Sebastian Kurz / Bild © Dragan Tatic / Rat Brüssel / Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres via flickr (Ausschnitt), CC BY 2.045 Seiten lang erklärt ein Oberstaatsanwalt, warum die Justiz jetzt gegen die Inseraten-Korruption vorgeht, es ist die Erklärung zum Kurz-Sturz: Ein Medienhaus wird dabei schwer belastet – und es werden prominente Zeugen wie Ex-Außenministerin Karin Kneissl zitiert.
Insgesamt 1787 Seiten umfasst ein Amtsvermerk zu den Vorwürfen der Inserate-Korruption durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, der nun der eu-infothek.com und dem eXXpress zugespielt worden ist. Aufgelistet werden darin Hinweise der vergangenen Jahre, die das Bild einer systematischen Korruption zeichnen.
Drezeit im Mittelpunkt: die Tageszeitung Österreich. Gegen ihren Herausgeber sowie gegen den Geschäftsführer wird aktuell im Zusammenhang mit der Inseraten-Affäre ermittelt. Es geht um die Vorwürfe der Untreue und der Bestechung. Und es ist naheliegend: Auch andere Medienhäuser könnten schon bald Hausbesuche von der Staatsanwaltschaft bekommen. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.
Vorwurf: Erpressung
Der Amtsvermerk bezieht sich dabei hauptsächlich auf öffentlich zugängliche Quellen wie etwa Interviews oder parlamentarische Anfragen. Als Belastungszeugen werden unter anderem Journalisten und (Ex-) Politiker angeführt.
Zitat aus dem Amtsvermerk: “Die Mediengruppe Österreich sowie Wolfgang Fellner persönlich waren dabei besonders oft mit – von Letzterem dementierten – Vorwürfen einer ‘käuflichen’ Berichterstattung konfrontiert, wobei die Schilderungen von Einfordern von Werbeetats bei Wahlkämpfen bis hin zu als ‘Erpressungen’ bezeichnete Aufforderungen zum Inserieren bei sonstiger negativer Berichterstattung gehen.”
Ermittler gehen davon aus, dass die Vorwürfe schon länger bestehen
Demnach hat schon im Jahr 2012 ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann (schon damals ging es um den Vorwurf der Inserate-Korruption), dem damaligen Geschäftsführer der Mediengruppe “Österreich”, Oliver Voigt vor, dass redaktionelle Berichterstattung in der Mediengruppe ganz eng mit dem Inseratenaufkommen verstrickt sei.
In seinem Buch “Haltung” beschrieb zudem der frühere ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, wie Fellner ihn bereits 2009 bedroht haben soll, er solle das Inserate-Volumen erhöhen. Hierzu schilderte er einen Besuch des Zeitungsmachers, wonach er gesagt haben soll, dass sich die Berichterstattung “gravierend” ändern könnte, wenn sein Ministerium nicht mehr inseriert.
Altkanzler Christian Kern (SPÖ) berichtet von medialem Druck
Eine ähnliche Erfahrung machte auch SPÖ-Altkanzler Christian Kern, als er 2017 angekündigt hatte, das Inserate-Volumen von der Leserzahl abhängig zu machen. “Österreich hatte überproportional viel Geld von den Ministerien bekommen”, führte er anschließend in einem Interview mit der Recherche-Plattform “Dossier” aus. Als er schließlich wegen einer Kampagne gegen ihn alle Inserate bei “Österreich” streichen wollte, haben die Zeitung angefangen, ihn gezielt niederzuschreiben, so Kern. Fellner selbst bestritt die Vorwürfe stets.
Auch die frühere Außenministerin Karin Kneissl berichtete, dass 2017 von dem Medienhaus Druck auf sie ausgeübt worden ist, als sie als erste Amtshandlung die Inseratenschaltung reduziert hatte. “Der Zweck dieser Regierungsinserate ist sicher unter anderem – so habe ich es verstanden –, den guten Willen in der Berichterstattung zu kaufen”, sagte sie zuletzt vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss.
Betroffen sein soll laut dem Amtsvermerk auch die frühere Wiener Umweltstadträtin Ulrike Sima sein: Mehr als 50 negative, spöttische und unsachliche Artikel seien im Zeitraum von Ende 2018 bis Anfang 2020. veröffentlicht worden. Angeblich habe sich Fellner an dem zu niedrigen Inserate-Volumen der Wiener Linien gestört, das Sima damals verantwortet hat.
Als Beleg für die These führen die Ermittler außerdem ein Interview an, dass Fellner in seiner Sendung “Fellner! Live” mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka geführt hat. Der Ausschnitt kursierte damals auch in sozialen Medien:
Sobotka: “Erstens einmal habe ich nie Spenden genommen, ich hätte sie genommen, weil sie rechtmäßig…”
Fellner: “Dann halt Inserate, oder wie immer sie das bezeichnen”.
Sobotka: “Naja, sie kennen das Gschäft, ja, für’s Inserat gibt’s ein Gegengeschäft, oder?”
Fellner: “Ja, natürlich”.
Sobotka: “Natürlich.”
Dazu schreiben die Ermittler:
“Generell stieg das Volumen von Regierungsinseraten stetig, bis es im Jahr 2020 geradezu explodierte. Während die öffentliche Finanzierung von Medien durch Presseförderung zurückging, stieg die Bedeutung von öffentlichen Inseraten stetig. Ein Großteil der Inserate (“Medienkooperationen”) erhielten dabei Boulevardmedien, wobei “Österreich” gemessen an der Leserzahl die – teils mit Abstand – üppigsten Inserate erhielt.”
Sehr umfangreich zitieren die Ermittler dabei auch aus einer Studie des “Medienhaus Wien” mit dem Titel “Scheinbar transparent – Analyse der Medienkooperationen der österreichischen Bundesministerien mit österreichischen Tageszeitungen 2018/2019.” Randnotiz: Als Initiator des Forschungsprojekts wird übrigens Prof. Matthias Karmasin angeführt – der Bruder der früheren Familienministerin Sophie Karmasin gegen die als Meinungsforscherin aktuell ermittelt wird.
- eXXpress exklusiv: DAS sagt der Staatsanwalt zum Polit-Krimi und Kurz-Sturz, exxpress.at, 13.10.2021