Zum elften Mal wurden in Berlin führende Frauen mit den Victress Awards ausgezeichnet. Am Montagabend fand die Victress-Gala im Hotel Titanic Chaussee Berlin im Bezirk Mitte statt. Dagmar Reim wurde mit dem “Victress Livetime Achievement Award” ausgezeichnet, Andrea Sawatzki erhielt den “Victress of The Year Award 2016”. Die Preisträgerinnen in den weiteren Kategorien: Maxie Matthiessen (Victress Vital Award), Dr. Anne-Christin Bansleben (Victress Science Award), Ann-Kathrin Carstensen (Victress Fusion Award) und Lea Lange (Victress Digital Award).
VICTRESS Awards in Berlin: Erfolgreiche Unternehmerinnen ausgezeichnet
Über 800 geladene Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft waren der Einladung gefolgt, darunter auch viel Prominenz: unter anderem Ruth Moschner, Bettina Cramer, Christian Berkel und Alexander Mazza waren auf dem roten Teppich zu sehen. Mazza war zudem Laudator in der Kategorie „Victress Science Award“.
Mit den Victress Awards wird die Arbeit erfolgreicher Gründerinnen, von Unternehmerinnen mit besonderem gesellschaftlichem Engagement sowie von Frauen mit starken Visionen geehrt. Alle Preisträgerinnen beweisen nach Meinung der 20-köpfigen Jury als eindrucksvolle Vorbilder, dass Erfolg, Führungsqualität und Weiblichkeit bestens miteinander vereinbar sind. „Wir feiern führende Frauen auf der großen Bühne, die sie verdienen. Damit geben wir auch den Gestalterinnen von morgen exzellente Vorbilder, um sie selbst zu Herausragendem zu inspirieren“, sagte Victress-Initiatorin Sonja Fusati in ihrer Eröffnungsrede.
Die Victress Initiative e.V. setzt sich seit 2005 unter dem Motto „Excellence knows no
Gender“ für einen höheren Anteil von Frauen in Führungspositionen und die Modernisierung überholter Rollenbilder ein, um den Standort Deutschland auch in diesem Bereich zukunftsfähig zu machen.
Die Preisträgerinnen
Den „Victress Lifetime Achievement Award“ erhielt Dagmar Reim für herausragende Leistungen als Intendantin des rbb (Rundfunk Berlin-Brandenburg). Sie war die erste Frau an der Spitze einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt in Deutschland und erreichte die Steigerung des Anteils der Frauen in Führungspositionen beim rbb auf rund 40 Prozent.
Dagmar Reim verlässt den Sender zum 30. Juni aus privaten Gründen. Am 7. April wurde bekannt, dass die Nachfolge ebenfalls eine Frau antritt: Die Journalistin und Fernsehmoderatorin Patricia Schlesinger (54) wird am 1. Juli ihr Amt antreten. Derzeit leitet Schlesinger beim NDR den Bereich „Kultur und Dokumentation“.
Dagmar Reim erhält den Lifetime Achievement Award, mit Sonja Fusati und André Schmitz © Victress Initiative e.V.
Mit dem „Victress of the Year Award“ wurde die Schauspielerin und Autorin Andrea Sawatzki gewürdigt. Die Journalistin Georgia Tornow verwies in ihrer Laudatio vor allem auf das Engagement der Schauspielerin in der Stiftung „Ein Platz für Kinder“, die dringend benötigte Räume (etwa Kindergärten, Diagnostikzentren, fachliche Einrichtungen) und Plätze (zum Beispiel Basketballplätze) für misshandelte und traumatisierte Kinder schafft.
Den „Victress Fusion Award“ erhielt Ann-Kathrin Carstensen, die mit ihrem Modelabel RITA IN PALMA hochwertige Häkelaccessoires in Kooperation mit türkischen Frauen herstellt. Damit gibt sie den Frauen Arbeit, Selbstbewusstsein und eine Perspektive.
Die Laudatio hielt die Journalistin und Autorin Hatice Akyün, die zu den wichtigsten Impulsgebern in der deutschen Integrationsdebatte zählt. Präsentiert wurde der Award von der Geschäftsführerin des Übersetzungsunternehmens „Lingua World“ und ehemaligen Victress-Award-Gewinnerin Nelly Kostadinova.
Maxie Matthiessen ist angetreten, die Frauenhygiene weltweit zu revolutionieren. Mit der Menstruationstasse „Ruby Cup“ schuf sie eine gesündere, günstigere und umweltfreundlichere Alternative zu herkömmlichen Hygieneprodukten. Nach dem Prinzip „Buy one, give one“ geht für jeweils eine in Industrieländern gekaufte „Ruby Cup“ eine zweite als Spende nach Afrika. Dafür wurde sie am Montag mit dem „Victress Vital Award“ ausgezeichnet.
Der „Victress Science Award“ ging an Dr. Anne-Christin Bansleben, von Haus aus Ernährungswissenschaftlerin, die ein alternatives Gerbverfahren aus Rhabarberwurzeln entwickelt hat. Dieses Verfahren der vegetabilen Ledergerbung erlaubt, Leder nachhaltig und ohne giftige Chromsalze in Deutschland zu bearbeiten.
Den „Victress Digital Award“ nahm „Juniqe“-Mitgründer Sebastian Hasebring stellvertretend für „Juniqe“-Gründerin Lea Lange entgegen, da sie nicht persönlich anwesend sein konnte und per Videobotschaft aus Asien grüßte. Mit ihrem Onlineshop hat sie den europäischen Markt für bezahlbare Kunst entdeckt und erobert.
V.l.n.r.: Schauspielerin und Autorin Andrea Sawatzki, Ann-Kathrin Carstensen, Dr. Anne-Christin Bansleben und Maxie Matthiessen. © Victress Initiative e.V.
Vor der Gala hatte Simone Bischof die Gelegenheit, für EU-Infothek mit der Unternehmerin, früheren Journalistin und Jury-Mitglied Nelly Kostadinova zu sprechen. Das Gespräch fand am frühen Abend in der Hotellobby des Hotels „Titanic“ statt. Nelly Kostadinova erschien dazu klassich-elegant gekleidet in blauer Jeans, blauem Blazer und weißer Bluse. Später zur Gala trug sie ein bodenlanges, rotes Kleid. Ihr strahlendes Lächeln zeigte sie während des gesamten Abends. Sie spricht ruhig und gewählt, mit charmantem, osteuropäischem Akzent.
Frau Kostadinova, zunächst vielen Dank, dass Sie sich vor der Verleihung Zeit für das Gespräch nehmen.
Nelly Kostadinova: Ich bin Patin des „Victress Fusion Award“, daher ist meine Beteiligung nicht so groß und ich habe noch ein wenig Zeit. Ich bin aber auch hierhergekommen, um mit meinen Mitarbeitern einen weiteren Schritt zu gehen. Nämlich um sie mit den Werten noch vertrauter zu machen, die mir wichtig sind. Victress vermittelt diese Idee, diese Werte, und ich habe wiederum viele Berührungspunkte zu Victress. Daher ist alles rund.
Sie sind mit Ihrem Unternehmen „Lingua World“ sehr erfolgreich. In welcher Sprache lässt sich Erfolg am besten oder besonders schön ausdrücken?
Ich glaube, auf Englisch ist es ganz schön. Ich hatte jahrelang, als ich noch am Anfang meiner Karriere war, als Passwort für meinem Computer das Wort success (lacht), und ich habe mir wahnsinnig gewünscht, Erfolg zu haben, obwohl ich damals nicht genau wusste, was Erfolg bedeutet. Jetzt weiß ich es. Erfolg ist für mich, dass ich ununterbrochen mit tollen Ideen beschäftigt bin. Diese Ideen haben einen Bezug zu Menschen, es sind also keine abstrakten Ideen, die nur für sich selbst existieren. Im Zentrum meiner Aufmerksamkeit ist der Mensch und das beflügelt mich und macht mich in allem, was ich tue, unermüdlich. Früher haben meine Mitarbeiter gesagt, ich wäre unstoppable. Und wenn ich Ihnen jetzt verraten darf, dass ich im November 60 Jahre alt geworden bin, Sie können es auch schreiben… nun, was mich glücklich macht ist, dass ich nicht müde geworden bin, dass meine Neugierde durch das Alter nicht reduziert wird. Mich interessiert weiterhin alles, was mit den Menschen passiert und das ist das Geheimnis, weshalb ich unstoppable bin.
Welche Sprachen sprechen Sie?
Ich bin Bulgarin, also Bulgarisch. Deutsch habe ich in Deutschland gelernt. Danach habe ich während meines ersten Studiums Russisch und die Sprachen des ehemaligen Jugoslawiens studiert, also Serbokroatisch. Das Fach nennt sich Slawistik. Und Englisch benutze ich sowieso, Italienisch habe ich dazugelernt. Es ist eine Palette von Sprachen, mit denen ich kommuniziere. Ich habe jetzt auch vor, etwas in Spanien zu machen, nicht beruflich, sondern privat, und ich denke, aufgrund des Italienischen werde ich mich auch verständigen können. Ich hatte nie die Absicht, sehr viele Sprachen zu sprechen. Aber ich bin gesprächig und deshalb lerne ich ständig etwas, das mir hilft, zu kommunizieren.
Welche Sprachen empfehlen Sie, quasi als Basis, um im Business erfolgreich zu sein?
Im Business gibt es jetzt eine Formel, diese Erfolgsformel ist: Was wird im Internet gesprochen. Früher, und damit meine ich noch vor dem Jahr 2000, haben über 70 Prozent der User Englisch gesprochen. Jetzt sind es nur noch 25 Prozent. Die Sprachen, die jetzt von den Usern benutzt werden, sind Chinesisch, Spanisch, auch Portugiesisch aufgrund von Brasilien. Dazu kommt ein großer Anteil der so genannten anderen Sprachen, die auch sehr wichtig sind, weil die Menschen aus so vielen verschiedenen Ländern kommen und miteinander kommunizieren – am liebsten im Internet und in deren eigener Sprache.
Finden Sie, dass, aufgrund simultaner Übersetzungen durch das Internet, das tatsächliche Beherrschen einer Sprache heutzutage zu wenig gefördert wird?
Dieses Übersetzen ist schön, aber auch nur die erste Hilfe. Wenn man eine richtige Behandlung braucht, geht man zum Facharzt. Ich helfe mir auch in verschiedenen Sprachen, indem ich bei Google zum Übersetzen eintrage, was ich brauche. Doch damit ist nicht alles erledigt.
Sie sind aus Bulgarien nach Deutschland gekommen. Wo waren damals die Schwierigkeiten, als Sie in ein neues Land gekommen sind?
Ich muss Sie ganz kräftig enttäuschen, ich habe keine Schwierigkeiten gehabt. Schwierig, im klassischen Sinne, ist wahrscheinlich, dass man die Sprache des Landes nicht spricht. Aber wenn man kommunikativ ist, findet man eine Sprache, die die Menschen öffnet, die die Menschen dazu bringt, miteinander zu sprechen, das ist die Sprache unseres Herzens. Die Sprache, die wir durch unseren Gesichtsausdruck sprechen, das Lächeln – ein Lächeln kann Berge versetzen –, ist noch wichtiger, als die Auswahl der Wörter, die natürlich auch wichtig sind. An der ersten Stelle steht im Berufsleben, dass die Chemie stimmen muss. Als ich nach Deutschland kam, habe ich entdeckt, dass die Chemie gestimmt hat. Meine Kinder waren eine Weile in Schweden. Darum habe ich überlegt, ob ich nicht in Schweden bleiben soll. Aber Schweden war überhaupt nicht das richtige Land für mich. Alles war langsamer als ich bin. Ich bin ein dynamischer Mensch und in Deutschland war ich einfach zu Hause, die Chemie zwischen mir und den Menschen stimmte, die Menschen haben mich gewollt. Heute kann ich sagen, dass ich ohne diese Menschen nicht angekommen wäre. Ich kann gar nicht aufzählen, wer das alles ist. Angefangen in der Bäckerei, in der ich Brötchen gekauft habe, bis zu den Fachleuten, die mir geholfen haben. Dass sind Leute, die mich einfach gewollt haben. Administrativ war mein Start in Deutschland nicht einfach, aber ich habe mir immer gesagt, das ist nur die Verwaltung, mit den Menschen komme ich klar und ich fühle mich wohl. Schwierigkeiten waren in diesem Sinne nur, dass ich schnell Deutsch lernen wollte, denn ich wollte mit den Menschen sprechen. Eine Sprache lernen ist natürlich mit Anstrengung verbunden, doch ich war jung und für mich war das Ganze kein Problem.
Sollte Deutschland im Umgang mit Migranten mehr auf die Werte setzen, die diese Menschen auch beruflich mitbringen?
Wissen Sie, als meine Tochter 1994 aus Schweden zurückkam, sie hatte die siebente Klasse abgeschlossen, stand in ihrem Zeugnis: Das Kind hat die siebente Klasse abgeschlossen. Es gab keine Noten, denn in Schweden gibt es bis zu diesem Zeitpunkt einfach keine Noten. Ich bin mit diesem Zettel zum Kultusministerium gegangen, damit sie weiter eine Schule besuchen kann. Es hat sich auch alles geklärt, aber es zeigt, wo selbst in Europa Hürden bestehen. Man kann sich vorstellen, wie viel Misstrauen jemand zu den Dokumenten empfindet, wenn man nicht versteht, was drinsteht. Natürlich werden Dokumente übersetzt. Aber selbst die Übersetzung hilft nicht immer, weil das Äquivalent von einem Fach gefunden werden muss. Wenn Sie in einem Ministerium sitzen und jemand kommt zu Ihnen und hat etwas studiert oder gelernt, das hier nicht bekannt ist, weil es anders ausgedrückt worden ist, dann werden Sie auch misstrauisch. Hier kommen wir zu den Schwierigkeiten, die durch die kulturellen Unterschiede entstehen. Diese Unterschiede sind ein großes Hindernis. Selbst für mich war es eine Umstellung. Doch das kann man nicht vergleichen, ich komme aus Südosteuropa. Viele Migranten kommen aus arabischen Ländern, sie haben unter ganz anderen Bedingungen gelebt. Das alles ist ein Problem, das aber überwindbar ist. Wir können es überwinden, wenn wir verstehen, dass die Brücken zwischen den Kulturen wir selbst sind.
Warum sollten sich Frauen mehr in der Wirtschaft einbringen? Ich habe diesen schönen Satz gelesen, dass Sie jemand sein wollten. Sollten Frauen viel mehr danach streben, jemand sein zu wollen?
Ja! Natürlich. Ich sage auch, die Wirtschaft muss weiblicher werden. Stellen Sie sich einen Aufsichtsrat vor, in dem nur Herren sitzen. Es ist deren Atmosphäre, deren Machtgefühl und alles klappt und ist wunderschön. Aber wenn eine Frau dazwischen ist, dann werden die Herren anders sein. Sie werden bei der Kommunikation eine andere Wortwahl haben, sie werden wahrscheinlich zueinander anders sein und die Mischung der Geschlechter, die gemischten Gesellschaften, hat enorm positive Energie und deswegen ist der Platz der Frau in der Wirtschaft. Ich bin eine Frau und ich führe meine Firma anders, als ein Mann es tun würde. Für mich ist nicht unwichtig, was die Menschen empfinden, wie sie sich fühlen. Natürlich sind auch die Zahlen wichtig, aber sie sind an der zweiten Stelle. Die Menschen, die sich wohlfühlen, leisten auch gute Arbeit. Menschen brauchen Emotionen. Für mich ist alles, was damit verbunden ist, wichtig. Und das nicht nur für mich, sondern für viele Frauen, die in der Wirtschaft sind. Frauen führen anders.
Was halten Sie von der gesetzlichen Frauenquote?
Es war auch für mich ein Entwicklungsprozess. Früher habe ich immer gesagt, mir hat keiner geholfen, jeder, der das Zeug hat, muss es selber schaffen. Aber ich habe eingesehen, dass die Decke, durch die man will, viel zu hoch und viel zu stark ist. Wir müssen uns nicht verletzen, indem wir durchkommen wollen. Doch wie viele werden denn durchkommen, wenn sie sich bemühen. Wir leben jetzt in einer Zeit, die die Beteiligung der Frauen erfordert und das Verständnis, dass die Tür für Frauen geöffnet wird – schon aus Respekt dafür, was sie auch familiär leisten. Erziehung oder auch schon die Geburt, dann mit dem Baby zu Hause sein, dafür muss eine Frau sehr viel Energie aufbringen. Da sollten die Männer die Tür elegant aufmachen und nicht warten, dass man sie dazu zwingt. (lacht)
Warum ist eine Auszeichnung für Frauen, wie die Victress Awards, so wichtig, damit publik wird, was sie leisten?
Es ist wichtig, damit die Menschen Vorbilder haben. Ich hatte auch Vorbilder. Am Anfang meiner Karriere war ich natürlich nicht so, wie ich heute bin. Ich habe mich entwickelt und wurde geprägt. Wir tragen die Verantwortung, die anderen Frauen, die jetzt am Anfang sind, auch zu prägen, ihnen Mut zu geben, auch Mut zu Visionen. Ich treffe oft Menschen die fragen, soll ich das so machen oder so. Ich war immer ein sehr großer Freund davon, Entscheidungen zu treffen und schnell zu reagieren. Damit habe ich mir nicht immer geholfen. Manchmal war ich viel zu schnell und habe auch verloren. Aber trotzdem ist es besser, zu handeln, anstatt zu warten. Daher brauchen diese jungen Frauen, die die Kraft haben, selbständig zu sein oder eine gute Leistung bringen wollen, auch Unterstützung. Nicht finanziell oder nicht unbedingt, dass jemand deren Arbeit macht. Aber sie brauchen die mentale Unterstützung und die emotionale, die sehr wichtig ist. Und dafür ist Victress eine große Bühne für Frauen, die eine ausgesprochen große Leistung und gesellschaftliches Engagement geleistet haben, was wichtiger ist, anstatt nur das Geld für sich selbst zu verdienen.