Freitag, 26. April 2024
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Vom „Whistleblower“ zum „Hinweisgeber“ – Teil 2

Ansätze zur Reglementierung dieses Verhaltenstypus im Völkerrecht, im Europarecht und im Staatsrecht – unter besonderer Berücksichtigung Österreichs

Bild © tỷ-huỳnh via pexels (Ausschnitt) / Bild © Pete Linforth via Pixabay

Vom „Whistleblower“ zum „Hinweisgeber“ Teil 1:
https://www.eu-infothek.com/vom-whistleblower-zum-hinweisgeber-teil-1/

5. Umsetzung der „Hinweisgeber-Richtlinie“ 2019/1937 in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten

Die Umsetzung der „Hinweisgeber-Richtlinie“ durch Unternehmen – mit mehr als 250 Beschäftigten – und öffentliche Einrichtungen hätte, wie vorstehend erwähnt, bereits zum 17. Dezember 2021 erfolgen sollen, was aber nur in fünf der 27 EU-Mitgliedstaaten, nämlich Dänemark, Litauen, Malta, Portugal und Schweden, zeitgerecht der Fall war. In 14 weiteren Mitgliedstaaten lagen zu diesem Stichtag zumindest Gesetzesentwürfe vor, während die restlichen Mitgliedstaaten – unter anderem auch Österreich – zu diesem Zeitpunkt solche nicht einmal vorbereitet hatten.[1]

Am 27. Jänner 2022 reagierte die Kommission auf die Säumnis dieser Mitgliedstaaten mit der Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren gem. Art. 258 AEUV und sendete diesen die sog. „blauen Briefe“ zu. Am 9. Februar 2022 wurde die Kommission erneut aktiv und richtete zwei weitere Mahnschreiben an Portugal und Schweden, obwohl diese beiden Mitgliedstaaten, wie eben erwähnt, den Zeitpunkt der Einmeldung an sich korrekt eingehalten hatten. Der Grund dafür war aber das in den nationalen Umsetzungsakten angegebene verspätete Inkrafttreten, nämlich in Portugal am 19. Juni 2022 und in Schweden am 17. Juli 2022. Diese beiden Staaten müssen nun das Datum vorziehen, um einem Vertragsverletzungsverfahren zu entgehen.[2]

Anschließend sollen die Bemühungen zur Umsetzung der „Hinweisgeber-Richtlinie“ in den beiden EU-Mitgliedstaaten Österreich und Deutschland näher dargestellt werden, wobei der Schwerpunkt bewusst auf Österreich gelegt wird.

5.1. Österreich

Im bundesstaatlich organisierten Österreich regeln sowohl ein Bundesgesetz, als auch neun Landesgesetze die innerstaatliche Umsetzung der „Hinweisgeber-Richtlinie“, wie nachstehend näher ausgeführt werden soll.

5.1.1. Bund

HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG)

Nach intensiven Beratungen wurde am 3. Juni 2022 vom BM für Arbeit (BMA) der Ministerial-Entwurf des Bundesgesetzes über das Verfahren und den Schutz bei Hinweisen auf Rechtsverletzungen in bestimmten Rechtsbereichen (HinweisgeberInnenschutzgesetz – HSchG)[3] zur Begutachtung vorgelegt. Wie in der „Hinweisgeber-Richtlinie“ steht im Entwurf anstelle des Begriffs „Whistleblower“ der Begriff „Hinweisgeber“ bzw. „Hinweisgeberin“ und entsprechend anstelle von „Whistleblowing“ auch „Hinweisgebung“.

Laut Wiener Zeitung sind dazu 40 Stellungnahmen eingegangen, darunter wichtige von der Industriellenvereinigung (IV) und der Arbeiterkammer (AK). Auch der Oberste Gerichtshof (OGH) hat sich zum Entwurf geäußert und diesen teils harsch, mit folgenden Worten, kritisiert: „Die umzusetzende Richtlinie 2019/1937/EU (…) ist logisch aufgebaut und gut verständlich. Demgegenüber ist der vorliegende Entwurf zum Teil umständlich formuliert, weist eine Reihe unbestimmter Begriffe und wenig determinierter Regelungen auf und bürdet den Hinweisgebern vor Abgabe einer Meldung zum Teil undurchführbare Überprüfungen auf, was den Gesetzeszweck konterkariert. In § 1 des Entwurfs wird dessen Zielsetzung darin gesehen, einfache Verfahren mit vorhersehbaren Abläufen für Hinweise auf Rechtsverletzungen zur Verfügung zu stellen. Um dieser Anforderung zu entsprechen, müssen die vorgeschlagenen Regelungen für den durchschnittlichen Hinweisgeber verständlich sein, damit er möglichst rechtssicher abklären kann, ob er vor möglichen Repressalien als Reaktion auf eine Meldung ausreichend geschützt ist. Ist dies aufgrund der Regelungsdichte und Komplexität des Regelungssystems nicht möglich, so kann die Zielsetzung, die mögliche Hinweisgeber ermutigen soll, Verstöße (in erster Linie) gegen Unionsrecht zu melden und aufzuklären, nicht erfüllt werden“.[4]

Der Gesetzesentwurf wurde in der Folge mittels Initiativantrag am 15. Dezember 2022, mit einer fast genau einjährigen Verspätung – wie vorstehend erwähnt, hätte Österreich die Hinweisgeberschutz-Richtlinie der EU ja spätestens am 17. Dezember 2021 umzusetzen gehabt – im Parlament eingebracht, wo er am 25. Jänner 2023 im „Ausschuss für Arbeit und Soziales“ umfassend behandelt und in der Folge am 1. Februar 2023 vom Nationalrat mehrheitlich beschlossen wurde.[5] Die Verabschiedung durch den Bundesrat erfolgte am 16. Februar 2023, sodass das HSchG am 25. Februar 2023 in Kraft treten konnte.[6]  Gem. § 28 Abs. 3 HSchG ist dessen Anwendungsbereich nach Ablauf von drei Jahren, dh im Jahr 2026, erstmals zu evaluieren.

Das HSchG dient der Umsetzung der „Hinweisgeber-Richtlinie“, wobei ihm das Konzept zugrunde liegt, die Bestimmungen vorerst auf die von der Richtlinie zwingend vorgegebenen Inhalte zu beschränken, um damit die Belastungen für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) gering zu halten. Auf der anderen Seite enthält das HSchG aber, wie vorstehend erwähnt, eine Erweiterung des sachlichen Geltungsbereichs auch auf nationale Korruptionstatbestände.

Adressaten und sachlicher Anwendungsbereich

Explizit umfasst das HSchG als Adressaten sowohl den öffentlichen Sektor als auch private Unternehmen sowie gemeinnützige Einrichtungen und Vereine, sofern in der jeweiligen Organisation bzw. im jeweiligen Unternehmen mindestens 50 Mitarbeiter beschäftigt sind. Einrichtungen und Dienststellen, die in die Zuständigkeit der Länder bzw. der Gemeinden fallen, sind vom HSchG aber grundsätzlich nicht umfasst.

Das HSchG schützt natürliche Personen, die aufgrund beruflicher Verbindungen zu einem Rechtsträger Informationen über bestimmte Rechtsverletzungen erlangt haben und diese melden. Darunter fallen Arbeitnehmer, Teilzeitbeschäftigte, befristet Beschäftigte, Freiberufler, Zulieferer, Dienstleister, Geschäftspartner und Beschäftigte im öffentlichen Dienst.

Sachlich fallen unter anderem das öffentliche Auftragswesen, Finanzdienstleistungen, Umweltschutz, Verkehrssicherheit, Verbraucherschutz, Lebensmittel- und Produktsicherheit, die öffentliche Gesundheit, Datenschutz sowie die Verfolgung von Korruption in den materiellen Geltungsbereich des HSchG. Zudem sind Rechtsverletzungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU, wie zB der Missbrauch von EU-Fördergeldern, Bieterabsprachen und grenzüberschreitender Umsatzsteuerbetrug, die Verletzung von Binnenmarktvorschriften sowie Aktivitäten zur Umgehung der Körperschaftssteuer, umfasst.[7]

Im Gegensatz zur „Hinweisgeber-Richtlinie“, die nur für Hinweise über Rechtsverstöße in bestimmten Bereichen des Unionsrechts gilt, erstreckt das österreichische HSchG seinen sachlichen Geltungsbereich auch auf Verstöße gegen nationales Recht, allerdings lediglich in Bezug auf den Straftatbestand der Korruption. Dementsprechend weitet das HSchG, wie bereits erwähnt, seinen sachlichen Anwendungsbereich um die strafrechtlichen Korruptionstatbestände der §§ 302 bis 309 StGB[8] aus.

Diskriminierungsschutz für HinweisgeberInnen

Das HSchG untersagt die zivil-, straf- oder verwaltungsrechtliche Haftung von Hinweisgebern und verbietet arbeitsrechtliche Folgen und Repressalien, wie zB Kündigungen bzw. Suspendierungen, sowie auch andere Repressalien, wie zB Disziplinarmaßnahmen, Gehaltskürzungen, Aufgabenverlagerungen, die Verweigerung von Beförderungen, Herabstufung, Änderung des Arbeitsortes, der Arbeitszeit uam. Gleichzeitig kann bei Einschüchterung, Nötigung oder Mobbing auf Schadenersatz geklagt werden. Dieser Schutz erstreckt sich dabei nicht nur auf die HinweisgeberInnen selbst, sondern umfasst auch die über den Hinweis aufgeklärten Arbeitskollegen und Betriebsräte.

Wie in der HinweisgeberInnen-Richtlinie festgelegt, gilt zudem die Beweislastumkehr, dh die Unternehmen müssen nachweisen, dass die von ihnen gegen Hinweisgeber gesetzten Maßnahmen nicht mit einem abgegebenen Hinweis in Verbindung stehen.[9]

Meldestellen

Interne Meldestellen

Die vom HSchG umfassten Unternehmen, öffentliche Stellen und andere juristischen Personen sind grundsätzlich verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten. Größere Unternehmen ab 250 Beschäftigten haben, ab Inkrafttreten des Gesetzes, sechs Monate Zeit, einen internen Meldekanal für Hinweise einzurichten. Der Stichtag für Firmen mit 50 bis 249 MitarbeiterInnen ist hingegen der 17. Dezember 2023. Bei einem Verstoß gegen diese Bestimmung sind allerdings keine Sanktionen vorgesehen. Von der Einrichtung eines internen Meldekanals sind ca. 6.000 bis 8.000 österreichische Unternehmen betroffen.[10]

Auch auf Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten, könnte das Thema bald durch die „Hintertür“ zukommen, nämlich im Umweg über „Lieferkettengesetze“,[11] wie zB das am 1. Jänner 2023 in Kraft getretene deutsche „Lieferkettensorgfaltspflichten-Gesetz[12], das die Implementierung von Meldesystemen vorsieht, die auch österreichische Zulieferer betreffen können.[13]

Auf die Wichtigkeit interner Meldestellen deuten auch die Ergebnisse des „Whistleblowing Report 2021“[14] hin. Wie diesem Bericht – der sich auf die Daten einer Online-Umfrage von 1.239 Unternehmen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und der Schweiz stützt – zu entnehmen ist, verfügten 2021 bereits mehr als 60 Prozent der untersuchten Unternehmen über entsprechende Meldestellen, bei denen durchschnittlich 34 Meldungen im Jahr eingingen, von denen wiederum rund die Hälfte als relevant eingestuft werden können.[15]

Konkrete Vorgaben für die Ausgestaltung der internen Meldestelle sieht das HSchG zwar nicht vor, jedoch müssen bestimmte Voraussetzungen gewährleistet sein, wie zB ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen derselben sowie die Möglichkeit zur unparteiischen Prüfung der eingelangten Hinweise auf ihre Stichhaltigkeit. Daneben muss die Vertraulichkeit der Identität der HinweisgeberInnen, aber auch von Dritten, die in diesen Meldungen erwähnt werden, gesichert werden können.

Der interne Meldekanal muss den Anforderungen der DSGVO entsprechen, was in Form einer digitalen Whistleblower-Software, einer Telefon-Hotline oder eines Anrufbeantwortersystems geschehen kann. Alle eingehenden Meldungen und deren Bearbeitung müssen dokumentiert werden. Die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebenden sowie diejenige der von diesen erwähnten Dritten ist dabei unbedingt zu wahren.[16]

Für die Bundesministerien und deren nachgeordnete Dienststellen iSd § 278 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 ist eine gemeinsame interne Meldestelle vorgesehen, die beim Leiter der Bundesdisziplinarbehörde lokalisiert ist. Dabei sind allerdings Ausnahmen für das Verteidigungs-, das Justiz- und das Innenministerium sowie für die Obersten Organe, wie das Parlament, die Präsidentschaftskanzlei und die Höchstgerichte, vorgesehen. Diese haben eigene Stellen einzurichten, wobei die Stelle im Justizministerium etwa für die Zivil- und Strafgerichtsbarkeit, das Bundesverwaltungsgericht, die Staatsanwaltschaft, den OGH, die Generalprokuratur und die Datenschutzbehörde zuständig ist.

Interne Anlaufstelle für das Innenministerium wird das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK), das aber gleichzeitig auch als externe Meldestelle sowohl für den privaten, als auch für den öffentlichen Sektor vorgesehen ist,[17] soweit nicht andere externe Meldestellen, wie etwa die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die Finanzmarktaufsicht (FMA), oder die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) zuständig sind.

 Externe Meldestellen (WKStA, FMA, BWB)

An bereits bestehenden externen Meldestellen in Österreich sind vor allem folgende drei zu erwähnen. Von der österreichischen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wurde auf der Grundlage des § 2a Abs. 6 Staatsanwaltschaftsgesetz[18] bereits 2013 ein internetbasiertes anonymes Hinweisgebersystem eingeführt. Dieses System bietet Hinweisgebern die Möglichkeit, Hinweise zu Wirtschafts- und Korruptionsdelikten[19] über einen elektronischen Postkasten anonym der WKStA zu melden. Der zuständige Staatsanwalt kann in der Folge, anhand der eingegangenen Meldung, ein Ermittlungsverfahren einleiten. In den ersten vier Jahren seit seiner Inbetriebnahme (20. März 2013 bis 31. März 2017) gingen bei der WKStA fast 5.000 gültige Meldungen über Verdachtsmomente und potenzielle Straftaten ein. In 29 Fällen wurde Anklage erhoben.[20]

In Österreich verfügt die Finanzmarktaufsicht (FMA) auf der Grundlage des Art. 71 Eigenkapital-Richtlinie iVm § 99g BWG[21] bereits seit 1. Februar 2014, neben einer Hinweisgeber-Hotline, über ein spezielles IT-basiertes Hinweisgebersystem zur anonymen Entgegennahme von vertraulichen Informationen über mögliche Missstände in beaufsichtigten Unternehmen, wie zB Banken, Versicherungen, Markt- und Börseaufsicht uam., sowie über Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Damit hat die FMA nicht nur eine zentrale Stelle geschaffen, die für die Entgegennahme von Hinweisen zuständig ist, sondern auch ein spezielles Tool und ein besonderes Verfahren etabliert, um Hinweisgeber sowie Personen, die durch einen Hinweis betroffen sind, zu schützen.

Im Februar 2018 wurde auch bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) ein internetbasiertes „Whistleblowing-System“ auf der Grundlage des § 11b Abs. 6 Wettbewerbsgesetz[22] eingerichtet, auf deren Basis Hinweisgeber anonym Wettbewerbsverletzungen, wie zB Kartelle oder Marktmachtmissbrauch, anzeigen können.

Als neue externe Meldestelle richtet das HSchG nunmehr das vorerwähnte Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) ein. Für Hinweise auf Rechtsverletzungen, die sich auf das BM für Inneres, einschließlich deren nachgeordneter Dienststellen, beziehen, ist die Leiterin bzw. der Leiter der Bundesdisziplinarbehörde zuständige externe Meldestelle.

Zu den weiteren externen Meldestellen zählen insbesondere:

  • die Finanzmarktaufsichtsbehörde aufgrund des Finanzmarkt-Geldwäschegesetzes und des Börsegesetzes 2018,
  • die Geldwäschemeldestelle aufgrund des Bundeskriminalamt-Gesetzes[23],
  • die Abschlussprüferaufsichtsbehörde aufgrund des Abschlussprüfer-Aufsichtsgesetzes,
  • das bei der Bundeswettbewerbsbehörde aufgrund des Wettbewerbsgesetzes[24] eingerichtete internetbasierte Hinweisgebersystem,
  • das bei der Bilanzbuchhaltungsbehörde aufgrund des Bilanzbuchhaltungsgesetzes 2014 eingerichtete internetbasierte Hinweisgebersystem, und
  • das bei der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer aufgrund des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes 2017 eingerichtete internetbasierte Hinweisgebersystem.[25]

Dem Hinweisgeber muss innerhalb von sieben Tagen der Eingang der Meldung bestätigt werden und nach spätestens drei Monaten ist von der Meldestelle außerdem eine Rückmeldung zu den ergriffenen bzw. noch geplanten Maßnahmen zu liefern. Wird dem Hinweis nicht weiter nachgegangen, sind die Gründe dafür innerhalb derselben Frist zu erläutern.

Strafen

Wer einen Hinweisgeber behindert, durch mutwillige gerichtliche Verfahren unter Druck setzt oder andere Vergeltungsmaßnahmen ergreift, begeht eine Verwaltungsübertretung. Ihm droht seitens der Bezirksverwaltungsbehörde eine Verwaltungsstrafe von bis zu 20.000 Euro bzw. von 40.000 Euro im Wiederholungsfall. Dabei wird aber nicht zwischen juristischen Personen, wie zB Konzernen, und natürlichen Personen, unterschieden. Auch ist keine Mindeststrafe dafür vorgesehen. Gleiches gilt für die Verletzung von Vertraulichkeitsbestimmungen sowie bei wissentlich falschen Hinweisen durch Hinweisgeber. Daneben kann der Täter aber auch auf Schadenersatz geklagt werden.

Kritikpunkte

Während die ÖVP und die Grünen im HSchG eine gute und praktikable Lösung dieser komplexen Materie sehen, die in einigen Bereichen sogar über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinausgeht, orten die Oppositionsparteien etliche Mängel im Gesetzespaket.[26] So wies die SPÖ-Abgeordnete Verena Nussbaum darauf hin, dass man im Gesetz den Gestaltungsspielraum zugunsten der Unternehmen, nicht aber zugunsten der Hinweisgeber ausgeschöpft habe.  Insgesamt sprach sie von einem „großen Pfusch“, der einige schwere Fehler enthält.[27] Eine differenzierte Stellungnahme legte Michael Nuster von Inecos e.U. vor[28], in der er, unter Einbezug weiterer einschlägiger Studien[29], vor allem den zu engen sachlichen Geltungsbereich – so sind praktisch relevante Sachverhalte  wie Betrug, Untreue, Cyber-Crime, sexuelle Belästigung uam. vom HSchG nicht erfasst – sowie die Verwendung unterschiedlicher Begriffe im Vergleich zur „Hinweisgeber-Richtlinie“ und zum HSchG in Deutschland rügt. Auch erscheinen ihm die gesetzlichen Bestimmungen des HSchG zum Teil zu detailliert.

Laut der NGO „Transparency International“ leidet das österreichische HSchG an einer Reihe von Schwachstellen, wobei vor allem folgende drei besonders hervorgehoben werden:

– Was die Einrichtung einer internen Meldestelle betrifft, so trifft diese Verpflichtung nur Unternehmen ab 50 Mitarbeitern. Und selbst in diesen Fällen geht das Gesetz von der Straflosigkeit für jene Unternehmen aus, die keinen internen Meldekanal eingerichtet haben.

– Mögliche Sanktionen treffen Einzelpersonen gleich hart wie große Konzerne. So können Querulanten, die vorsätzlich falsche Missstände melden, mit einer Geldstrafe von bis zu 20.000 Euro bestraft werden. Derselbe Strafrahmen gilt aber auch für juristische Personen, wie Konzernen, die Hinweisgeber einschüchtern oder Druck auf sie ausüben.

– Da das HSchG vor allem klassische Korruptionsdelikte, Gesundheits- und Umweltgefährdungen umfasst, können Hinweisgeber nicht sicher sein, dass die Einmeldung von Cybercrime, sexueller Belästigung, Mobbing, Untreue, Betrug oder Diebstahl uam ebenfalls unter Schutz steht.[30]

5.1.2. Bundesländer

Die Umsetzung der vorerwähnten „Hinweisgeber-Richtlinie“ in den einzelnen Bundesländern erfolgte durch eigene Landesgesetze, von denen aber nur auf das Wiener Hinweisgeberinnen- und Hinweisgeber-Schutzgesetz kurz eingegangen werden soll; die anderen Landesgesetze  werden nur mit ihrer Quelle in den jeweiligen Landesgesetzblättern erwähnt.

Wien

Im Jahr 2021 richtete die Stadt Wien eine „Whistleblower-Plattform“ („Wiener Hinweisgeber*innensystem“)[31] ein, über die städtische Mitarbeiter, aber auch Private, anonym Hinweise auf Korruption (zB Amtsmissbrauch), Wirtschaftsdelikte (zB Untreue), Bestechlichkeit und Steuerverschwendung geben oder Compliance-Verstöße (zB gegen das dienstrechtliche Geschenkannahme-Verbot) im städtischen Umfeld, melden können. Das von der Stadt Wien in der Korruptionsprävention und -bekämpfung verwendete „Business Keeper Monitoring System“ (BKMS) wurde von unabhängigen Stellen zertifiziert und stellt Datenschutz und Informationssicherheit durch hohe technische Standards sicher. Es wird unter anderem in der WKStA, der Finanzmarktaufsicht (FMA), den Wiener Stadtwerken und im Wiener Gesundheitsverbund eingesetzt.

An weiteren Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung ist das 2002 im Magistrat der Stadt Wien eingerichtete „Wiener Antikorruptionsprogramm“ zu erwähnen, dessen wesentliche Bestandteile aus dem Handbuch „Eine Frage der Ethik“, dem E-Learning Programme zur Bewusstseinsbildung sowie dem speziellen Wiener Antikorruptions-Telefon 4000-82400, bestehen. Im Übrigen ist die Stadt Wien seit 2011 Mitglied der NGO „Transparency International-Austrian Chapter (TI-AC)“. Im Index „Transparente Gemeinde“, einem Messinstrument von TI für Transparenz in Kommunalverwaltungen, belegte Wien in den Jahren 2017 und 2019 den 1. Platz unter den 50 österreichischen Städten.[32]

Genau ein Jahr nach dem Start liegt nun eine erste Zwischenbilanz vor: Bis zum 31. Jänner 2022 langten 197 Meldungen ein, wobei in 183 Fällen davon die Meldung anonym erstattet, und in 112 Fällen ein sog. Postkasten angelegt wurde, der eine Kommunikation mit dem Hinweisgeber ermöglichte.

71 Fälle mussten ausgesondert werden, da sie nicht in die Kompetenz des Magistrats, sondern in jene von Bundesbehörden oder ausgegliederten Rechtsträgern der Stadt Wien (wie zB in die der Wiener Stadtwerke) fielen. Von den verbleibenden 126 Fällen, konnten 108 Fälle erledigt werden, wobei in zehn Fällen Compliance-Verstöße festgestellt wurden. Der Wiener Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS) begrüßte die Einrichtung der Whistleblower-Plattform, kritisierte aber zugleich die Bundesregierung, die es noch immer nicht geschafft hat, die „Hinweisgeber-Richtlinie“ zum Schutz von „Whistleblowern“ umzusetzen, sodass die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einleiten musste.[33]

In der Folge verabschiedete der Wiener Landtag das Wiener Hinweisgeberinnen- und Hinweisgeber-Schutzgesetz (W-HSchG)[34], das am 13. Juli 2022 in Kraft getreten ist und in 27 Paragraphen detaillierte Regelungen zum Schutz von HinweisgeberInnen enthält. Gem. § 27 Abs. 3 gilt für die Einrichtung der externen Meldestelle eine Übergangsfrist bis 31. Dezember 2022.

Andere Bundesländer

Wie vorstehend angeführt, soll nachstehend lediglich die Quellenangabe für die einzelnen Hinweisgeberschutzgesetze der österreichischen Bundesländer angeführt werden: Niederösterreichisches Hinweisgeberschutzgesetz[35]; Steiermärkisches Hinweisgeberschutzgesetz[36]; Salzburger Hinweisgeberschutzgesetz[37]; Burgenländisches Hinweisgeberschutzgesetz[38]; Tiroler UnionsrechtsverstößeHinweisgebergesetz[39]; Vorarlberger Hinweisgeberschutzgesetz[40]; Kärntner Hinweisgeberschutzgesetz[41] und Burgenländisches Hinweisgeberschutzgesetz[42].

5.2. Bundesrepublik Deutschland

In Deutschland war der Hinweisgeberschutz bislang vor allem durch die Judikatur der Zivil- und Arbeitsgerichte geprägt, die sich an den Vorgaben der vorerwähnten Grundsatzentscheidung des EGMR in der Rechtssache Heinisch (2011) ausrichtete. Im Februar 2012 wurde erstmals im Deutschen Bundestag der „Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Hinweisgebern – Whistleblowern (Hinweisgeberschutzgesetz – HinwGebSchG)“[43] eingebracht, der in der Folge aber zu keiner definitiven Verabschiedung führte.

Mit dem am 26. April 2019 in Kraft getretenen „Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen“ (GeschGehG)[44] gab es erstmals einen legislativen Vorstoß in Sachen Hinweisgeberschutz. Das GeschGehG dient zwar dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen und erleichtert damit den Unternehmen die rechtliche Verfolgung unerlaubter Erlangung, Offenlegung und Nutzung ihrer Geschäftsgeheimnisse, durch die Ausnahmeregelung in § 5 Nr. 2 GeschGehG sind Hinweisgeber aber geschützt, da bei Vorliegen eines berechtigten Interesses iSd Bestimmung neben der Nutzung auch die Offenlegung und Erlangung eines Geschäftsgeheimnisses zulässig ist. Das GeschGehG legte fest, in welchen Fällen Whistleblowing erlaubt und wann es untersagt ist, und bot somit einen ersten systematischen Rechtsschutz für Hinweisgeber in Deutschland. Der Whistleblower darf vertrauliche Informationen zur Aufdeckung von betrieblichem Fehlverhalten an die Öffentlichkeit weitergeben, wenn er damit das „allgemeine öffentliche Interesse“ zu schützen versucht. Da es sich dabei aber um einen unbestimmten Gesetzesbegriff handelt, ist – gepaart mit der generellen Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers – dem Whistleblower die Prüfung der Rechtmäßigkeit seines Handels selbst anheimgestellt, was die Bewertung seines eventuellen Fehlverhaltens schwierig macht.

Ergänzend zur Regelung des Whistleblowing im GeschGehG einigten sich im November 2021 die drei „Ampel-Parteien“ (SPD, Grüne und FDP) darauf, die am 23. Oktober 2019 verabschiedete „Hinweisgeber-Richtlinie“ „rechtssicher und praktikabel“ umzusetzen und dabei auch über deren Mindestanforderungen hinauszugehen. So soll das geplante Hinweisgeberschutzgesetz in der Bundesrepublik nicht nur bei Meldungen von Verstößen gegen EU-Recht schützen. Der deutsche Gesetzgeber soll dies auch bei Hinweisen „von erheblichen Verstößen gegen Vorschriften oder sonstigem erheblichen Fehlverhalten, dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt“, geltend machen können.[45] Voraussetzung hierbei ist, dass es sich um strafbewehrte (Straftat) oder bußgeldbewehrte (Ordnungswidrigkeit) Vergehen handelt, die die Gesundheit oder das Leben von Personen gefährden.

Nachdem der Regierungsentwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes von der Bundesregierung im Juli 2022 verabschiedet wurde, wurde dieser in der Folge im September 2022 im Bundestag zur Beschlussfassung eingereicht. Der Bundestag verabschiedete den Gesetzesentwurf „für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen[46] in seiner letzten Sitzung am 16. Dezember 2022, sodass dieser nur noch durch den Bundesrat angenommen werden musste. Der Bundesrat verweigerte aber am 10. Februar 2023 überraschend seine Zustimmung und begründete dies vor allem damit, dass das Hinweisgeberschutzgesetz inhaltlich über die Anforderungen der „Hinweisgeber-Richtlinie“ hinausgeht und damit kleine und mittlere Unternehmen (KMU) über Gebühr belastet.

Die Bundesregierung könnte nun den Vermittlungsausschuss anrufen, um einen Kompromiss zu erzielen. Es kommen aber auch Stimmen auf, dass dies nicht geschehen sollte, sondern dass ein neuer Gesetzesentwurf in einer nicht-zustimmungspflichtigen Form erneut in den Bundestag eingebracht werden soll.[47] Dies geschah in der Folge am 17. März 2023, wobei die Bundesregierung aber zwei Gesetzesentwürfe – „für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen“ und „zur Umsetzung der „Hinweisgeber-Richtlinie 2019/1937“[48] sowie „zur Ergänzung der Regelungen zum Hinweisgeberschutz“[49] – vorlegte, die in der Folge dem Rechtsausschuss des Bundestages überwiesen wurden. Laut Roman Poseck, dem Justizminister von Hessen, dient die Aufspaltung der Entwürfe aber lediglich dazu, die Mitwirkung der Länder zu verhindern.[50] Kern der Regelung ist die Einrichtung von Meldestellen in Unternehmen, Behörden und Organisationen, an die sich die Hinweisgeber wenden können. Als externe Meldestelle soll dabei grundsätzlich das Bundesamt für Justiz (BAJ) fungieren.[51]

Da der Bundestag am 30. März 2023 über die beiden Entwürfe abstimmen wird, könnte der Bundesrat das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz bereits in seiner Sitzung am 31. März verabschieden, das dann einen Monat nach seiner Verkündung in Kraft treten würde.[52]

Die Europäische Kommission hatte zwischenzeitlich aber die Geduld verloren und verklagte Deutschland am 15. Februar 2023 vor dem EuGH mit einer Vertragsverletzungsklage gem. Art. 258 AEUV, da es seiner Verpflichtung – die „Hinweisgeber-Richtlinie“ bis zum 17. Dezember 2021 vollständig umzusetzen – nicht zeitgerecht nachgekommen ist.[53] Die drohenden Strafzahlungen belaufen sich dabei auf einen einmaligen Pauschalbetrag in Höhe von 11,5 Mio. Euro sowie ein tägliches Zwangsgeld von rund 60.000 Euro.

6. Schweiz

Nachdem vorstehend die Bemühungen der beiden EU-Mitgliedstaaten Österreich und Deutschland zur Umsetzung der „Hinweisgeber-Richtlinie“ dargestellt wurden, soll anschließend noch ein kurzer Blick auf die Schweiz geworfen werden, in der es zwei unterschiedliche Regime in Bezug auf die Reglementierung von Hinweisgebern gibt, nämlich außerhalb und innerhalb des Bankensektors.

Als Drittstaat ist die Schweiz von der Whistleblowing-Richtlinie der EU zwar nicht betroffen, hat aber früh – dh seit dem Jahr 2003 – versucht, im Rahmen einer Teilrevision des Schweizerischen Obligationenrechts (OR), Arbeitnehmer sowie Dritte bei der Meldung von Missständen am Arbeitsplatz zu schützen. Von einer allfälligen Verbesserung des Informantenschutzes im OR würden ausschließlich Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft profitieren. Für die überwiegende Anzahl der Arbeitsverhältnisse in der Verwaltung gelten jedoch die Regeln des jeweiligen öffentlichen Personalrechts. Für Bundesangestellte besteht seit dem Jahresbeginn 2011 in Art. 22a Bundespersonalgesetz eine ausdrückliche Regelung über Melderecht und Meldepflicht bei festgestellten Missständen.[54]

Der Bundesrat, das ist die siebenköpfige Regierung der Schweiz, wollte im OR eine schweizweite Rechtsgrundlage für die rechtmäßige Meldung von Missständen am Arbeitsplatz in privaten Unternehmen schaffen.[55] Dementsprechend schickte er Anfang Dezember 2008 eine entsprechende Teilrevision des Obligationenrechts in Vernehmlassung, die er im November 2013 weiter ausgestaltete. Anfang Mai 2015 lehnte der Nationalrat[56] diesen Entwurf aber ab und wies ihn im September 2015 an den Bundesrat zurück, mit dem Auftrag, diesen zu vereinfachen. Dieser verbesserte in der Folge seinen Entwurf und legte ihn Ende September 2018 erneut dem Nationalrat vor, der ihn aber Anfang Juni 2019 neuerlich ablehnte. Im Gegensatz dazu hatte der Ständerat dem Entwurf des Bundesrates zugestimmt und diesen unverändert gutgeheißen.[57]

Am 5. März 2020 legte der Bundesrat dem Nationalrat erneut den Entwurf zum „Schutz bei Meldung von Unregelmässigkeiten am Arbeitsplatz“ zur Beschlussfassung vor, der aber von der Großen Kammer desselben definitiv abgelehnt wurde. Diesen Entscheid des Nationalrates  qualifizierte „Transparency International Schweiz“ als „Armutszeugnis für die Schweiz“ und als „pechschwarzer Tag für Whistleblowerinnen und Whistleblower“.[58] Der Nationalrat versenkt damit – nach notabene über 12 Jahren Arbeit (!) – die ganze Vorlage, sodass die WhistleblowerInnen in der Schweiz für Jahre weiterhin völlig ungenügend gesetzlich vor Nachteilen geschützt bleiben.[59]

Auf kantonaler Ebene kam jedoch jüngst Bewegung in die Szene, zB durch das Genfer Whistleblowing-Gesetz. So hat der Kanton Genf die „Loi sur la protection des lanceurs d’alerte au sein de l’Etat[60] verabschiedet, die am 26. März 2022 in Kraft getreten ist. Parallel dazu trat eine einschlägige Verordnung in Kraft, aufgrund derer Meldekanäle für Whistleblower implementiert werden können. Auch im Kanton Tessin steht ein ähnliches Gesetz für den öffentlichen Sektor kurz vor der Verabschiedung im Kantonsparlament.[61]

Wie wichtig allerdings ein generelles Hinweisgebersystem ist, zeigt ein Blick in den Whistleblowing Report 2021:[62] Danach war im Jahr 2020 fast jedes dritte der befragten 314 Schweizer Unternehmen von Missständen betroffen. Der dadurch verursachte Gesamtschaden wurde von den Unternehmen mit mehr als 100.000 Euro beziffert. Es zahlt sich daher aus, proaktiv tätig zu werden, auch wenn es der Gesetzgeber nicht verlangt. Laut Whistleblowing Report 2021 haben bereits fast 65 Prozent der Schweizer Unternehmen eine interne Meldestelle für Hinweisgeber eingerichtet, bei den Großunternehmen waren es sogar 73,1 Prozent. Damit liegt die Schweiz ungefähr gleichauf mit der Bundesrepublik (63,2 Prozent).

Obwohl, wie vorstehend erwähnt, Schweizer Unternehmen nicht direkt von der EU-„Hinweisgeber-Richtlinie“ betroffen sind, sind solche Unternehmen mit einer Niederlassung in der EU, in der mindestens 50 Mitarbeiter beschäftigt sind, gut beraten, eine interne Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)-konforme Meldestelle einzurichten.[63] Dank solcher konzernweiten Lösungen haben auch Schweizer Arbeitnehmende die Möglichkeit, Missstände am Arbeitsplatz zu melden, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen.[64]

Im Bankensektor setzt die Schweiz aber auf Geheimhaltung und sanktioniert mit ihrem „Bankgeheimnis-Gesetz“ jedwede Form von Whistleblowing durch Mitarbeiter von Banken. Gem. § 47 lit. a) des Bankengesetzes[65] darf ein Bankangestellter nicht über entsprechende Verfehlungen im Rahmen von dubiosen Kreditgeschäften berichten, wobei der Strafrahmen bei vorsätzlichem Zuwiderhandeln gegen das Bankgeheimnis bis zu drei Jahren Gefängnis reicht. Sollte sich der Hinweisgeber dadurch aber einen Vermögensvorteil verschafft haben, droht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Bei bloß fahrlässigem Handeln winkt eine Busse von lediglich bis zu 250.000 Franken. Parallele Sanktionen sind diesbezüglich in Art. 147 des Schweizer Finanzmarktinfrastrukturgesetzes[66] für die Verletzung des Berufsgeheimnisses im Finanzmarktinfrastruktursektor vorgesehen.

7. Fazit

Nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ist das HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG) die nächste innovative Compliance Regulierung. Bedenkt man, dass – ganz allgemein – rund 39 Prozent der weltweiten Betrugsfälle in Unternehmen und Organisationen von „Whistleblowern“ aufgedeckt werden,[67] dann frägt man sich, warum diese Erkenntnis jahrzehntelang nicht umgesetzt, und Hinweisgeber diesbezüglich nicht entsprechend geschützt wurden.

Die nunmehrige Regelung durch die „Hinweisgeber-Richtlinie“ sowie deren Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU ergibt zwar einen ersten „horizontalen“ Schutz von Hinweisgebern, der allerdings noch lange nicht vollständig ist, betrachtet man den eingeschränkten sachlichen Anwendungsbereich der einschlägigen Bestimmungen. Abgesehen davon bedarf die Implementierung, Verwaltung, Bewertung, Aufrechterhaltung und Verbesserung eines Hinweisgeber-Managementsystems innerhalb einer Organisation einer genauen Kenntnis der dafür notwendigen Vorgaben, über die die einzelnen Unternehmen noch nicht verfügen.

Wenngleich in einer Reihe von Organisationen gewisse einschlägige Managementsysteme vorhanden sein dürften – wie zB solche zur Korruptionsprävention und für die Verwaltung von Compliance Standards – so bedarf es für die Einrichtung eines rechtskonformen und effektiven Hinweisgebersystems einer Art Leitfaden, an dem sich die einzelnen Organisationen orientieren können. Dieser Leitfaden wurde von der International Standard Organization (ISO) im Juli 2022 unter der Bezeichnung „ISO 37002:2021 Whistleblowing Management Systems – Guidelines“ veröffentlicht, richtet sich an alle Organisationen, unabhängig von ihrer Art, Größe oder ihrem Tätigkeitsfeld, und ist für den öffentlichen oder privaten Sektor genauso relevant wie für gemeinnützige Organisationen.[68]

Bei der ISO 37002 handelt es sich nicht, wie zB bei der „Hinweisgeber-Richtlinie“, um eine verbindliche Norm, sondern sie stellt die international „beste Praxis“ dar, die Organisationen und Unternehmen weltweit als Modell für die Strukturierung ihrer internen Prozesse für den Aufbau und die Verwaltung eines effektiven Hinweisgeber-Systems nutzen können.[69] Die ISO 37002 ist damit komplementär zur „Hinweisgeber-Richtlinie“ zu sehen, da sie den betroffenen Staaten eine Anleitung bietet, wie sie das Hinweisgeber-System tatsächlich einrichten, betreiben und mit den, an die jeweiligen Meldestellen gerichteten Berichten von Hinweisgebern, auch umgehen sollen.

In praxi haben sich aber nicht nur Staaten mit den Leitsätzen der ISO 37002 zu befassen, und diese genau zu studieren, sondern im Speziellen auch Aufsichtsräte[70], Betriebsräte im Privatsektor[71] und Personalräte im öffentlichen Sektor.[72] Mit einem Wort, alle Vertreter einschlägiger Organisationen und unternehmensrelevanter Einrichtungen sind gut beraten, sich diesbezüglich kundig zu machen, um im Anlassfall Hinweisgeber entsprechend schützen zu können.

[1] Vgl. dazu Nationale Whistleblowing-Gesetze in der EU, Whistlelink.com; Letztes Update: März 2023.

[2] Vgl. Krempl, S. Whistleblower-Richtlinie: EU-Kommission startet Vertragsverletzungsverfahren, heise online vom 13. Februar 2022.

[3] 210/ME XXVII. GP.

[4] Stellungnahme des OGH (509 Präs 49/22k) via Präsidentin Dr. Lovrek, vom 14. Juli 2022, S. 1.

[5] 3087/A XXVII. GP.

[6] Die Veröffentlichung des HSchG erfolgte am 24. Februar 2023 im Bundesgesetzblatt (öBGBl. I Nr. 6/2023).

[7] Sozialausschuss gibt grünes Licht für neues HinweisgeberInnenschutzgesetz, Parlamentskorrespondenz Nr. 65 vom 25. Jänner 2023, S. 1.

[8] öBGBl. Nr. 60/1974.

[9] Vgl. Schmidt, M. Whistleblower-Richtlinie Österreich: Alles über das neue Gesetz (HSchG), integrityline.com, vom 28. Februar 2023, S. 3.

[10] Schmidt, M. Das österreichische Whistleblowinggesetz (WbG) steht kurz vor Verabschiedung, vom 14. Dezember 2021, S. 4.

[11] Vgl. dazu Hummer, W. Was bedeutet eigentlich die „Lieferketten-Sorgfaltspflicht“?, EU-Infothek vom 13. Februar 2023, S. 1 ff.

[12] Siehe dazu vorstehend.

[13] Vgl. Kary, C. Hinweisgeberschutz in der Zielgeraden, Die Presse, vom 26. Jänner 2023, S. 18.

[14] Verfasst von Christian Hauser, Jeanine Bretti-Rainalter und Helene Blumer, in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Graubünden und der EQS Group (2021).

[15] Whistleblowing Report 2021 (Fn. 68), S. 9, 11.

[16] Internes Whistleblowing ist für den Hinweisgeber riskant; vgl. Schulzki-Haddouti, C. Kritik: Geplante EU-Whistleblower-Richtlinie birgt hohe Risiken für Hinweisgeber, heise.de, vom 9. März 2019.

[17] Siehe dazu nachstehend.

[18] öBGBl. Nr. 164/1986.

[19] Siehe dazu die in § 20a Abs. 1 StPO (BGBl. Nr. 631/1975) genannten Delikte.

[20] Österr. Parlament, 12165/AB (XXV GP) – Anfragebeantwortung, 2. Juni 2017.

[21] öBGBl. Nr. 532/1993.

[22]  öBGBl. I Nr. 62/2002.

[23] öBGBl. I Nr. 22/2002.

[24] öBGBl. I Nr. 62/2002.

[25] Schmidt, M. Whistleblower-Richtlinie Österreich: Alles über den Entwurf zum neuen Gesetz (HSchG), vom 10. November 2022, S. 3; vgl. dazu auch GPA, Whistleblowing, März 2023, S. 39.

[26] Österreich setzt EU-Richtlinie zum besseren Schutz von Whistleblower:innen um, Parlamentskorrespondenz Nr. 102 vom 1. 2. 2023.

[27] Sozialausschuss gibt grünes Licht für neues HinweisgeberInnenschutzgesetz, Parlamentskorrespondenz Nr. 65 vom 25. Jänner 2023, S. 1, 3.

[28] Nuster, M. Stellungnahme zum Antrag der Abg. Peter Haubner, Maga. Agnes Sirkka Prammer und KollegInnen vom 15. 12. 2022 betreffend HinweisgeberInnenschutzgesetz(HSchG) – 3087/A XXVII. GP, vom 23. Jänner 2023.

[29] Vgl. Ruhmannseder, F. – Behr, N. – Krakow, G. (Hrsg.), Hinweisgebersysteme, 2. Aufl. (2021); Ruhmannseder, F. – Wess, N. (Hrsg.), Handbuch Corporate Compliance (2022), S. 257 ff.; Nuster, M. – Scheichenbauer, H. Die fragwürdige datenschutzrechtliche Rolle von Hinweisgebern im Entwurf zum HSchG, Compliance Praxis, 3/2022; vgl. auch Peyerl, K. Whistleblowing – rechtliche Vorgaben, in: Kofler-Senoner, B. (Hrsg.), Compliance-Management für Unternehmen. Prävention und Krisenmanagement (2016), S. 72 ff.

[30] Vgl. Böhmer, Ch. Whistleblower: Gesetz durch, Experten bleiben unzufrieden, Kurier vom 2. Februar 2023, S. 6; Kary, Ch. Hinweisgeberschutz ist nun fix, Die Presse, vom 3. Februar 2023, S. 13.

[31] bkms-system.net/stadtwien.

[32] Mehr Transparenz durch Whistleblower-Plattform; https://www.wien.gv.at/politik-verwaltung/whistleblower-plattform.html

[33] Gebhard, J. 197 Meldungen bei Wiens Whistleblower-Plattform, Kurier vom 22. Februar 2022, S. 17.

[34] LGBl. Nr. 35/2022.

[35] LGBl. Nr. 63/2022.

[36] LGBl. Nr. 42/2022.

[37] LGBl. Nr. 79/2022.

[38] LGBl. Nr. 26/2022.

[39] LGBl. Nr. 23/2022.

[40] LGBl. Nr. 37/2022.

[41] LGBl. Nr. 89/2022.

[42] LGBl. Nr. 26/2022.

[43] Deutscher Bundestag, 17. Wahlperiode, Drucksache 17/8567 vom 7. Februar 2012.

[44] dBGBl. I S. 466.

[45] Vgl. Homann, M. Hinweisgeberschutzgesetz – Alle Infos zur Umsetzung, Integrity Line, vom 23. Februar 2022.

[46] 20/4909.

[47] Siehe FAZ.NET, Kommission macht Druck wegen Whistleblower-Gesetz, vom 15. Februar 2023.

[48] 20/5992.

[49] 20/5991.

[50] Berlin.Table #33 / 19. März 2023, Whistleblower-Gesetz: Ampel startet neuen Anlauf.

[51] Deutscher Bundestag, Gesetzesentwürfe zum Schutz hinweisgebender Personen debattiert; Neuer Anlauf zum Schutz von Whistleblowern, vom 15. März 2023.

[52] Homann, M. Hinweisgeberschutzgesetz – Alle aktuellen Infos zur Umsetzung, Integrity Line, vom 21. März 2023; vgl. Birker, A.-K. – Würz, K. Hinweisgeberschutzgesetz: Bundesrat verweigert Zustimmung – wie geht es nun weiter?, Haufe.de, vom 20. Februar 2023.

[53] INFR(2022)0052.

[54] Die Politik tut sich schwer mit einem rechtlichen Schutz für Whistleblower, humanrights.ch, vom 24. Juni 2016, S. 3.

[55] Vgl. EQS-Group, Leitfaden: Whistleblowing-Gesetze in Deutschland, Österreich und der Schweiz, August 2022, S. 16.

[56] Der Nationalrat ist die große Kammer des schweizerischen Parlaments und bildet gemeinsam mit dem Ständerat die Bundesversammlung.

[57] Vgl. Hofmann, S. Wo steht die Whistleblowing-Gesetzgebung in der Schweiz?, pwc.ch, vom 26. Februar 2020, S. 2.

[58] Medienstellungnahme von Transparency International Schweiz, vom 5. März 2020.

[59] Vgl. Die Politik tut sich schwer mit einem rechtlichen Schutz für Whistleblower (Fn. 108); Kein einheitlicher Rechtsrahmen zum Schutz von Whistleblower*innen, humanrights.ch, vom 4. August 2021. 

[60] LPLA (12261).

[61] Vgl. Meier, S. Whistleblower in der Schweiz: Warum Unternehmen auf eine Whistleblowing-Plattform setzen sollten, integrityline, vom 25. Oktober 2022.

[62] Siehe Fn. 68.

[63] Vgl. Skoric, K. Die EU-Whistleblower-Richtlinie und ihre Auswirkungen auf Schweizer Unternehmen, mme.ch, vom 13. September 2022.

[64] Vgl. EQSGroup, Leitfaden: Whistleblowing-Gesetze in Deutschland, Österreich und der Schweiz, August 2022, S. 19.

[65] Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen, vom 8. November 1934 idF des BG vom 22. April 1999, AS 1999; BBl 1998 3847.

[66] Bundesgesetz über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel, vom 15. Juni 2015, AS 2015 5339; BBl 2014 7483.

[67] ACFE, Report to the nations (2016), S. 4; vgl. Homann, M. Was ist ein Whistleblower? Integrity Line, vom 2. Dezember 2022.

[68] EQS Editorial Team, ISO 37002: Was Organisationen über die Whistleblowing-Norm wissen müssen, vom 2. Dezember 2022.

[69] Vgl. Schiavi, L. ISO 37002:2021 Managementsysteme für Whistleblowing, whistlelink.com, vom 5. Juli 2022.

[70] Vgl. Leisering, K. Warum sich Aufsichtsräte mit Hinweisgeberschutz befassen sollten, Integrity Line vom 19. August 2022.

[71] Als klassischer Fall kann diesbezüglich auf den ehemaligen Vivantes-Betriebsrat (vgl. vorstehend den Fall von Heinisch v. Germany (2011)) Volker Gernhardt verwiesen werden; vgl. Friedrich, T. – Bombosch, F. Vivantes setzt Ex-Betriebsrat unter Druck: Vorwurf des Geheimnisverrats, rbb24, vom 29. August 2019.

[72] Vgl. Hüsener, M. Was der Betriebsrat über Compliance und Hinweisgeberschutz wissen sollte, Integrity Line, vom 16. August 2022.

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