlich wenig Hilfsbereitschaft, was bei Tragödien à la Lampedusa immer wieder für eine breite Empörung sorgt, die allerdings ohne Konsequenzen bleibt. Brüssel möchte zum einen die illegale Einwanderung bekämpfen – dabei geht es um Personen, die ohne gültiges Visum oder gültige Aufenthaltsgenehmigung in die EU kommen oder dort nach Ablauf der Gültigkeit ihres Visums bleiben – , und zum anderen mittels eines ausgewogenen Konzepts die legalen Migrations-ströme optimal steuern. Eines Konzepts, das indes noch nicht wirklich existiert. So hat die EU etwa die Befugnis, die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zum Zwecke der Beschäftigung, des Studiums oder der Familienzusammenführung festzulegen, die Mitgliedsstaaten legen letztlich fest, wie viele Menschen aus Drittländern bei ihnen einreisen dürfen um beispielsweise Arbeit zu suchen. Das heißt: Es gibt zwar zu diesem Themenkomplex – Stichworte: Migration, Mobilität, Integration etc. – jede Menge EU-Richtlinien und -Programme, aber tatsächlich geregelt im Sinne von gelöst ist EU-weit fast nichts.

Wie brisant und schwierig beispielsweise die soziale Eingliederung von Migranten in der EU28 ist, belegt eine kürzlich veröffentlichte Studie von Eurostat, der EU-Statistik-Zentrale in Luxemburg: Ihr zufolge war im Jahr 2013 nahezu die Hälfte der Nicht-EU-Bürger ab 18 Jahren von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Im Vergleich dazu betrug diese Quote bei den Einwohnern der EU-Staaten, sowie für Staatsbürger aus anderen Mitgliedsländern bloß 22,8 bzw. 28,1 Prozent. Die Lebensbedingungen der „Zugereisten“ waren also auf Grund fehlender Geldmittel eingeschränkt, sodass sie beispielsweise nicht in der Lage waren, ihre Rechnungen zu bezahlen, ihre Wohnung angemessen zu heizen oder einen einwöchigen Urlaub zu finanzieren. Am schlimmsten waren diesbezüglich Nicht-EU-Bürger in Griechenland, Belgien, Spanien und Frankreich dran – vergleichsweise am besten erging es dagegen jenen in der Tschechischen Republik, Malta, in den Niederlanden, Estland – und Österreich (mit einem Wert von 37,2 Prozent).

Die To-do-Liste ist lang

Die rot-weiß-rote Republik verdankt jedenfalls den fast 1,4 Millionen hier lebenden Menschen, die nicht in Österreich geboren wurden, dass die Bevölkerungszahl trotz tendenziell sinkender Geburtenraten stetig mehr als 8,5 Millionen angestiegen ist. Wenn es derzeit 16 von 100 Österreichern sind, deren Geburtsort im Ausland liegt, werden es im Jahr 2030 laut Prognose der Statistik Austria schon 22 Prozent und im Jahr 2060 nicht weniger als 26 Prozent sein. Am stärksten ist der Migrationshintergrund laut aktuellem „Integrationsmonitor“ in der Bundeshauptstadt ausgeprägt, wo praktisch jeder Zweite betroffen ist: Der Anteil der in der Fremde geborenen „Wahl-Wiener“ beträgt schon 31 Prozent, weitere 18 Prozent sind MigrantInnen der Zweiten Generation. Ohne Zuwanderung würde Wien, das Jahr für Jahr um rund 20.000 Neuzuwanderer wächst, aber wohl niemals die für Ende des nächsten Jahrzehnts prognostizierte 2-Millionen-Marke schaffen. Obendrein würde die Einwohnerzahl in Österreich bis zum Jahr 2075 auf unter sechs Millionen schrumpfen.

Im Schnitt sind in den vergangenen vier Jahren jeweils 116.000 ausländische StaatsbürgerInnen nach Österreich zugewandert. Das Gros waren Personen aus dem EU- und EWR-Raum, wobei wiederum jene aus den ab 2004 beigetretenen Ländern wie Rumänien und Ungarn vor den deutschen Staatsangehörigen rangierten. Etwas mehr als 40.000 Zuwanderer pro Jahr waren schließlich Drittstaatsangehörige. Insgesamt lebten am 1. Jänner 2014 rund eine Million Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in der Republik, demnach 12,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Hälfte davon stammt aus EU-Ländern, die andere Hälfte aus Nicht-EU-Staaten

Die Realität schaut, um nochmals den Wiener „Integrationsmonitor“ zu zitieren, für die meisten Betroffenen alles andere als rosig aus: In der Bundeshauptstadt darf zum Beispiel jeder Vierte nicht wählen. Zuletzt wurden lediglich sieben von 1.000 hier lebenden ausländischen StaatsbürgerInnen eingebürgert. Bildungsabschlüsse aus dem Ausland sind definitiv weniger Wert als österreichische: Obwohl jeder zweite der seit Mitte der Neunzigerjahre Zugewanderten ein Maturazeugnis mitbrachte, müssen sich 34 Prozent der gut ausgebildeten Ausländer mit Hilfs- und Anlerntätigkeiten begnügen, was besonders Frauen betrifft. Und selbst bei ausbildungsadäquater Beschäftigung ist die Entlohnung von MigrantInnen in der Regel niedriger als bei Einheimischen. Das jährliche Haushaltseinkommen von Familien aus Drittstaaten ist in den vergangenen zehn Jahren nicht gestiegen: Es beläuft sich im Durchschnitt auf 15.000 Euro netto, während Haushalte aus den neuen EU-Staaten mit 18.000 Euro rechnen können – immerhin um 5.000 Euro weniger als bei Haushalten ohne Migrationsbezug. Auch leistbares Wohnen ist zumeist ein Riesenproblem: Ausländer, die nach Wien zuwandern, haben deutlich – nämlich um ein Drittel – höhere Mietkosten zu berappen und sind auch von Kostensteigerungen am häufigsten betroffen. Das ist folglich nur durch kleinere Wohnungen zu kompensieren: Im Schnitt stehen neu Zugewanderten, heißt es im Bericht, mit 26 Quadratmeter pro Kopf nur halb so viel Wohnraum zur Verfügung wie WienerInnen ohne Migrationshintergrund.

Kurzum: Österreich hat als Einwanderungsland, zwar nicht ganz uneigennützig, schon einiges geleistet, aber in Zukunft noch etliche Hausaufgaben zu erledigen. Ein Glück, dass die Probleme hier zu Lande nicht ganz so knifflig sind wie für Barack Obama …
 

Bild: Andrea Damm  / www.pixelio.de

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