Donnerstag, 3. Oktober 2024
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Die neuralgischen Punkte einer künftigen Politik für Österreich

Finanzminister Dr. Hans Jörg Schelling. © BMFFinanzminister Hans Jörg Schelling hatte eine persönliche politische Durststrecke zu überwinden. Wenn er es auch des Koalitionsfriedens willen in der ORF-Pressestunde relativierte, so hat er mit seiner Budgetrede der SPÖ in deren Kernbereichen – Arbeit, Pensionen, Bildung – eine Kampfansage erteilt. Und die Volkspartei zum Erwachen gebracht.

Als Schelling nach dem plötzlichen Abtritt Michael Spindeleggers von der politischen Bühne am 1. September 2014 zum Finanzminister bestellt wurde, galt er zusammen mit dem neuen Vizekanzler und Parteiobmann Reinhard Mitterlehner als Hoffnungsträger des neuen ÖVP-Teams. Immerhin konnte er darauf verweisen, dass er zuvor ein höchst erfolgreicher Manager und Unternehmer war, der weiß wie man mit Zahlen umzugehen hat, der etwas vom Marketing versteht. Und dies auch allen bis hin zu den Regierungskollegen wissen und spüren ließ. Seine öffentlichen Auftritte bei Veranstaltungen waren überlaufen wie jene als ein gewisser Karlheinz Grasser das Finanzressort führte.

Innerparteiliche Bruchstellen

Dass er sich wenig dreinreden ließ, führte alsbald zu Verstimmungen in der eigenen Partei. Von Vizekanzler Mitterlehner über Landeshauptmann Erwin Pröll bis hin zu WKO Präsident Christoph Leitl. Das betraf insbesondere die große Steuerreform, die vor allem das SPÖ Klientel bediente, zu wenig der Wirtschaft brachte und auch noch schlecht verkauft wurde. Kritisch wurde es als er die Registrierkassenregelung fast erbarmungslos durchsetzte, was vor allem Kleinunternehmer, allen voran die Gastwirte auf die Palme brachte. Und der Volkspartei auch Stimmenverluste bei Wahlen bescherte.

Hypo-Bank als Trendwende

Die Trendwende brachte aber gerade jenes Kapitel der österreichischen Bankgeschichte, das dem Land den Verlust so mancher internationalen Kredibilität brachte, das Bundesland Kärnten beinahe in den Konkurs getrieben hätte. Als Schelling bei der Abwicklung der Alpen-Adria-Pleite das Heft in die Hand nahm, trauten ihm wenige zu, die Geschichte zu einem einigermaßen erträglichen Ende zu bringen. Mitnichten. Die Annahme des Heta-Vergleichsangebotes durch die Gläubiger am vergangenen Montag trug ihm Lob und Anerkennung von allen Seiten inklusive Rot und Grün ein. Sieht man von der FPÖ ab, die mit diesem dunklen Kapitel von Haiders Größenwahn nur ja nichs zu tun haben will.

Politiksünden der SPÖ

Nur wenige Tage danach setzte dann Schelling bei seiner Budgetrede zu einem Paukenschlag an. Weniger indem er damit zu Recht stolz verkünden durfte, dass es der Regierung gelungen war, trotz des durch die Flüchtlingskrise bedingten Mehraufwandes ein einigermaßen ausgeglichenes Budget vorzulegen, sondern – verpackt in eine Wunschliste an künftige Staatshaushalte – dem Koalitionspartner seine Politiksünden vorhielt. Für nicht wenige politische Beobachter so etwas wie eine Ouverture für den nächsten Wahlkampf. Wenngleich laut einer Umfrage die Mehrheit der Österreicher trotz der offen ausgetragenen Koalitionszwistigkeiten derzeit kein Interesse an vorzeitigen Neuwahlen hat, so sind die Positionierungen für eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem künftigen politischen Kurs unverkennbar.

Wirtschaftspolitik Kernkompetenz der VP

Der Politikwissenschafter Fritz Plasser vertritt schon seit langem die Meinung, dass sich die ÖVP wieder ihren eigenen Kernkompetenzen widmen und zuwenden sollte. Und dass ist nun einmal die Wirtschafts- und Finanzpolitik, der sorgsame Umgang mit dem Steuergeld. An einem großen Wirtschaftsprogramm führt kein Weg vorüber. Schelling hat in seiner Budgetrede nun genau jene Bereiche aufs Korn genommen, die fast die Hälfte des Budgets in Anspruch nehmen und für die die SPÖ die Hauptverantwortung trägt. Und bei denen sie es in früheren Wahlkämpfen immer wieder verstanden hat, siehe das Gespenst vom Rentenklau, beim einfachen Durchschnittsbürger zu punkten. Gleichzeitig sind das aber jene Politikfelder, wo die ÖVP Alternativen vorzulegen hat.

Maschinensteuer sichert keine Arbeitsplätze

• Bei der Sicherung der Arbeitsplätze hat die SPÖ noch immer die höchste Glaubwürdigkeit innerhalb der Bevölkerung. Schelling wies aber nun auf den wunden Punkt hin, dass nämlich das Sozialressort übergroße Budgetmittel erhält, gleichzeitig aber Österreich längst nicht mehr im EU-Schnitt Musterschüler ist sondern mit fast 10 Prozent eine viel zu hohe Arbeitslosenrate verzeichnet, sich mit Schulungen über die tatsächliche und vor allem ernste Situation hinwegschwindelt. Vorschläge wie jene der von Bundeskanzler Christian Kern vorgeschlagenen Maschinensteuer schaffen keine neuen Arbeitsplätze sondern belasten nur die tragende Säule der Klein-. und Mittelbetriebe.

 

Christian Kern. © SPÖ / Johannes Zinner
Christian Kern. © SPÖ / Johannes Zinner

 

Altersschere hat sich verdreifacht

• Seit Jahren ist davon die Rede, dass sich Österreich das derzeitige Pensionssystem auf Dauer nicht leisten kann und daher tiefgreifende Reformen zwingend notwendig sind. Tatsächlich kommt es nur in bald schon regelmäßigen Abständen zu Retuschen, aber zu keinen einschneidenden Maßnahmen, weil das Antasten des Pensionsthemas für die SPÖ einem Tabu-Bruch gleich käme. Wie sehr aber hier etwas nötig ist, zeigt ein Blick in die Geschichtsbücher. Als das Pensionssystem in den 1950er Jahren geschaffen wurde, betrug due Differenz zwischen Pensionsantritt und Lebenserwartung gerade einmal sieben Jahre im Durchschnitt. Aktuell sind es mehr als 21 Jahre also das Dreifache.

Ein Euro nur 50 Cent Wert

• Auf dem Bildungssektor konzentriert sich die SPÖ seit Jahren nur auf die Einführung der Gesamtschule der 10- bis 14-jährigen und lässt alle Argumente, wonach die Vielfalt des Bildungsangebotes eine wesentliche Basis ist, um leistungsfördernd zu wirken, einfach links liegen. Der Bildungsbereich ruft zweifellos nach einer Reform, die Österreichs Jugend zukunftsfit macht, es geht aber in diesem Bereich zu viel Steuergeld verloren, das im Apparat versickert. Laut Schelling kommen von jedem Euro nur 50 Cent direkt im Unterrichtsbetrieb an. Das erinnert fast schon an Italien, wo die EU-Förderungen auf dem Weg von Brüssel in den Süden in ähnlichem Maß versiegen.

Österreich-Konvent als Fundgrube

Würde sich Finanzminister Schelling jetzt auch noch den ehemaligen Rechnungshofpräsidenten Franz Fiedler an die Brust nehmen, dann könnte die Liste an Verschwendungsbeispielen und Einsparungsmöglichkeiten gewaltig erweitert werden. Dann freilich würden nicht nur Mitglieder der Bundesregierung sondern auch die Landeshauptleute mit einer Gardinenpredigt rechnen müssen. Vor mehr als elf Jahren, im Zuge des so genannten Österreich-Konvents, wurde ein ganzer Reformkatalog für ein runderneuertes Österreich präsentiert – und schließlich als unerledigt abgelegt.

 

Franz Fiedler © Parlamentsdirektion / Bildagentur Zolles KG / Leo Hagen
Franz Fiedler © Parlamentsdirektion / Bildagentur Zolles KG / Leo Hagen

 

 

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