Freitag, 29. März 2024
Startseite / Allgemein / Zielpunkt-Pleite: Der Unternehmer als Zielscheibe

Zielpunkt-Pleite: Der Unternehmer als Zielscheibe

In alten Krimis ist manchmal der Gärtner der Mörder. An der Börse ist der blauäugige Kleinanleger oftmals der Teschek. Im Fußball ist zumeist der Schiedsrichter der Buhmann. Und im Wirtschaftsleben ist, sobald etwas schief läuft, immer der Unternehmer der Sündenbock.  Das bekommt gerade der 49-jährige Lebensmittelhändler Georg Pfeiffer am eigenen Leib zu spüren.

Seit er die Zielpunkt-Gruppe überraschend in den Konkurs geschickt hat, ist er von manchen Medien in beinahe gnadenloser Manier zum  „Buhmann der Nation“ („Format“) gestempelt worden. Dass er seinen  MitarbeiterInnen weder die November- noch die Dezember-Gehälter samt Weihnachtgeld  auszahlt und 2.700 MitarbeiterInnen knapp vor Weihnachten den Job verlieren, sorgt für allgemeine und landesweite Empörung. Gewerkschaftsbonzen wie etwa Wolfgang Katzian polterten – ohne auch nur einen Hauch von Beweisen vorzulegen – darauf los, dass der Firmenchef aus Traun (OÖ.) nach einem teuflischen „Masterplan“ vorgegangen sei, die Pleite mutwillig herbeigeführt habe und letztlich dank eines  – durchaus noch aufklärungsbedürftigen – Immobiliendeals von dieser Katastrophe  noch profitieren werde. Pfeiffer, der sein Scheitern als „absoluten Albtraum“ bezeichnet, weist derartige Anwürfe als „absurde Hirngespinste“ zurück.

Für die Medien, insbesonders die reißerischen Boulevardtitel, ist eine solche Story natürlich ein gefundenes Fressen, eine Chance, die sie weidlich ausnutzen. Die betreffenden Journalisten stellen sich automatisch auf die Seite der Belegschaft, die von dieser Mega-Insolvenz schwer betroffen ist. Es werden jede Menge Einzelfälle von jungen Kassiererinnen geschildert, die ohne Geld dastehen, ihren Kredit nicht mehr bedienen oder sich die Wohnung nicht mehr leisten können. Und die Verantwortung dafür trage selbstverständlich der böse Chef, der selber stinkreich sei, die 229 Läden aber dennoch zusperren werde. Auf diese Weise wird die ohnedies schon beträchtliche unternehmer-skeptische, ja wirtschaftsfeindliche Grundstimmung in diesem Land nur noch künstlich aufgebauscht.

Die Gewerkschafter wiederum sollten sich deshalb mit ihren klassenkämpferischen Wortmeldungen zurückhalten, weil sie es zum einen vielen Betrieben mit ihren oft überzogenen Forderungen schwer genug machen, halbwegs erfolgreich zu agieren, und weil sie zum anderen als notorische Verhinderer von nötigen Maßnahmen gar nicht so selten mitschuldig sind, wenn ein Unternehmen den Bach runtergeht. Im Übrigen sollte der ÖGB auch deshalb nicht so große Töne spucken, weil das, was mit der früher ihm gehörenden Bawag passiert ist, noch in bester Erinnerung ist.

„Ein naiver Optimist“

Aber bleiben wir bei den Fakten: Georg Pfeiffer, ursprünglich mit C + C und Nah & Frisch ein gar nicht so unbedeutender Gastro-Großhändler, hat Anfang 2013 die schon damals angeschlagene Zielpunkt-Gruppe, vermutlich in einem Anfall von Selbstüberschätzung, übernommen. Sicher in der Hoffnung, dass er den Turnaround schaffen und mit der wenn auch immer schon unklar positionierten Handelskette zu einem unübersehbaren Player der Branche werden könne. In der Tat hat die Pfeiffer-Gruppe nach dieser riskanten Übernahme ihren Gesamtumsatz innerhalb von drei Jahren um 68 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro gepusht. Laut Firmenangaben sollen immerhin rund 50 Millionen Euro in marode Zielpunkt-Märkte gesteckt worden sein. Als begnadeter Stratege mit genialen Ideen hat sich Pfeiffer jedoch nicht gerade erwiesen, sodass beispielsweise die erforderlichen Sanierungs- bzw. Umstrukturierungsmaßnahmen unterblieben sind – ohne sein Engagement wäre Zielpunkt jedoch wohl schon längst in der Versenkung verschwunden.

Noch im vergangenen Jänner hatte sich der Firmenchef auf der eigenen Homepage als „Österreichs dynamischster Lebensmittelhändler“ feiern lassen. Da war keine Rede davon, dass von den 229 Zielpunkt-Filialen in vier Bundesländern – Wien, Niederösterreich, Steiermark und Burgenland – bestenfalls jede dritte gewinnbringend gearbeitet hat. Und auch die internen Zukunftsprognosen müssen noch etwas rosiger ausgesehen haben, aber was das betrifft, stuft sich Pfeiffer selbst als einen „naiven Optimisten“ ein. Ab Oktober spielte es auf Grund „plötzlicher, massiver Umsatzeinbrüche“ in der Trauner Firmenzentrale jedenfalls Granada: Als sich die täglichen Verluste auf 50.000 Euro summierten, kam der Eigentümer endgültig zum Schluss, dass selbst im Geschäftsjahr 2020/21 noch keine schwarzen Zahlen möglich wären. Für das „Fass ohne Boden“ (Pfeiffer) war damit das Aus besiegelt, denn zuvor ist auch die Suche nach potenziellen Investoren gescheitert. Angesichts des Schuldenbergs – Aktiva von 12,3 Millionen Euro stehen Passiva in Höhe von 237 Millionen gegenüber – wurde Zielpunkt zu einem Bauchfleck der Sonderklasse, von dem 2.700 direkt, im weiteren Sinn rund 3.000 Mitarbeiter sowie rund 500 Gläubiger betroffen sind. Der oberösterreichische Familienkonzern sieht sich selbst als Hauptgläubiger und muss nach bisher vorliegenden Informationen zumindest 30 Millionen Euro an Forderungen abschreiben.

So wirklich rund muss es bei Pfeiffer längst nicht mehr gelaufen sein, sonst hätte er nicht das Herzstück seiner Holding, C + C Pfeiffer, vor kurzem zum Verkauf ausgeschrieben. Die Großhandelsfirma für Gastronomie, Hotellerie und Gewerbetreibende, die ein aus 25.000 Artikel bestehendes Food- und Nonfood-Sortiment anbietet und fast 470 Millionen Euro umsetzt, wird – wie Anfang November besiegelt wurde – ab 1. Jänner 2016 zu 100 Prozent von der Schweizer Coop-Tochter Transgourmet gehören, der Nummer Zwei im europäischen Abholgroßhandel.

Kurzum: Georg Pfeiffer hat es in einem Handelsbereich, bei dem maximal eine Rendite von ein bis zwei Prozent drinnen ist, nicht geschafft, sich einen Traum zu verwirklichen. Er ist an einer kniffligen Problemstellung zerbrochen, bei dem sich vermutlich auch wahre Wunderwuzzis die Zähne ausgebissen hätten. Ihn deshalb medial zur Schnecke zu machen bzw. als eine Mischung aus Totalversager und nur auf seinen Vorteil bedachtes Schlitzohr zu ächten, ist unfair und ungerecht. Das Scheitern gehört ebenso zum Geschäftsleben wie Erfolge, Profite, Expansion  und Investitionen – auch wenn es dafür in einem recht wirtschaftsfeindlichen Land wie Österreich nur wenig Beifall gibt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert