Donnerstag, 5. Dezember 2024
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„Gemeinwohl-Ökonomie“: Als Indien von Armut auf Wachstum schaltete

Christian Felber: Die Gemeinwohl-Ökonomie, 2010. Bild: Verlag

Für die Gründerväter Indiens könnte Christian Felbers „Dritter Weg“ 1947 Pate gestanden haben. Doch statt Wohlstand ohne Ende kamen Hunger, Armut, Emigration. 1991 war man pleite, heute peitscht die Marktwirtschaft das Land voran.

In seiner „Gemeinwohl-Ökonomie“ schwärmt „WU Wien“-Lektor Felber vom „demokratischen Marxismus“. Durch die Verstaatlichung der Wirtschaft, dem Verbot von Börsen, Märkten und Patenten will der Salzburger jenes Klima schaffen, in dem die Menschen „frei aus Lust“ und ohne materiellen Druck forschen und produzieren. Indien hatte das Modell 1991, nach 44 Jahren, aufgegeben.

„Grüner Träumer“

So beeindruckend sein gewaltfreier Kampf gegen die Briten war, so verträumt war Indiens Gründervater Mahatma Gandhi ökonomisch. Von einer Welt ohne Maschinen, Autos oder Lärm träumte er. Die Gewänder sollten sich Indiens Bürger selber weben, die Schuhe im Kreise der Familie basteln. Gandhi schien die Reinkarnation von Peter Roseggers Waldbauernbub.

Weil Gandhi 1947 bereits 78 Jahre alt war, wurde Jawaharlal Nehru erster Premier. Der glühende Marxist brachte Indien auf Gemeinwohl-Schiene. Bis 1956 war die kleine Industrie verstaatlicht, Börsen so gut wie geschlossen. Nun sollte die Menschlichkeit Einzug halten, Mitarbeiter konnten (fast) nicht mehr entlassen werden. Außerdem wollte man die Arbeitslosigkeit verringern, indem man 800 Branchen − vom Handwerk bis zur Landwirtschaft − verbot, in Maschinen zu investieren.

Indira Gandhi: Kampf dem Freihandel

Als 1966 Nehrus Tochter Indira Gandhi an die Macht kam, wurde alles noch viel schlimmer. Weil man – wie Attac-Gründer Felber – den Welthandel als Instrument kapitalistischer Ausbeutung sah, schuf man ein Zollsystem, das Im- und Exporte zum Erliegen brachte. Ausländisches Kapital lehnte man entrüstet ab, es sei denn, es war (als Entwicklungshilfe) geschenkt. Die Güter, die im Land benötigt wurden, wollte man von nun an selbst herstellen („Self Reliance“). Produzieren wollte man in Kleinbetrieben, deren Triebfeder nicht das Eigen-, sondern das Gemeinwohl war.

Wie auch Felber, der an der Wirtschaftsuniversität eine Art „Marxismus-Leninismus“ unterrichtet [1], war man von der paranoiden Angst getrieben, Firmen würden zu Monopolkapitalisten anwachsen wollen, um dann das Land (und die Welt?) beherrschen zu wollen.

Durch die Zölle wollte man Kleinfirmen vor internationaler Konkurrenz schützen; zusätzlich bekamen sie Staatsaufträge und Kredite – die aber plötzlich wegfielen, wenn man bestimmte („bedrohliche“) Größen erreicht hatte.

Zölle steigen, Löhne sinken

Nun verschlangen aber die hohen Verluste der Verstaatlichten die Mini-Erträge des künstlich klein gehaltenen Privatsektors, und so erhöhte man die Zölle auf bis zu 400 %. Bald waren sie Indiens Haupteinnahmequelle. Diese flossen dann als Subventionen in Indiens defizitäre Gemeinwohl-Wirtschaft. Ein „Perpetuum mobile“ der Armutsmaximierung.

Hungersnöte wie in China konnte man verhindern, weil man „blockfrei“ war und Hilfe nicht nur von der Sowjetunion nahm. Gerne prahlte Indien mit seinem „menschlichen Marxismus“ und war doch nie verlegen, von Kapitalisten Geldgeschenke in Milliardenhöhe anzunehmen. Alleine die im Vergleich zu Indien winzige BRD erzeugte ein Vielfaches an Wohlstand, der es seinen SPD-Regierungen ermöglichte, üppige Entwicklungshilfe an den Hunger-Koloss zu verschenken.

1991 Crash verhindert

Das Ende kam quasi über Nacht. Infolge des 1. Golfkrieges waren Millionen indischer Gastarbeiter heimgeschickt worden. Die Sowjetunion war als Geber mittlerweile ausgefallen und Europa war mit sich selbst beschäftigt – da hatte man Devisen für nur noch 14 Tage.

Es kam zu Neuwahlen und innerhalb von sechs Wochen wurde die Wirtschaft radikal liberalisiert. Ausländer durften plötzlich Firmen gründen und Produkte ohne Gängelung verkaufen. Dazu konnte man Maschinen importieren, und je nach Gutdünken das produzieren, was den größten Profit versprach. Staatliche Monopole fielen. Ausgenommen waren nur Eisenbahnen, Rüstung und Atom.

Wirtschaftswunder über Nacht

Die meisten Preise wurden freigegeben – und sie explodierten über Nacht. Aber genau das ließ Millionen „Kapitalisten“ – ebenso über Nacht – Millionen Kleinbetriebe schaffen. Sie forschten und produzierten auf Teufel komm raus, um reich zu werden. Und schufen Hunderte Millionen Jobs, und Reallohnsteigerungen von 7% und mehr im Jahr. Konzerne investierten Milliarden in Indiens vorsintflutlichen Maschinenpark.

„WU Wien“: Patentschutz abschaffen

„Wissen ist nicht Eigentum wie jedes andere. Es ist ein öffentliches Gut. Wenn es zugänglich bleibt, ist das die beste Voraussetzung für Innovation“, weiß Felber von der WU Wien. Erfinderinnen hätten kein ökonomisches Interesse, sie forschten aus „purer Lust und Freude“.

Indien hatte dies zu 100% umgesetzt, bis 1991 konnten Erfindungen nicht gesetzlich geschützt werden. Die Folgen waren aber dramatisch (und anders, als von Felber prognostiziert): Internationale Firmen waren Indien nämlich ferngeblieben. Sie hatten Millionen in die Forschung gesteckt. Patente hätten sichergestellt, dass sie die hohen Forschungskosten wieder herein-verdienen konnten.

Und auch Inder forschten nicht. Hätten sie ihr weniges Geld in die Entwicklung eines Produktes gesteckt: Ohne Patentschutz hätte es dann doch ein anderer umgesetzt, und sie wären pleite gegangen.

Gemeinwohl-Ideologie gescheitert

Die Geschichte hat Felbers Gemeinwohl-Modell 1991 abgewählt. Heute entwickeln sich indische Firmen − aus dem Nichts heraus − zu Weltmarktführern im Anlagenbau, bei Software oder in der Biotechnologie. In nur 15 Jahren hat die Aussicht auf Profit Indien zur größten pharmazeutischen Fabrik der südlichen Hemisphäre gemacht. Ausländische Firmen kaufen heute indische Patente, und nicht wie früher umgekehrt.

Christian Felber will Kapitalismus und Gier zerstören, an die Stelle von Konkurrenz und Markt sollen Kooperation, Profitlosigkeit und Liebe treten. Aber eben das hat eine Milliarde Menschen in bitterster Armut und Hunger getrieben.

Hat irgendjemand eigentlich schon einmal die Anzahl marxistischer Experimente auf dieser Welt gezählt? Und hat sich noch nie jemand gefragt, warum man an der WUI Wien das Modell Indiens BIS 1991 unterrichtet, und nicht jenes AB 1991?

 


[1] Verklausuliert als „alternative Ökonomie“, tatsächlich entspricht die Ideologie strukturell am ähnlichsten Lenins „Neuer Ökonomischer Politik“ bis 1924.

 

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