Freitag, 19. April 2024
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Die schwierige Suche der europäischen Konservativen nach einem Spitzenkandidaten

Die Linke war am schnellsten. Als erste europäische Partei präsentierte sie mit dem Griechen Alexis Tsipras ihren Spitzenkandidaten für die Europawahlen Ende Mai. Die Konservativen sind am langsamsten. Erst Anfang März wird die Europäische Volkspartei (EVP) bei ihrem Parteitag in Dublin festlegen, mit welchem Kandidaten sie ins Rennen gehen will.

[[image1]]Die langwierige Suche nach einer geeigneten Persönlichkeit zeigt, wie schwer sich die Partei mit dem neuen Verfahren der Jobvergabe in Brüssel tut. Der Vertrag von Lissabon sieht vor, dass der künftige Präsident der EU-Kommission „im Lichte“ des Ergebnisses der Europawahl entschieden wird. Die Europa-Abgeordneten sehen dies als klare Anleitung, dass Parteien mit einem Spitzenkandidaten antreten sollen, der bei einem Sieg im Herbst die Leitung der EU-Kommission von José Manuel Barroso übernehmen wird. Unter den Staats- und Regierungschefs ist dies nicht ganz so akzeptiert. Am Schluss könnte die Personalie doch wieder in einem Hinterzimmerdeal entschieden werden.

Zwei EU-Politiker haben bisher Interesse an einer Kandidatur für die EVP angemeldet: Der abgewählte luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker und der bisherige Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Beide sind klar auf Jobsuche. Juncker fühlt sich mit 59 Jahren noch zu jung für den Ruhestand, Barnier (63) sucht nach einer Anschlussverwertung, wenn er Ende Oktober aus der EU-Kommission als Kommissar ausscheidet. Die sozialistische Regierung von François Hollande wird ihn mit Sicherheit nicht mehr nach Brüssel entsenden, sondern einen Politiker aus den eigenen Reihen auswählen.

Zeit für Wahlkampf

Ohne Posten hätte Juncker Zeit für einen europäischen Wahlkampf. Barnier könnte sich von seinem Kommissionsposten beurlauben lassen, wie es auch andere Kollegen machen werden, die sich um einen Sitz im Europäischen Parlament bewerben. Zeit für eine Kampagne hätten also alle beide – im Gegensatz zu den amtierenden Ministerpräsidenten, die ebenfalls im Gespräch sind. Der Finne Jyrki Katainen beispielsweise könnte schlecht die Amtsgeschäfte in Helsinki ruhen lassen.

Die britische „Financial Times“ berichtet bereits, dass Juncker sich die Unterstützung der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel gesichert habe und somit zum Favoriten geworden sei. Das würde dafür sprechen, dass Merkel einen erfahrenen Europäer in den Wahlkampf schicken möchte, am Schluss aber jemand anderen zum Kommissionschef küren will. Der redegewandte Juncker, der auf deutsch, englisch und französisch Wahlkampf führen könnte wäre dem Spitzenkandidaten der Sozialisten, dem Deutschen Martin Schulz, rhetorisch etwas überlegen.

Innerhalb der EVP ist Juncker, der einst mit Helmut Kohl den Euro aus der Traufe hob, allerdings umstritten. Als „Mann von gestern“ bezeichnet ihn ein wichtiger Europaabgeordneter. Auch sein exzessiver Genuss von Alkohol und Drogen schreckt manche ab. Anfang Januar hatte der Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem erstmals offen darüber gesprochen, bisher galt das Thema als tabu, auch wenn viele Finanzminister in Brüssel genervt waren, dass Juncker während der Sitzungen rauchte und nicht nur Wasser trank. Juncker hält sich selbst für fit genug, um den Job des Kommissionspräsidenten zu übernehmen. Er hatte allerdings den Job des Eurogruppenpräsidenten an den Nagel gehängt, weil er sich aufgezehrt fühlte.

Sollte Juncker für die EVP antreten, wird er wohl kaum Kommissionspräsident. Ein Trostpflaster wird ihm die Partei anbieten müssen, aber der Hauptpreis wird mit sehr großer Wahrscheinlich an jemand anderen gehen. Der Kompromisskandidat muss nicht nur bei Staats- und Regierungschefs ankommen, sondern auch von der Mehrheit der Europaabgeordneten gewählt werden.

Um die Zustimmung der beiden größten Fraktionen zu bekommen, muss ein Personalpaket geschnürt werden, das alle zufrieden stellt. Darin wird nicht nur die Ratspräsidentschaft, die EU-Außenvertretung und der Vorsitz des Europäischen Parlaments enthalten sein, sondern vermutlich auch der Nato-Generalsekretär. Dabei wird der übliche Proporz zwischen großen und kleinen Ländern  sowie nördlichen und südlichen gelten. Und Frauen müssen bei der Postenvergabe berücksichtigt werden. In der EVP gibt es deswegen Stimmen, die für die IWF-Chefin Christine Lagarde werben, eine Juristin und ehemalige französische Finanzministerin. Mit der ersten Frau an der Spitze der Kommission könnte die EVP bei den Sozialisten auf Gefallen stoßen, so das Kalkül von Abgeordneten. Lagarde würde allerdings nie ihr Mandat für einen Wahlkampf mit ungewissem Ausgang aufgeben. Deswegen wird sie mit Sicherheit nicht Spitzenkandidatin.

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