Donnerstag, 25. April 2024
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Globaler Treffpunkt der Superreichen

London hat mehr Milliardäre als jede andere Stadt auf der Welt. Ihnen rollt die britische Regierung den roten Teppich aus. Aber ist das eine gute Idee?

[[image1]]Wenn Srichand (Sri) Hinduja bei Königin Elizabeth II zum Dinner eingeladen ist, bringt er sein eigenes Essen mit, denn der 78jährige ist strikter Vegetarier und trinkt niemals Alkohol. Die Monarchin hat Verständnis für die Marotten ihres Nachbarn: wer würde dem reichsten Mann Großbritanniens schon einen solch kleinen Wunsch abschlagen? Gemeinsam mit seinem Bruder Gopi (74) verfügt Sri Hinduja über ein Vermögen von knapp zwölf Milliarden Pfund (umgerechnet 14,5 Milliarden Euro) – damit toppen die Brüder die diesjährige Sunday-Times-Liste der reichsten Bürger Großbritanniens. Die beiden Inder, Besitzer des Konglomerats Hinduja Group, verwiesen den russischen Oligarchen und Putin-Freund Alischer Usmanow (10,65 Milliarden Pfund) auf den zweiten Rang. Doch was soll`s? Schließlich befinden sich alle in guter Gesellschaft: denn die Gesamtzahl der Milliardäre in Großbritannien ist 2013 auf 108 gestiegen, die Mehrzahl von ihnen – 72 nämlich – wohnen in London. In Moskau leben dagegen nur 48 Superreiche, in New York sogar nur 43. Jeder zehnte Milliardär auf der Welt hat heute einen Wohnsitz in der britischen Hauptstadt, viele von ihnen leben in Kensington Palace Gardens – der exklusivsten Adresse der Metropole. Sie wird im Volksmund deshalb auch „Milliardär-Allee“ genannt.

Briten in der Minderheit

Doch wer die Liste der Londoner Superreichen unter die Lupe nimmt, merkt rasch: hier geben sich vor allem Ausländer ein Stelldichein: auf den Rohstoff-Unternehmer Usmanow folgen auf Platz drei der indische Stahlmagnat Lakshmi Mittal und auf Platz vier der russisch-amerikanische Unternehmer Len Blavatnik, der in einem Palast gegenüber dem Kensington Palace wohnt. Und so geht es immer weiter, bis man auf Platz zehn schließlich auf den ersten Briten stößt. Sein Vermögen von 8,5 Milliarden Pfund hat Gerald Grosvenor, der 6. Duke of Westminster, der die Schule ohne Abitur verließ, anders als viele andere Milliardäre nicht selbst verdient sondern geerbt. Ein hochkarätiges Immobilienportfolio in Londons besten Lagen sichert dem 62jährigen ein komfortables Auskommen. Unter den 20 Reichsten befinden sich nur vier Briten, und von diesen haben sich nur die Barlcay-Zwillinge Sir David und Sir Fred, die unter anderem die Zeitung „Daily Telegraph“ besitzen, ihr Vermögen selbst verdient.

Bunte Metropole

Wie ein Magnet werden Menschen aus aller Welt von der britischen Hauptstadt angezogen. Vergleicht man die Anhäufung der Milliardäre an der Themse im Jahr 2004 mit heute, so stellt man fest: ihre Zahl hat sich verdreifacht. Vor zehn Jahren hatten Großbritannien, Irland und Schweden als einzige EU-Länder nach der Osterweiterung nicht die Zugbrücke hochgezogen sondern allen Ausländern aus der restlichen EU unbeschränkte Arbeits- und Aufenthaltsrechte eingeräumt. Doch Polen, Tschechen, Ungarn und Slowaken sind nur ein Teil der multikulturellen Bevölkerungsmelange in London, wo mehr als 200 verschiedene Nationalitäten zu Hause sind. Hier ist jede Rasse und jede Hautfarbe vertreten, mehr als 100 verschiedene Sprachen und Dialekte werden gesprochen. Schon zu Zeiten des British Empire zog die Stadt Menschen aus den ehemaligen Kolonien an. Um die Jahrhundertwende kamen dann die reichen Russen. Auch heute wissen Superreiche aus der ehemaligen Sowjetunion die angelsächsische Rechtssicherheit, die niedrige Kriminalitätsrate, die guten Privatschulen, Luxusboutiquen und Edelrestaurants zu schätzen. Später, in den Siebzigerjahren, kamen infolge steigender Ölpreise und des neuen Reichtums der Golfstaaten viele wohlhabende Araber hinzu. Bis in die Achtzigerjahre zogen dann auch Tausende Menschen aus der Karibik, aus Indien, Pakistan und Bangladesch an die Themse.

Roter Teppich für reiche Ausländer

London ist heute multikultureller denn je. Amerikanische, europäische und asiatische Banken haben immer noch einen hohen Bedarf an Investmentbankern, Analysten und Devisenhändlern und heuern hier Talente aus aller Welt an. Die Kunst- und Werbeszene wirkt als Magnet für Kreative aus aller Welt. Die Superreichen aus Russland, Amerika, Indien, den Golfstaaten und vielen anderen Teilen der ganzen Welt lieben die Sicherheit und das internationale Flair Londons – und profitieren von den Steuerprivilegien für Ausländer, die nur ihre britischen Einkünfte versteuern müssen, alle anderen Einnahmen bleiben steuerfrei. Und eine Aufenthaltsbewilligung ist schon ab einer Investition von einer Million Pfund erhältlich, ein Geldtransfer von mindestens fünf Millionen ebnet dann nach fünf Jahren auch den Weg zum britischen Pass. Deshalb sind wohlhabende Ausländer in Großbritannien auch nicht betroffen, wenn euroskeptische Parteien und Politiker lautstark gegen die ungehinderte Einwanderung aus der EU Front machen.

Nicht nur Reiche

Doch die Stadt platzt aus ihren Nähten: Im letzten Jahrzehnt wuchs London um zwölf Prozent auf heute 8,3 Millionen Einwohner. Der letzte Zensus ergab, dass hier fast eine halbe Million mehr Einwohner leben als bisher angenommen, 37 Prozent von ihnen sind nicht in Großbritannien geboren. Die Stadt boomt, Wohnraum ist knapp und teuer, es findet ein zunehmender Verdrängungswettbewerb statt: viele Normalverdiener aus der Mittelschicht verlassen die Stadt und ziehen ins Umland, wo die Immobilienpreise noch billiger sind. Manche Stadtteile wie Kensington und Chelsea, Holland Park und Knightsbridge sind inzwischen überwiegend in ausländischer Hand. Krankenschwestern und Polizisten, Lehrer und Handwerker leben dort kaum mehr. Übrig blieben neben den Superreichen die Bedürftigen, die in den staatlich finanzierten Sozialwohnungen leben. Im preisgünstigeren Osten der Stadt wiederum, wo viele ärmere Einwanderer hinzogen,  sind die staatlichen Schulen in einigen Stadtvierteln bereits so überlaufen, dass Kinder weite Schulwege in Kauf nehmen müssen, weil sie in ihrer Nachbarschaftsschule keinen Platz bekommen. London ist eine junge Stadt, denn mit 33 Jahren ist das Durchschnittsalter niedriger als im restlichen Land. Gleichzeitig aber auch ärmer: denn 28 Prozent der Einwohner befinden sich unterhalb der Armutsgrenze, mehr als im Landesdurchschnitt. So zieht sich durch die Weltstadt der Milliardäre eine tiefe soziale Kluft.

 

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