Dienstag, 16. April 2024
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Die Presse / WKStA-Anzeige gegen Journalistin: „Angriff auf Pressefreiheit“ / Stellungnahme der WKStA

Bilder © CC0 Creative Commons, Pixabay (Ausschnitte)

Korruptionsstaatsanwälte zeigten „Presse“-Redakteurin an. Auch wenn die Anzeige haltlos ist, sind Anwälte alarmiert.

Für Empörung sorgt die Anzeige von Angehörigen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen eine Redakteurin der „Presse“. Zwar wurde die Anzeige von der Staatsanwaltschaft Wien mangels Anfangsverdachts umgehend zurückgelegt; allein der Versuch der WKStA-Vertreter irritiert Rechtsanwälte: „Das ist ein massiver Angriff auf die Pressefreiheit“, warnt Michael Enzinger, Präsident der Rechtsanwaltskammer Wien.

Anlass der beispiellosen Aktion der WKStA war ein „Presse“-Bericht von Anna Thalhammer über eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs. Unter dem Titel „Weniger Intimes darf in die Akten“ wurde, auch unter Berufung auf Aussagen des Ex-OGH-Präsidenten Eckart Ratz, über eine neue Vorgabe des Höchstgerichts berichtet: Die Staatsanwaltschaften müssten mehr darauf achten, dass bei Ermittlungen nur solche Beweismittel zum Akt genommen werden, die mit dem jeweiligen Strafverfahren zu tun haben – keine Zufallsfunde über Privatangelegenheiten. Die Staatsanwaltschaften sollten daher schon bei der Sicherstellungsanordnung explizit den relevanten Gegenstand und Zeitraum angeben. Die Praxis, einfach alles mitzunehmen, um darin nachher Verfängliches zu suchen, solle damit abgestellt werden.

Mehrere Korruptionsstaatsanwälte fühlten sich angegriffen: Sie zeigten Thalhammer wegen übler Nachrede, öffentlicher Beleidigung einer Behörde und Verleumdung an (Strafdrohung: maximal fünf Jahre Haft). Die Staatsanwaltschaft Wien kann aber nicht einmal den Anfangsverdacht einer Straftat erkennen: Ein Vorwurf, die WKStA-Staatsanwälte hätten ein unehrenhaftes Verhalten an den Tag gelegt, eine Straftat begangen oder Amts- und Standespflichten verletzt, werde im Text nicht erhoben; vielmehr werde daraus deutlich, dass laut der Verfasserin ab der OGH-Entscheidung die Praxis geändert werden müsse. Also legte die Staatsanwaltschaft die Anzeige zurück.

„Eine Schelte sondergleichen“

„Das ist eine Schelte sondergleichen“, sagt Enzinger, „beispiellos in der österreichischen Justiz.“ Und: „Kritik darf nie dazu führen, dass man mundtot gemacht wird.“ Enzinger ortet ein Versagen der Fachaufsicht, angefangen bei WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda, die der Strafverfolgung zugestimmt hatte, bis zum Justizressort. Sehr kritisch äußert sich auch Manfred Ainedter, Chef der Vereinigung Österreichischer Strafverteidiger: „Es handelt sich um einen nicht zu tolerierenden Frontalangriff auf die Pressefreiheit in unserem Land.“ Der Fall zeuge von einem „höchst merkwürdigen Rechts(un)verständnis einzelner Mitarbeiter und der Chefin einer der wichtigsten Behörden unseres Landes“.

Auch Rupert Wolff, Präsident des Rechtsanwaltskammertags, ist alarmiert: „Das Vorgehen der WKStA ist der Versuch, den unabhängigen Journalismus an die Kandare zu nehmen.“ Wenn die WKStA dazu tendiere, Journalisten einzuschränken, werde sie es nächstes Mal bei den Anwälten versuchen, befürchtet Wolff. Er wirft der WKStA vor, sich nicht genug um ihre Kernaufgabe zu kümmern: „Statt die Strafanzeigen, die bei ihr einlangen, abzuarbeiten, macht sich die WKStA die Mühe, selbst derartige zu erstatten.“

Die WKStA teilte mit, sie sehe Pressefreiheit als „hohes Gut“. Und sie beklagt, dass ihr vor Erscheinen des Artikels keine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden sei. Weiter heißt es: „Dass die Wahl des Mittels, mit dem sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegen unrichtige und ihrer Ansicht nach ehrenrührige Vorwürfe betreffend ihre Dienstpflichterfüllung wehrten, als nicht adäquat angesehen wird und nun zu entsprechendem Unverständnis geführt hat, ist nachvollziehbar.“

WKStA: Nicht als Mittel gegen Kritik gemeint

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft betont in einer Stellungnahme zu den zurückgelegten Anzeigen die Bedeutung der Pressefreiheit, bedauert aber, von der „Presse“ nicht gehört worden zu sein. Hier die Stellungnahme im Wortlaut.

Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut und als Stütze unserer demokratischen Gesellschaft zentral. Verantwortungsvolle Berichterstattung der Medien erfüllt eine wichtige Aufgabe in der Demokratie; Journalistinnen und Journalisten sollen die ihnen zukommende Funktion als objektiver „Public Watchdog“ stets wahrnehmen können. Das umfasst auch etwaige Kritik an staatlichen Institutionen, dort wo die entsprechenden Umstände dazu vorliegen.

Der Wahrung der Menschenrechte verpflichtet

Gemäß ihrem Berufskodex verstehen sich demgemäß ebenso die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte dem demokratischen Rechtsstaat sowie der Wahrung der Menschen-, Grund- und Freiheitsrechte verpflichtet.

Durch den zuletzt thematisierten Artikel des entsprechenden Mediums entstand bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der WKStA der Eindruck, dass ihnen darin unterstellt würde, eben gerade diese Grundhaltung in ihrer bisherigen Arbeit missachtet zu haben.

Gleichzeitig wurde ihnen leider weder als thematisierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, noch der Behörde gleichsam als Dienstgeber mit entsprechend gesetzlicher Fürsorgepflicht die Möglichkeit zu Stellungnahmen eingeräumt, weil weder die Pressestelle noch eine andere Stelle der WKStA vor Publizierung der Vorwürfe ein Ersuchen um Stellungnahme erreichte.

Eine nachträgliche Klarstellung der Pressestelle an die Medien fand ebensowenig Niederschlag – weder in dem entsprechenden Artikel, noch einem etwaig ergänzenden oder folgenden.

„Unverständnis nachvollziehbar“

Dass die Wahl des Mittels, mit dem sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegen unrichtige und ihrer Ansicht nach ehrenrührige Vorwürfe betreffend ihre Dienstpflichterfüllung wehrten, als nicht adäquat angesehen wird und nun zu entsprechendem Unverständnis geführt hat, ist nachvollziehbar. Die WKStA möchte dazu festhalten, dass das Vorgehen keinesfalls als Mittel gegen jegliche Art von Kritik gemeint, sondern in den besonderen Umständen dieses Falles lag. Darüber hinaus erkennt die WKStA an, dass auch das Medienrecht mit seiner Möglichkeit zur Gegendarstellung eine Gelegenheit zur Richtigstellung von unrichtigen Sachverhalten bietet.

Abschließend sei festgehalten, dass die Pressestelle der WKStA stets als Ansprechpartnerin für Medienanfragen zur Verfügung steht und diesen auch stets nachkommt, soweit dies gesetzlich möglich ist. Dies war als sachliches Gegenüber bisher der Fall und soll es auch weiterhin sein.

Klarstellung der WKStA

In der Folge zum Verständnis die Klarstellung der WKStA zum Artikel in „Die Presse“ vom 20. November 2020 „Weniger Intimes darf in die Akten“; sie erging am Tag des Artikels an die Medien, fand jedoch keinerlei Niederschlag:

Aufgrund der oben genannten Medienberichterstattung sieht sich die WKStA zu folgender Klarstellung veranlasst:

Die in dem Medienartikel zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes erging nicht zu einem Ermittlungsverfahren der WKStA. Sie hat daher keine Veranlassung in den im Artikel angeführten Verfahren „Casinos-Causa“, „Ermittlungen rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT)“ und „Eurofighter“, sondern wird in irreführender Weise damit in Zusammenhang gebracht. Das von dieser Entscheidung tatsächlich betroffene Verfahren und der zugrundeliegende Sachverhalt werden hingegen nicht erwähnt.

Nicht erst seit der zitierten OGH-Entscheidung nimmt die WKStA im Sinne der Strafprozessordnung ausschließlich Beweismittel zum Ermittlungsakt soweit sie den zu klärenden Tatverdacht betreffen. Nicht Verfahrensrelevantes aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich von Verfahrensbeteiligten in der Casinos-Causa hat die WKStA ebensowenig zum Ermittlungsakt genommen wie eine Liste verdeckter Ermittler im BVT-Verfahren.

Schwärzungen in Transkripten des Ibiza-Videos

Die WKStA ist sich der besonderen Sensibilität der Auswertungen und Aktenführung bewusst, was sich beispielsweise im Rahmen der Schwärzungen der zum Ermittlungsakt genommenen Transkripte des „Ibiza-Videos“ bereits deutlich manifestierte.

Eine Kontaktaufnahme seitens „Die Presse“ ist vor Veröffentlichung des Artikels bedauerlicherweise unterblieben, sodass die WKStA keine Möglichkeit hatte, zu den darin aufgestellten Behauptungen Stellung zu nehmen und diese richtigzustellen. Vertreter der Medien werden ersucht, sich vor Berichterstattung mit derartigen Vorwürfen an die Medienstelle der WKStA zu wenden, um eine Stellungnahme zu ermöglichen.

Quellen:

Ein Kommentar vorhanden

  1. Wo bleibt die Stellungnahme der WKStA(-In), nur leere Wortphrasen. Plus modern-chic Englisch „Public Watchdog“, immer beliebt bei allen die von etwas ablenken wollen. Die Reaktion auf das doppelte Fehlverhalten, kann zusammenfasst werden mit „wir machen das eh nicht und damit wir das nicht mehr machen, fragt das nächste mal vorher was ihr schreiben dürft“.

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