Freitag, 29. März 2024
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Das Vabanquespiel mit der Regierungsbildung

Parlamentssaal in der Wiener Hofburg. Bild © CC Oktobersonne/Wikimedia (Ausschnitt)

An der Volkspartei führt keine Regierungsbildung vorüber. Diese ist aber entscheidend für die Zukunft des Landes und der Partei.

Mit einem Votum von 37,5 Prozent und einem Abstand von 16,3 Prozent zur SPÖ ist die ÖVP die einzige noch große Volkspartei. Sie verdankt dies einem Kurswechsel, den Sebastian Kurz im Frühjahr 2017 in Angriff genommen hat. Entscheidend war, dass er dabei auf die Stimmungslage in der Bevölkerung Rücksicht nahm und auf die Karte „Mitte-Rechts“ setzte. Im Gefolge der vorzeitigen Nationalratswahlen 2019 blieb man diesem Kurs treu und propagierte bloß eine Fortsetzung des bisherigen Weges. Was auch der Wähler entsprechend honorierte, indem man nicht nur die bisherigen Wähler bei der Stange halten konnte, sondern zusätzlich 258.000 Stimmen von der FPÖ hinüber zur ÖVP wanderten. Damit hat Kurz letztlich den Auftrag erhalten, weiter die Spur auf „Mitte-Rechts“ zu halten.

Kurz zeigt keine Präferenz

Das ist die Faktenlage und an sich die Ausgangslage für die Regierungsverhandlungen. Die allerdings mit einigen Hypotheken belastet sind und die Bildung der nächsten Bundesregierung zu einem riskanten Unternehmen, einem Vabanquespiel machen. Das wiederum hängt mit den drei potentiellen Koalitionspartnern zusammen. Die NEOS sind da aus dem Spiel und bloß Zuschauer. Aus der Umgebung des künftigen Bundeskanzlers heißt es dazu, dass er noch keine Präferenz hat, sehr offen in die Gespräche mit der SPÖ, der FPÖ sowie den Grünen gehen, sich aber nicht vom medialen Druck beeinflussen lassen will. Und der ist erheblich.

Sozialpartner aus dem Spiel

Die schwächste Option hält derzeit die SPÖ in ihrer Hand. Und das trotz der Versuche der Sozialpartner, eine Wiederbelebung der türkis-roten Zusammenarbeit zu versuchen. Jetzt allerdings zeigt sich, dass die alte Sozialpartnerschaft Geschichte ist und keine Rolle als so genannte Nebenregierung mehr spielt. Als völlig offen sieht man den Weg, den die Sozialdemokratie in Zukunft gehen will. Und zwar in Österreich und in Europa. Hierzulande hängt nicht nur das Schicksal von Pamela Rendi-Wagner in der Luft (jedenfalls bis nach den kommenden beiden Landtagswahlen) sondern es droht auch eine Spaltung in einen pragmatischen und einen linken Flügel. Das zeigt sich unter anderem an Hand der Migrationsfrage, wo die SPÖ eine diffuse Haltung einnimmt, sowie in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, die immer wieder von klassenkämpferischen Tönen begleitet wird.

Weitgehend inhaltliche Übereinstimmung

Abwartend, aber durchaus offen, sieht man das Verhältnis zur FPÖ. An sich gibt es in der ÖVP unverändert gewichtige Stimmen, die für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit sind. Und das durchaus im Wissen, dass man jene Wähler, die man jetzt bei den Wahlen hinzugewonnen hat, auch entsprechend politisch „bedienen“ muss. Viel wird davon abhängen, wie die Freiheitlichen in nächster Zeit mit der Aufarbeitung der „Causa Strache“ und der „Causa Ibiza“ zurechtkommen. Eine entscheidende Rolle sieht man derzeit bei Parteichef Norbert Hofer, wie es ihm gelingt, die Freiheitlichen neu aufzustellen und zu konsolidieren. Was die inhaltliche Positionierung betrifft, so gibt es hier jedenfalls die größte Übereinstimmung.

Die Grünen als Risikofaktor

Eine „Causa sui generis“ ist das Verhältnis zu den Grünen. Und zwar abgesehen davon, dass in der öffentlichen Meinung ein Druck für eine türkis-grüne Koalitionsbildung aufgebaut wird. Nicht zuletzt weil man plötzlich im Klimaschutz ein Heilmittel zur Lösung aller Probleme sieht und auch noch glaubt, einen Kompromiss mit deren Lösungsvorschlägen, die zum Teil Steinzeitcharakter haben, suchen zu müssen. Dazu kommt, dass man in den westlichen Bundesländern an sich gut auf Landesregierungsebene mit den Grünen zusammenarbeitet. Gleichzeitig aber vergisst, dass schon seit Gründung der Grünen in den 1980er Jahren diese in eher konservative Gruppen im Westen und fundamentalistische im Osten gespalten sind. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Mit einer solch gespaltenen Gruppe die nächsten fünf Jahre Regierungsarbeit zu leisten, ist noch nicht vorstellbar.

Kurswechsel würde Wähler irritieren

Sorge besteht vor allem, wie sich die Wähler der Volkspartei zu einem solchen Experiment verhalten würden. Wäre dies doch fast zwangsläufig mit einem gewissen Kurswechsel, von Mitte-Rechts nach Mitte-Links verbunden. Was ohne Zweifel so manche der derzeitigen Volksparteiwähler veranlassen könnte, sich neu zu orientieren. Damit aber würde wohl der Status der Kurz’schen ÖVP als jene Partei, an der bei einer Regierungsbildung kein Weg vorbei geht, verloren gehen. Auch andere Parteienkonstellationen wären plötzlich wieder möglich. Und vom internationalen Image, denn davon das Österreich für die Bildung einer konservativ-grünen Regierung Applaus erhält, wird man auf längere Sicht politisch nicht leben können.

Volkspartei muss auf ihr Erfolgsmerkmal achten

Damit aber stellt sich auch schon die Koalitionsfrage. Postings, wie etwa dass die Grünen keine Steigbügelfunktion für Kurz & Co erfüllen werden, zeugen von Realitätsverlust. Viel gewichtiger freilich ist, dass in Bezug auf das Regierungsprogramm derzeit bloß bei etwa 20 Prozent eine Übereinstimmung zwischen den Vorstellungen der ÖVP und jenen der Grünen besteht. Wie es da zu einem Kompromiss kommen kann, steht derzeit jedenfalls in den Sternen. Einmal mehr geht es dabei aber darum, dass gerade die Volkspartei in den zentralen politischen Positionen auf ihr Profil als Partei der Mitte achten muss und dieses auch behalten muss. Änderungsbedarf besteht da derzeit kaum einer. Schließlich geht es dabei auch um ein Erfolgsmerkmal der Jahre 2017 und 2019, das zu gefährden, leichtfertig wäre.

Minderheitsregierung als reale Option

Daher rückt auch die Möglichkeit einer Minderheitsregierung sehr ernsthaft in den Mittelpunkt der Überlegungen. Das so genannte freie Spiel der Kräfte, das in der Zeit der Übergangsregierung von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein für so manche kostenintensive Gesetzesbeschlüsse und Irritationen gesorgt hat, ist nicht gerade eine Empfehlung für diese Art des Regierens, aber auch nicht von der Hand zu weisen. Ist es doch durchaus denkbar, dass es der Volkspartei gelingt, partielle Vereinbarungen mit den übrigen Parlamentsparteien zu schließen, Mehrheiten zu finden und wichtige Vorhaben auf den Weg zu bringen. Von der Digitalisierung bis hin zum Klimaschutz. Tatsache ist, dass sich Österreich einen Stillstand bei der Realisierung großer Reformen keinen Stillstand leisten kann, die derzeitige Übergangsregierung das Mandat dazu nicht hat und daher dringender Bedarf nach einer handlungswilligen Regierung besteht.

2 Kommentare

  1. Glaube die FPÖ träumt von einer anderen Welt: sind doch gerade in perfekter Manier von „Hintermännern-keine Frauen?“abgeschossen worden: Ibiza terminlich optimal platziert, dann als Nachschuss der Skandal dass FPÖ Positionen mit FPÖlern besetzen will, und als Schlussgag dann der Korruptionsskandal der sich laut Meinungsforschern so knapp vor der Wahl nicht mehr auswirken kann! Jetzt heißt es das hat der FPÖ 4% Stimmen – von 20% prognostizierten auf 16% gekostet! Neidgesellschaft – Guccitasche der Frau Strache – sicher ergaunert und Spesenkonto (das muss ja wer bewilligt haben) so was mag der brave Österreicher gar nicht! Somit perfektes Timing und Sieg der “ Hintermänner!“.
    Die FPÖ fällt mittlerweile schon im knien um. Verstehe das Problem nicht ganz : Wenn ein Politiker eine Partei von 5-6% auf 25-30% führt, sollte man ihm doch einen Vorstandsgehalt- so die Hälfte Von Novamatic – zugestehen!
    warum sollen Politiker immer im Büßerhemd herumlaufen??Weiteres Skandaldetail :Strache bekommt 2000 Wohnungszuschuß von der Partei! Geht im Prinzip niemanden was an!
    Ziel erreicht, FPÖ am Boden! Es wurde doch Kurz gezwungen via Kickl die Koalition zu sprengen, warum soll er sie jetzt wieder reanimieren? Das darf er nie! Die FPÖ muss zu zur Kenntnis nehmen dass die linke EU keine Rechtsparteien haben will und begonnen mit den Sanktionen immer trachtet Österreich „Rechtsfrei“ zu halten. Da hat sich nichts geändert!Einzige Chance der FPÖ wäre diese Hintermänner aufzublatteln! dann sind sofort die Stimmen der Leute die zu Kurz gewechselt sind und 200.000 Nichtwähler wieder da!
    Es gibt sicherlich schon wieder Videos von der FPÖ für die nächsten Wahlen ( Straches Handy hat sicherlich ein paar dubiose Gesprächspartner!) Auch die Türkisen hat man doch in IT- Aktion die viel Geld gekostet hat- abgesaugt? Warum wohl? Sicherlich nicht Neugierde!
    Solange man sich Mafiamethoden gefallen lässt wird man zur Musik der Mafia tanzen müssen!

  2. Herr Kurz, jede Leihstimme von den Freiheitlichen ist nicht zuletzt dank einer schmutzigen, anonymen Spesen-Anzeige der letzten Tage vor der Wahl mit Abstrichen zu Ihnen marschiert. Das bürgerliche Lager, für das Sie auch zu stehen versprachen, gehört am heutigen Tag nicht zu den Siegern. In Wahrheit hat die sehr beliebte Regierungsform 3 Prozent verloren, das linke Lager bestehend aus SPÖ, GrünInnen und Neos aber gesamtheitlich zugelegt, übrig bleibt daher eine Rückkehr der Stillstands- und Streitkoalition mit dem Verlierer SPÖ oder das Marihuana- Experiment mit den Gewinnern, den GrünInnen. Ob das der Wunsch Ihrer Wähler war, werden Sie nach dem Siegesrausch erfahren. Es ist ein schändliches Spiel, auf Kosten des eigenen Partners zu gewinnen, anstatt den Wettbewerb mit den linken Regierungsgegnern zu suchen. Sie haben heute gesiegt, der Erfolg ist Ihnen nicht zu nehmen. Es ist aber ein Pyrrhussieg. Denn nach der Feier kommt der Kopfschmerz– denn der Preis für die Bürger ist hoch: CO2 Steuern, Mineralölsteuern, eine Rücknahme der restriktiven Sicherheitspolitik. Ein kurzfristiger Erfolg für Sie, Herr Kurz – neidlos zugestanden. Eine teuere Zukunft für die Österreicher!

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