Donnerstag, 28. März 2024
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Mögliche Militärintervention stößt in Großbritannien auf Skepsis

Großbritannien ist auf militärischem Gebiet traditionell der wichtigste europäische Verbündete der USA. Doch trotz der markigen Worte von Außenminister Hague sind weder die Parteien noch die Bevölkerung derzeit vorbehaltlos für einen Militärschlag gegen die syrische Regierung.

[[image1]]Auch im Vereinigten Königreich haben die schrecklichen Bilder von Giftgasopfern in Syrien aufgewühlt und schockiert. Die britische Regierung ist mittlerweile davon überzeugt, dass das Assad-Regime Giftgas gegen Zivilisten eingesetzt hat und hält einen Militäreinsatz in Syrien daher notfalls auch ohne UN-Mandat für gerechtfertigt. Doch die Nachwirkungen des Irak-Krieges, der Großbritannien gespalten hat, zeigen Wirkung: quer durch alle Parteien und in Teilen der Öffentlichkeit ist eine heftige Debatte über den Sinn und das Ziel einer Militärintervention entbrannt. Cameron sieht sich sogar Kritik aus den Reihen seiner eigenen Partei ausgesetzt. Die oppositionelle Labour-Partei verweigert der Regierung derzeit in diesem Punkt sogar offen ihre Unterstützung.

Cameron bricht seinen Sommerurlaub ab

Premierminister David Cameron wird am heutigen Dienstag eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates leiten, um über das weitere Vorgehen zu beraten. An der Sitzung nehmen neben hochrangigen Militärs und Geheimdienstlern auch einige Kabinettsmitglieder teil. Cameron hatte seinen Sommerurlaub wegen der Eskalation der Krise gestern abgebrochen. Sein Stellvertreter Nick Clegg, der als Chef der Liberaldemokraten den Juniorpartner der Koalitionsregierung leitet, sagte eine Reise nach Afghanistan ab.  Schon am Montag hatte Außenminister William Hague erklärt, ein militärisches Eingreifen wäre auch ohne einstimmiges Votum des UN-Sicherheitsrates legitim. Hague vertrat zudem die Ansicht, es sei nicht zwingend, dass das britische Parlament sich mit der Frage befassen müsse. Ob dies nötig sei hänge nämlich von der Art der Operation und dem Zeitrahmen ab. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang etwa ein Raketenangriff oder die Bombardierung von syrischen Zielen aus der Luft. Tatsächlich kann die Regierung rein rechtlich gesehen auch ohne die Zustimmung des Parlaments agieren. Ob dies politisch klug wäre ist eine andere Frage.

Rückruf der Parlementarier?

Eine Reihe von Abgeordneten aus der Liberaldemokratischen und Konservativen Partei sowie der Labour Partei fordern inzwischen nämlich lautstark, dass die Regierung die Ziele einer möglichen Militärintervention und die legale Basis eines solchen Eingreifens darlegen und das Parlament vor der endgültigen Entscheidung konsultieren muss. Offiziell endet die parlamentarische Sommerpause nächsten Montag, doch nun mehren sich die Rufe, die Abgeordneten notfalls auch vorher zurückzurufen. Mehr als 60 Abgeordnete unterzeichneten bereits einen Aufruf für eine Rückholung der Parlamentarier und eine außerordentliche Sitzung des Unterhauses. Der konservative Hinterbänkler Adam Holloway erklärte, er zweifle daran, dass es im Interesse der nationalen Sicherheit Großbritanniens sei, sich in Syrien militärisch zu engagieren, daher sei es sehr unwahrscheinlich, dass es im Parlament eine Mehrheit dafür geben werde. „Die Lage in Syrien ist nicht eindeutig, es geschehen schreckliche Dinge, für die beide Seiten verantwortlich sind“. Paul Burstow, der Fraktionschef der Liberaldemokraten sagte: „es ist von entscheidender Bedeutung, dass das Parlament über einen eventuellen Militäreinsatz abstimmt, bevor dieser beschlossen wird“, Sir Menzies Campbell, der Elder Statesman der Liberaldemokraten warnte, der Fall Syrien sei nicht mit Libyen zu vergleichen, da die UN damals eine humanitäre Intervention gebilligt hatte bevor das britische Parlament über einen Einsatz debattieren konnte. David Cameron selbst hatte als Oppositionschef im Jahr 2006 erklärt, die Rechte des britischen Regierungschefs, Soldaten in Kriegsgebiete zu entsenden müssten beschnitten werden, das Parlament sollte das letzte Wort haben.

Kein Blanko-Scheck

Douglas Alexander, der Schattenaußenminister der Labour-Partei warnte am Dienstagmorgen in der BBC, was die mögliche Entsendung britischer Truppen nach Syrien angehe, sei er nicht bereit, der Regierung einen Blanko-Scheck auszustellen. Bisher habe Hague das eigentliche Ziel eines solchen Einsatzes nicht erläutert: „Geht es im weitesten Sinne darum, den Verlauf des Bürgerkriegs zu ändern oder zu versuchen, Präsident Bashar al-Assad zu entmachten oder geht es um das enger begrenzte Ziel, ihn daran zu hindern, künftig ungestraft diese Waffen einzusetzen?“, fragte Alexander. Er distanzierte sich damit klar vom ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair, der heute in der „Times“ für ein Engagement der Briten in Syrien warb: Tatenlosigkeit könnte im Nahen Osten ein „Albtraumszenario“ für die westliche Welt zur Folge haben. Er warnte, die anhaltende Kontroverse über den britischen Einsatz im Irak-Krieg, der vor zehn Jahren begann, dürfe die britischen Politiker nicht davon abhalten, der syrischen Bevölkerung zu helfen. „Die Politik des Westens steht am Scheideweg: versuchen wir die Ereignisse im Nahen Osten mitzugestalten oder reagieren wir nur“, so Blair. Er warnte vor Passivität, denn dann könnte Syrien – zerrieben zwischen dem brutalen Assad-Regime und verschiedenen Aktivitäten von Terrorgruppen als Brutstätte des Extremismus enden.

Skeptische Öffentlichkeit

Ein Jahrzehnt Krieg in Irak und Afghanistan aber haben die britische Bevölkerung allerdings kriegsmüde gemacht. Immer mehr Briten fragen sich, ob das britische Engagement dort Sinn machte. Vor allem die Attentate von Afghanischen Soldaten und Polizisten gegen die dort stationierten Briten, die in den letzten Monaten viele Todesopfer forderten, haben die Briten desillusioniert. Dazu trägt auch bei, dass viele sich fragen, wie die Zukunft Afghanistans nach dem Abzug der Amerikaner und Briten aussehen wird. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov sprachen sich von den 2000 Befragten nur neun Prozent dafür aus, britische Soldaten nach Syrien zu entsenden, 74 Prozent waren dagegen. Dreiviertel sprachen sich statt dessen dafür aus, humanitäre Hilfe zu leisten.

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