Samstag, 27. April 2024
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Ab- und Versetzung von Richtern beweist Unabhängigkeit der Justiz

Bild © CC succo/Pixabay (Ausschnitt)

Die von der polnischen Regierung geplante Justizreform wäre ein Rückfall in die Zeit vor der Französischen Revolution, sagen Kritiker. Was ist aber der „Keypoint“ für eine unabhängige Justiz?

Legislative, Exekutive und Judikative sind die drei Eckpfeiler des Rechtsstaates. Eine besonders heikle Rolle kommt dabei jedenfalls dem dritten Pfeiler zu. Daraus erklärlich wird auch die Sensibilität in der Öffentlichkeit, wenn Regierungen oder Parteien Einfluss nehmen wollen. Mehr noch, wenn wie etwa in der Türkei unter Präsident Erdogan geschieht, eigene Gesetzesregeln aufgestellt und diese nach Belieben durchgezogen werden. Die Türkei ist allerdings „nur“ wenn auch zu Recht ein schon mehr umstrittener Beitrittskandidat, Polen freilich ist bereits Vollmitglied. Das macht die Causa zur Chefsache.

Rückfall in die Zeit vor der Französischen Revolution

Der polnischen Regierung steht daher ein Verfahren durch die EU ins Haus, sollte die von der Regierung Kaczynski geplante Justizreform Gesetzeskraft erlangen. Das könnte ein Einfrieren der Gelder aus Brüssel bis zum Verlust des Stimmrechts die Folge haben. Genau genommen geht es beim Vorhaben der Regierung darum, dass der Justizminister die Richter von den unteren bis zu den höchsten Instanzen nach Belieben besetzen, versetzen und abberufen kann. Mit dieser Untergrabung der Unabhängigkeit der Justiz würde Polen gegen ein Grundgesetz der Europäischen Union verstoßen. Und wie es der Ehrenpräsident von Transparency International, Franz Fiedler, im Gespräch mit EU-Infothek erklärt, sogar hinter die Zeit der Französischen Revolution zurückfallen. Damals war die Gerichtsbarkeit der Willkür ausgesetzt, wurden so genannte Gerichtshöfe von Machthabern, ja sogar Gutsheeren bestellt.

Begehrlichkeit der Regierungen und Parteien

Auch in Demokratien ist die Begehrlichkeit nach Postenbesetzungen groß. Regierungen und Parteien bringen daher gerne für die Besetzung der Posten in den Höchstgerichten die von ihnen bevorzugten Kandidaten in Stellung. Die Forderung der FPÖ, künftig auch zwei der 12 Verfassungsrichter zu stellen, weist in diesem Zusammenhang auf einen durchaus wunden Punkt hin. Allerdings darf die Parteiaffinität eines Kandidaten auch kein Ausschließungsgrund sein, wenn die Qualifikation den Anforderungen entspricht. Schlussendlich – und das zeichnet Demokratien aus – liegt die definitive Nominierung bei den dafür zuständigen Richterkommissionen und nicht beim Kabinett des Regierungschefs oder Justizministers. Noch viel entscheidender freilich ist, dass unliebsame Richter von den Verwaltungsbehörden weder versetzt noch abgesetzt werden dürfen. Hier liegt der entscheidende Unterschied zur Absicht der polnischen Regierung. Sie will nicht nur Richter bestellen, sondern auch in die sprichwörtliche Wüste schicken, wenn sie nicht so handeln, wie es die derzeitigen Machthaber wünschen.

Die Rolle des Justizministers

In Österreich geht die Unabhängigkeit der Justiz zumindest bis in das Jahr 1867 zurück. Damals gehörte übrigens auch ein Teil Polens zur österreichisch-ungarischen Monarchie. Bis heute, so Fiedler, ist der entscheidende Grundsatz, an dem eine unabhängige Jurisprudenz gemessen wird, dass Richter von Verwaltungsbehörden vor allem nicht nach politischem Gutdünken abgesetzt und versetzt werden dürfen. Und zwar auf allen Ebene, also vom kleinen Bezirksgericht bis hinauf zu den Höchsten Gerichtshöfen. Auch die Besetzung von Richterposten fällt unter diesen Grundsatz, hier spielt aber der Justizminister eine gewisse administrative aber nicht wirklich entscheidende Rolle, was wiederum zur Folge hat, dass Regierungen gut daran tun, auch für diesen Posten parteifreie Personen vorzusehen. Ein frommer Wunsch.

Die eigentliche Macht liegt beim Personalsenat

In Österreich und das passiert ähnlich in anderen EU-Ländern, erfolgt die Bestellung von Richtern nach einem strengen, genau vorgegebenen Verfahren. Das heißt, der Personalsenat macht einen 3-er Vorschlag. Dieser wird dem Justizminister vorgelegt, der die Möglichkeit hat, Neureihungen vorzunehmen, nicht aber Personen auszutauschen und durch solche der eigenen Wahl zu ersetzen). Vom Justizminister geht dann dieser Vorschlag zum Bundespräsidenten, der seine Unterschrift unter den Bestellungsakt setzt. Eine Zurückweisung ist bei ihm das höchste der Gefühle, wäre aber im Regelfall außergewöhnlich. Nur beim Verwaltungsgerichtshof gibt es noch eine Ausnahme, dort herrscht das Prinzip der Selbsterneuerung, das heißt, jeder neue Anwärter muss sich zunächst bei allen im Amt und Würden befindlichen Richtern vorstellen, um eine mehrheitliche Zustimmung zu erhalten.

Wann Richter abgesetzt werden dürfen

Soweit der Bestellmodus. Die Absetzung eines Richters ist für die Dauer seiner Bestellung fast ein Ding der Unmöglichkeit. Außer er lässt sich etwas zu Schulden kommen und muss sich einem Disziplinarverfahren stellen. Ähnlich wie bei den Beamten ist eine Abberufung nur möglich, wenn ein Richter zum Beispiel eine rechtmäßige Verurteilung ausfasst und zwar eine Freiheitsstrafe von 12 Monaten bedingt oder 6 Monaten unbedingt. Und dann gibt es noch einen Sonderfall. Erfährt ein Richter zweimal hintereinander ein ‚Nicht Genügend‘ in der Dienstbeschreibung, dann kommt es zu einem besonderen Disziplinarverfahren, in dem ausschließlich Richter über das weitere Schicksal ihres Kollegen urteilen. Dass das Gerichtswesen einen fast sakrosankten Bereich darstellt, veranlasst Parteien und Politiker mit diktatorischen Anwandlungen immer wieder in dieses System einzugreifen.

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