Freitag, 26. April 2024
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Minister Blümel: „Westbalkanländer brauchen realistische Beitrittsperspektive“

Bild © photonews.at/Georges Schneider – By Bundesministerium für Europa, Integration und ÄußeresKonferenzdiskussion zur `ZUKUNFT DER EU` (42217680784) – Wien 21.06.2018 – Das österreichische Ausseministerium (BMEIA) lud heute in der Österreichischen Nationalbank (ÖNB) zu einer hochkarätig besetzten Konferenzdiskussion mit dem Thema: `ZUKUNFT DER EUROPÄISCHEN UNION` ein. PHOTO: erstes Panel mit u.a. Gernot Blümel (ÖVP), CC BY 2.0 via Wikimedia Commons (Ausschnitt)

 

Als Kanzleramtsminister ist Gernot Blümel (36) zuständig für EU-Angelegenheiten, Kultur und Medien.  Im Interview mit der EU-Infothek spricht der enge Vertraute von Bundeskanzler Sebastian Kurz über die geplante EU-Erweiterung, den österreichischen EU-Vorsitz in der zweiten Jahreshälfte 2018 und mögliche Veränderungen im Bereich der Kulturförderungen.

Harte Linie gegenüber London

Bestand beim Brexit ursprünglich die Befürchtung, Großbritannien könnte die EU-Mitgliedsländer auseinanderdividieren und sich Rosinen herauspicken, scheint sich jetzt der Spieß umgedreht zu haben. Wird Brüssel die harte Linie gegenüber London bis zum Schluss durchziehen?

Wir dürfen uns keinesfalls auseinanderdividieren lassen. Auch wir als EU27 haben mit dem EU-Chefverhandler einen guten Vertreter unserer Interessen.  Wie sich die Verhandlungen weiter entwickeln werden, kann niemand so genau abschätzen. Es wurden gute Fortschritte erzielt, aber es gibt – so wie die Frage der Grenzregelung zwischen Irland und Nordirland – noch einige Hürden.

Beim Thema, ob die Nettozahler nach dem Austritt Großbritanniens stärker zur Kasse gebeten werden sollen, hört sich die Einigkeit in der EU aber wieder auf. Wie will Österreich hier eine Mehrheit für seine Position gewinnen, dass Brüssel die wegfallenden Beiträge Großbritanniens durch Einsparungen kompensieren soll?

Das ist das nächste Thema, das uns vor allem in der Zeit unserer EU-Ratspräsidentschaft vor besondere Herausforderungen stellen wird. Die Herangehensweise, dass eine Lücke einfach gestopft wird, ist für Österreich nicht die richtige. Diese Zeit der Umbrüche bietet vor allem Gelegenheit im System und an der Struktur zu sparen. Das ist der österreichische Standpunkt, den wir mit anderen Nettozahlern bereits besprechen. Anschließend wird eine gemeinsame Lösung unter den EU27 gesucht werden.

Nach überstandener Wirtschaftskrise ist die Aufnahme weiterer EU-Mitglieder wieder zum Thema geworden. Glaube Sie, dass die Österreicher einer neuerlichen Erweiterung der EU positiv gegenüberstehen?

Ich glaube, dass den Westbalkanländern eine realistische Beitrittsperspektive geboten werden sollte. EU-Kommissar Hahn hält 2025 für eine realistisch-optimistische Richtschnur dafür. Österreich wird diese Länder weiterhin bei der Annäherung begleiten. Wenn die österreichische Bevölkerung diesen Annäherungsprozess, was Rechtsstaatlichkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Meinungsfreiheit betrifft, positiv erlebt, sehe ich kein Hindernis.

Welches Land sehen Sie am ehesten reif dafür, in den nächsten Jahren die EU aufgenommen zu werden?

Montenegro und Serbien werden als die beiden Länder gesehen, für die ein Beitritt bis 2025 am möglichsten erscheint.

Sind die Misstönte nach Ihrem Telefonat mit Ihrem ungarischen Amtskollegen Lazar wegen des beleidigenden Facebook-Videos über Wien beseitigt?

Die Beziehungen zwischen Österreich und Ungarn werden nicht durch ein Facebook-Video beeinträchtigt werden. Aber ja, es hat ein sehr gutes Gespräch zwischen mir und Minister Lazar stattgefunden, indem ich klargemacht habe, dass unabhängig der guten bilateralen Beziehungen zwischen Ungarn und Österreich, derartige Äußerungen nicht akzeptabel sind. Es braucht bei der Lösung von Problemen im eigenen Land keine Zurufe von außen. Er hat seinerseits betont, dass es sich um einen privaten Aufenthalt gehandelt habe und seine Aussagen nicht die offizielle Position Ungarns sind. Er wollte damit keine Differenzen erzeugen.

Sicherheit als Hauptthema bei österreichischem EU-Vorsitz

Der österreichische Ratsvorsitz naht. Auf welche Bereiche wird Österreich die Schwerpunkte legen?

Wir werden einen Beitrag leisten zu einem Europa, das schützt. Die Prioritäten des österreichischen EU-Vorsitzes liegen somit bei den Säulen Sicherheit & Migration sowie Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Hier werden wir uns dem Thema Digitalisierung widmen. Die dritte Säule ist die Sicherheit in der Nachbarschaft, bei der wir vor allem in Richtung Westbalkan blicken werden.

Die FPÖ drängt auf eine Reform des ORF. Wie beurteilen Sie diese Forderung angesichts des klaren Votums in der Schweiz für öffentlich-rechtliches Radio und Fernsehen?

Ich bin ein Freund von Veränderung, wenn es denn eine braucht. Wichtig ist für mich aber einen echten medienpolitischen Diskurs in Österreich zu starten, der dem Thema gerecht wird. Wir sind in Vorbereitung einer Medienenquete. Dort wollen wir uns mit medienpolitischen Inhalten und den Zukunftsfragen für den Medienstandort Österreich beschäftigen und alle Fragen in diesem Zusammenhang diskutieren.

Österreich ist ein Kulturland von Weltruf. Gibt es Bereiche, in denen Sie öffentliche Förderungen erhöhen oder senken bzw. umschichten wollen?

Öffentliche Förderungen sind sinnvoll und notwendig, wenn Österreich den Ruf einer exzellenten Kunst- und Kulturnation weiter aufrecht erhalten können soll. Von Seiten des Bundes werden jährlich über 100 Millionen Euro an Förderungen in den unterschiedlichen Bereichen vergeben. Wichtig ist, dass das Geld auch bei den Künstlerinnen und Künstlern ankommt, statt in administrativen Strukturen zu versickern, daher muss das Förderwesen transparent und nachvollziehbar gestaltet sein. Außerdem arbeiten wir an einer Digitalisierung und Modernisierung der Förderverwaltung, indem die Einreichung von Anträgen künftig auch online möglich sein soll.

Pflegen Sie engen Kontakt zu heimischen Künstlern und welchen Bereich der Kunst und Kultur bevorzugt der Kulturminister privat?

Kunst und Kultur ist vieles: gleichzeitig fordernd und befreiend, verstörend und verbindend, laut und manchmal ganz verinnerlicht. Vor allem eine tragende Säule unserer Gesellschaft und Garant dafür, dass nichts unhinterfragt bleibt – somit ist mein Kunstverständnis ein sehr weites und mein Blickwinkel darauf sehr frei. Ich freue mich über jeden Kontakt mit Künstlerinnen und Künstlern und bin froh, dass das nun auch Teil meines Berufs ist.

Spitzenkandidat der ÖVP für Wien-Wahl 2020

Wie schätzen Sie die Chancen der ÖVP angesichts des Wechsels an der SPÖ-Spitze bei der nächsten Wien-Wahl ein und werden Sie als Spitzenkandidat antreten?

Dafür ist es noch viel zu früh eine Einschätzung zu treffen, aber das Ergebnis der Wahl zum Nationalrat hat schon bewiesen, dass der Veränderungskurs in Österreich angekommen ist und auch in Wien fortgesetzt werden kann. Aber für mich ist klar: Ich werde definitiv als Spitzenkandidat für die Wiener ÖVP zur Wahl 2020 antreten.

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